In der Philosophia konkretisiert sich auf das Äußerste verdichtet die legendenhafte, ideologisch aufgeladene Spielart von Wissenstransfer, die unter dem Begriff der translatio studii Bedeutung erlangte. Dürers Schaubild beschreibt – neben vielem anderen – in vier Medaillons knapp den historischen Weg der Übermittlung philosophischer Inhalte: von den alten Ägyptern über die Griechen und Römer auf die Deutschen, vertreten durch den berühmten Universalgelehrten Albertus Magnus, der als Erfinder des Schießpulvers galt. Neben der Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg galt dies als epochaler Beitrag der Deutschen zur abendländischen Kulturgeschichte. Darin wird zugleich nicht nur das politische, sondern auch das technische Anknüpfen an antike Glanzleistungen veranschaulicht. Dürer fertigte die Philosophia für Konrad Celtis an, der sie zur Illustration seiner Quatuor libri amorum (Vier Bücher Liebeselegien) benutzte. Das Bild ist damit eines der wenigen Beispiele, bei dem sich die direkte Einflussnahme eines Humanisten auf eine elaborierte Bilderfindung quellenmäßig belegen lässt.
Albrecht Dürer (1471–1528), Philosophia, Holzschnitt, 1502; Bildquelle: Museen der Stadt Nürnberg – Graphische Sammlung.