Aristide Briand (1862-1932)

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PublishedErschienen: 2010-12-03
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    InhaltsverzeichnisTable of Contents

    Politiker, Staatsmann [Library of Congress Prints and Photographs Division Washington, D.C. 20540 USA  RIGHTS INFORMATION:  No known restrictions on publication. DIGITAL ID:  (digital file from original) npcc 05316 http://hdl.loc.gov/loc.pnp/npcc.05316 ]
    römisch-katholisch
    * 28.03.1862 in Nantes
    † 07.03.1932 in Paris

    Zur Person

    Aristide Briand studierte zunächst Jura, wandte sich aber anschließend dem Journalismus zu und gründete mit dem Sozialisten Jean Jaurès (1859–1914) die Zeitung L'humanité. 1902 wurde er Abgeordneter der sogenannten Radikalsozialisten für das Département Loire in der französischen Nationalversammlung. Bereits 1905 gelang es ihm, den Dauerkonflikt zwischen den Anhängern eines royalistisch-kirchlichen und eines republikanisch-laizistischen zugunsten einer Trennung von Staat und Kirche im Bildungssektor zu lösen. Im Anschluss daran wurde er Bildungsminister und hielt vor dem Ersten Weltkrieg diverse weitere Ministerposten. 1909, 1915 bis 1917 und 1921 bis 1922 führte er den Regierungsrat, ehe er vom 17. April 1925 bis zum 14. Januar 1932 mit einer Unterbrechung von nur wenigen Tagen in verschiedenen Kabinetten die Position des französischen Außenministers und mehrmals gleichzeitig auch die des Premierministers bekleidete. Insgesamt diente er über dreißig Regierungen als Minister, davon elf als Premier.

    Briand stand für eine konziliante Außenpolitik gegenüber, vertrat dabei aber auch stets die französischen Interessen. Er versuchte außerdem, das System kollektiver Sicherheit des Völkerbunds zu verbessern. Innenpolitisch koalierte seine Partei häufig mit der bürgerlichen Mitte, vertreten u.a. durch Raymond Poincaré (1860–1934), der gegenüber in der Ruhrkrise zunächst einen deutlich härteren Kurs vertreten hatte, aber den begrenzten Erfolg dieser Politik eingesehen hatte. Briand musste diese unterschiedlichen Haltungen seiner politischen Partner gegenüber Deutschland stets mit ins Kalkül ziehen. Auch die französische Öffentlichkeit verhielt sich aufgrund des Ersten Weltkrieges und der rund zwei Millionen Kriegsopfer, die er in Frankreich gefordert hatte, gegenüber dem deutschen Nachbarn äußerst skeptisch.

    Seine Außenpolitik verlief von 1925 bis Mitte 1930 dennoch sehr erfolgreich. Durch die -Verträge (Oktober 1925) erlangte er von Deutschland die freiwillige Anerkennung der und französischen Grenzen von 1919, eine Sicherheitsgarantie von und . Gleichzeitig errichtete er ein System von Schiedsverträgen zwischen Deutschland und seinen Nachbarn, einschließlich und der . Mit dem zunächst von 15 Regierungen unterzeichneten Kellogg-Briand-Pakt (1928) gelang es ihm gemeinsam mit dem amerikanischen Außenminister Frank Kellogg (1856–1937) außerdem, den Krieg international zu ächten, die Schiedsgerichtsbarkeit als Instrument der Konfliktregulierung zu verallgemeinern und ein Fakultativprotokoll über obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit zu schaffen, dem Deutschland als erste Großmacht beitrat. 1929 handelte er einen neuen Reparationsplan mit Deutschland aus, der die Transferlasten erleichterte. Frankreich gewährte überdies den Abzug der französischen Besatzungstruppen in den Zonen (wie vorgesehen 1930) und (vorzeitig 1930 statt 1935).

    Neben diesen außenpolitischen Erfolgen wird sein Name immer mit dem Briand-Plan für eine "" von 1929/1930 verbunden bleiben. Seit 1925 begann Briand, aktiv die sich konstituierenden Europa-Netzwerke um Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi (1894–1972) und Louis Loucheur (1872–1931), Paneuropa-Union, um Emile Borel (1871–1956), Komitee für europäische Kooperation, sowie um Charles Gide (1847–1932) und Edgar Stern-Rubarth (1883–1972), Union douanière européenne, als Schirmherr und z. T. auch finanziell zu unterstützen. wurde damit zu einem wichtigen, auf Verständigung mit Deutschland und Stabilisierung der Versailler Ordnung gerichteten Instrument der französischen Außenpolitik. Seine wichtigsten Partner waren dabei Reichsaußenminister Gustav Stresemann (1878–1929), der sich vom großdeutschen Annexionisten des Ersten Weltkrieges allmählich zu einem Verständigungspolitiker und Völkerbundanhänger gewandelt hatte, der britische Außenminister Austen Chamberlain (1863–1937) und der belgische Außenminister Paul Hymans (1865–1941). Briands Verständigungspolitik erreichte ihren Höhepunkt in seiner Rede vor dem Völkerbund am 5. September 1929, in der er als erster verantwortlicher Minister die Errichtung eines föderativen Bandes zwischen den europäischen Nationen vorschlug. Briand war zum Zeitpunkt dieses Vorschlages Außenminister und zugleich Vorsitzender des französischen Regierungsrates.

    Seine Politik gilt als Vorbild für die französische Politik Robert Schumans (1886–1963) nach 1949, die es verstand, Deutschland einzubinden und es zu einer Stütze für Zusammenarbeit und europäische Integration heranzubilden.

    Matthias Schulz

    Anhang

    Werkverzeichnis

    Rapport sur la séparation des églises et de l'état, in: La Chambre des Députés, 8e législature, session de 1905, Paris : Impr. de la Chambre des Députés 1905.

    Paroles de paix, Paris 1927 (deutsch als: Frankreich und Deutschland: Mit einer Einleitung von Gustav Streseman, hg. v. Arthur Rosenberg, Dresden 1928).

    L' organisation d'un régime d'union fédérale européenne, in: Documents relatifs à l'organisation d'un régime d'Union Fédérale Européenne, o. O. [Paris] o. J. [1930].

    Literatur

    Bariéty, Jacques (Hg.): Aristide Briand, la Société des Nations et l'Europe 1919–1932 (Association Internationale d'Histoire Contemporaine de l'Europe), Strasbourg 2007.

    Baumont, Maurice: Aristide Briand: Diplomat und Idealist: Uebersetzung aus dem Franzoesischen von Birgit Franz, Goettingen u.a. 1966.

    Chabot, Jean-Luc: Aux origines intellectuelles de l'Union européenne: L'idée d'Europe unie de 1919 à 1939, Grenoble 2005 (überarbeitete Neuauflage des Werkes L'idée européenne dans l'entre-deux guerres, Diss. Paris 1978).

    Krüger, Peter: Briand und Stresemann: mehr als nur ein Mythos?, in: Heinz Duchhardt (Hg.): Europäer des 20. Jahrhunderts: Wegbereiter und Gründer des "modernen" Europa, Mainz 2002, S. 39–68.

    Oudin, Bernard: Aristide Briand: La Paix, une idée neuve en Europe, Paris 1987.

    Unger, Gérard: Aristide Briand: le ferme conciliateur, Paris 2005.


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    Fachherausgeber:Editor: Wolfgang Schmale
    Redaktion:Copy Editor: Jennifer Willenberg


    Indices



    ZitierempfehlungCitation

    : Aristide Briand (1862-1932), in: Europäische Geschichte Online (EGO), hg. vom Leibniz-Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz European History Online (EGO), published by the Leibniz Institute of European History (IEG), Mainz 2010-12-03. URL: https://www.ieg-ego.eu/schulzm-2010b-de URN: urn:nbn:de:0159-20100921697 [JJJJ-MM-TT][YYYY-MM-DD].

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