Medienstrategien der Revolutionäre
Im Sommer 1776 wird auf einem Schloss nahe Paris der Geburtstag des Hausherrn gefeiert. Die Festgesellschaft gibt sich im englischen Garten des Schlosses heiteren Spielen hin. Ein junges Paar, das am Eingang einer künstlichen Grotte lagert, spricht über die Ideen des Philosophen Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), die gerade am anderen Ende der Welt, im fernen Amerika, verwirklicht werden. In diesem Moment betritt der Komödiendichter und Tausendsassa Pierre de Beaumarchais (1732–1799) die Szene, der, für die Sache der amerikanischen Freiheit begeistert, seine ganze Tatkraft darauf verwendet, Waffenlieferungen für die Aufständischen zu organisieren.1 Seine Verspätung erklärt er damit, dass er noch aktuelle Post aus der Neuen Welt gelesen habe. Eines der Schreiben führt er mit sich und bittet darum, es vor den versammelten Gästen vortragen zu dürfen. Beaumarchais stellt sich auf eine kleine Anhöhe unter einen Ahornbaum, das Symbol Nordamerikas. In den Händen hält er die Unabhängigkeitserklärung, mit der wenige Wochen zuvor, am 4. Juli 1776, die 13 amerikanischen Kolonien ihre Eigenstaatlichkeit begründet haben. Mit Pathos deklamiert der Redner die Aussagen des Dokuments, die er während des Vortrags ins Französische übersetzt: die Rechtfertigung Amerikas vor der Welt, die Berufung auf das Natur-, Menschen- und Widerstandsrecht, die Anklagen gegen den König von England. Seine Zuhörerschaft, unter die sich auch die Lakaien des Schlosses gemischt haben, hört gebannt zu. Jeder spürt, dass diese Erklärung auch ihn persönlich angeht.
Diese Szene mit ihrem rousseauistischen Ambiente, dem enthusiasmierten Redner und der zu einer Gemeinschaft der Gleichen verschmelzenden Zuhörerschaft ist zu perfekt komponiert, als dass sie sich in der Realität hätte ereignen können. Vielmehr entstammt sie einem der bedeutendsten Romane, die der Amerikanischen Revolution gewidmet worden sind: Lion Feuchtwangers (1884–1958) Trilogie Die Füchse im Weinberg (1947/1948).2 Die literarische Fiktion bringt dennoch viele historische Wahrheiten zum Ausdruck: Die Declaration of Independence wollte nicht nur die Interessen der amerikanischen Kolonisten, sondern grundlegende Rechte aller Menschen statuieren. Sie wandte sich explizit an die Menschheit als Publikum, vor dem die Aufständischen ihr Vorgehen rechtfertigten und auf dessen Beifall und Zustimmung sie hofften. Der sprachliche Duktus war dabei pointiert und mitreißend. Die Leser sollten nicht nur mit Argumenten überzeugt, sondern auch emotional berührt, gleichsam entflammt werden für die Sache des Rechts und der Freiheit. Weit davon entfernt, nur eine formelle Aussage zu treffen, mit der sich die Kolonien im völkerrechtlichen Sinn vom Mutterland lösten, sollte die Unabhängigkeitserklärung auf der Welt möglichst große Verbreitung finden und selbst für die Sache der Amerikaner werben.3
Noch in einer anderen Hinsicht ist Feuchtwangers Schilderung realistisch: Die Unabhängigkeitserklärung gelangte auf dem Postweg in die Hände ihres französischen Bewunderers. Sämtliche Nachrichtenflüsse dieser Zeit waren an die Post gebunden und damit von deren Tempo abhängig.4 Informationen aus der Neuen Welt kamen per Schiff nach Europa und waren insofern im Regelfall zwischen drei und vier Wochen unterwegs. Innerhalb Europa gelangten sie zunächst nach London, Paris und Amsterdam; ein bis zwei Wochen später erreichten sie die Länder des nördlichen Mitteleuropa; noch einmal dieselbe Zeit nahm die Weiterleitung an die nord-, ost- und südeuropäische Peripherie in Anspruch.5 Anhand der Daten, unter denen die Declaration of Independence in den europäischen Zeitungen abgedruckt wurde, lässt sich dieser Nachrichtenfluss veranschaulichen: Das Dokument erschien Anfang und Mitte August 1776 in britischen, französischen und niederländischen Zeitungen,6 am 24. August gleichzeitig im Hamburgischen Unpartheyischen Correspondenten7 und in der polnischen Presse,8 Ende August in den Göteborgs Allehanda9, schließlich, in zwei Teilen, am 31. August und 11. September im Wienerischen Diarium10, um nur einige Beispiele zu nennen.
Dass die Unabhängigkeitserklärung so stark auf eine Medienwirkung hin konzipiert wurde, macht deutlich, wie hoch die amerikanischen Politiker deren Bedeutung und Gewicht einschätzten. Zu diesem Urteil waren sie schon aufgrund von Erfahrungen im eigenen Land gekommen. Die amerikanischen Patrioten hätten sich gar nicht als politische Partei konstituieren können, wenn sie nicht in den 1760er Jahren ein Korrespondenz-Netzwerk aufgebaut hätten, und wenn nicht viele neue Zeitungen dafür gesorgt hätten, dass Gleichgesinnte in den 13 Kolonien voneinander erfuhren und sich auf einer gemeinsamen Plattform über Wirklichkeitsdeutungen und politische Ziele verständigten.11 Die Kommunikation zwischen den Kolonien und dem Mutterland wurde durch die Kommunikation im Kolonialgebiet selbst überflügelt. Dabei verloren die Grenzen zwischen den 13 Kolonien mehr und mehr an Bedeutung. Beides wurde zum maßgeblichen Faktor des amerikanischen nation buildung.12 Benjamin Franklin (1706–1790), einer der Gründerväter der USA, war hieran direkt beteiligt – als Generalpostmeister der Kolonien intensivierte und beschleunigte er den Postverkehr,13 und als Drucker, Verleger und Zeitungsredakteur brachte er Publikationen auf den Markt, die von den verbesserten Verbindungen profitierten.
Wie geschickt die amerikanischen Patrioten auf der Klaviatur der öffentlichen Berichterstattung zu spielen vermochten, demonstrierte auch jenes Ereignis, das bis zum heutigen Tag als Auftakt des Unabhängigkeitskampfes gilt: die Boston Tea Party. Um ihren Widerstand gegen die britische Steuerpolitik zum Ausdruck zu bringen, veranstalteten die Patrioten eine spektakuläre Aktion: als Mohawks verkleidet stürmten sie Handelsschiffe der Ostindischen Kompanie und warfen deren Ladung, mehrere hundert Teekisten, über Bord. Damit war eine "unerhörte Begebenheit" geschaffen worden, wussten vor allem die Journalisten der Boston Gazette zu berichten, die an der Vorbereitung maßgeblich beteiligt waren,14 ein Ereignis, dessen Kunde sich wie ein Lauffeuer verbreitete. Andere Formen des Widerstands gegen die Kolonialmacht wären vielleicht effektiver gewesen, aber sie hätten für weniger öffentliches Aufsehen gesorgt. Die Boston Tea Party hingegen brachte als performativer Akt die Deutung des Konflikts durch die amerikanische Seite in schlagender Weise zum Ausdruck: Der Indianer als das zeitgenössische Symbol für Amerika15 wehrte sich gegen die Zumutungen der britischen Handelspolitik. Die Ausweitung des Sujets von der konkreten Steuer- zur allgemeinen Handelspolitik erhöhte die politische Anschlussfähigkeit für andere Staaten, die ebenfalls unter dem englischen Handelsmonopol für Nordamerika litten. Dass die Patrioten auch gegen dieses Handelsmonopol vorgingen, weckte sogleich das Interesse dritter Mächte, welche die Morgenluft vermehrter eigener Anteile am lukrativen Atlantikhandel witterten.
Wie erwartet, gingen die Schilderungen und Bilder von den Bostoner Ereignissen um die Medien rezipierende Welt und hinterließen dort tiefe Spuren im kollektiven Imaginären. Die Idee der Freiheit, ansonsten immer etwas abstrakt und unbestimmt, gewann an Konkretheit, wurde greifbar in einem dramatischen Szenario. In Amerika selbst diente die Boston Tea Party vielen vergleichbaren Aktionen in anderen Häfen als Vorbild.16 Im weltweiten Maßstab machte sie in den folgenden fast zweihundertfünfzig Jahren Karriere nicht nur als multimedial inszeniertes Vehikel der Erinnerung an die Amerikanische Revolution, sondern auch als Handlungsmuster für zahlreiche Boykottbewegungen gegen die Waren aktueller oder ehemaliger Kolonialherren, jedenfalls übermächtiger Handelspartner.
Großbritannien und das Empire – von der gemeinsamen zur getrennten Öffentlichkeit
Dass die Boston Tea Party ebenso wie das übrige Geschehen der Amerikanischen Revolution im europäischen Vergleich in Großbritannien den größten öffentlichen Widerhall fand, kann kaum überraschen – wurde doch das britische Empire von den Patrioten in der Neuen Welt direkt herausgefordert. Bemerkenswert dabei war, dass der Konflikt zwischen Mutterland und Kolonien zunächst als ein innerbritisches Problem behandelt wurde. Dies geschah einerseits, weil eine Sezession faktisch noch nicht erfolgt war und die nordamerikanischen Siedlungskolonien und Auswanderungsgebiete ohnehin viel stärker als Bestandteile Großbritanniens angesehen wurden als andere Kolonialräume, andererseits aber auch, weil die von den Amerikanern diskutierten politischen Ideen und Problemstellungen in ähnlicher Weise in Großbritannien selbst die Debatte bestimmten.17 So forderte die Opposition in London schon in den 1760er Jahren eine Parlaments- und Wahlrechtsreform, die mit jenem Prinzip der virtuellen Repräsentation brechen sollte,18 das später die amerikanischen Patrioten attackierten. Da zu dieser Zeit in Amerika noch vor allem britische Zeitungen gelesen wurden, kam diese Kritik auch in der Neuen Welt zu Gehör. Franklin hielt sich währenddessen zweimal für mehrere Jahre als Vertreter kolonialer Interessen in London auf, brachte den Standpunkt der britischen Opposition über seine Korrespondenz gleichsam persönlich in die amerikanische Debatte ein. Der Streit um die Parlamentsreform in Großbritannien war darüber hinaus in einen grundsätzlichen Konflikt um den politischen Zustand des Landes eingebettet, der sich nach Meinung der Opposition weit von den Idealen der Glorious Revolution (1688/1689) entfernt hatte. Eine übermächtige Krone und eine dekadente Aristokratie träten die Bill of Rights von 1689 mit Füßen. Dagegen wandte das konservative Lager ein, die Teilhabe des Parlaments an der Macht sei in ausreichendem Umfang gesichert, nicht umsonst gelte Großbritannien weltweit als das Land mit den freiheitlichsten Institutionen.19
Als die Auseinandersetzung mit den amerikanischen Patrioten ab 1773 eskalierte, wurde sie in Großbritannien auf genau diesen Interpretationsrahmen bezogen: Oppositionelle Kräfte betonten die Rechtmäßigkeit der amerikanischen Kritik an der virtuellen Repräsentation, an dem nicht ausreichenden Mitspracherecht der Bevölkerung in der Steuerpolitik und an der Selbstherrlichkeit des Monarchen.20 Konservative hingegen machten geltend, die Amerikaner seien durch das Parlament angemessen repräsentiert, und eben dieses verlange mit Recht, dass auch die Amerikaner dazu beitrügen, den Schuldenberg abzutragen, den das Land während des Siebenjährigen Kriegs (1756–1763) u.a. deshalb aufgehäuft habe, um die politische und religiöse Freiheit der Kolonisten gegenüber Frankreich und Spanien zu verteidigen. Diese Steuern zu verweigern, zeuge von Undankbarkeit, und es schwäche die Autorität des Parlaments, das wie keine andere Institution die politische Freiheit der Briten verkörpere.21 In Amerika selbst bekämpften sich Patrioten und Loyalisten mit denselben Argumenten. Großbritannien und die Kolonien bildeten einen gemeinsamen politischen Kommunikationsraum, in dem nicht der Gegensatz zwischen Mutterland und Kolonie die entscheidende Konfliktlinie bildete, sondern die Positionierung in den Debatten um die Reform oder Bewahrung des 1689 geschaffenen politischen Systems.
Diese Struktur veränderte sich, als die Amerikaner 1776 ihre Unabhängigkeit erklärten. Nun konnte der Konflikt nicht mehr ohne weiteres als innerbritische Angelegenheit gedeutet werden. Trotzdem verteidigten viele Zeitungen auch weiterhin den Standpunkt der vormaligen Kolonisten.22 Zu einem entscheidenden Bruch kam es erst 1778, als Frankreich an der Seite der Amerikaner in den Krieg eintrat. Das Bündnis mit dem Erzfeind kostete die Amerikaner in Großbritannien viele Sympathien; die Briten rückten im Kampf gegen Frankreich über die innenpolitischen Gräben hinweg zusammen. Als 1779 auch Spanien Großbritannien den Krieg erklärte und die beiden katholischen Mächte eine Invasion der britischen Inseln planten, fand sich deren Bevölkerung schnell in der traditionellen Abwehrstellung gegen Papismus und "Absolutismus" zusammen.23 Die Amerikaner galten nicht länger als "Beinahe-Landsleute", deren politische Auffassungen man billigen oder missbilligen konnte, sondern als Barbaren und Wilde, welche London auf den Pfad zivilisatorischer Tugend zurückführen musste. Nur noch ein Teil der radicals nahm weiterhin für die Revolutionäre in Übersee Partei.24
Betrachtet man die Medialisierung der Amerikanischen Revolution in Großbritannien im Überblick, so fällt – neben der Freimütigkeit, mit der die Opposition ihre Meinung artikulieren konnte25 – zunächst die große Dichte und Intensität der Berichterstattung auf.26 Sie nahm erst ab, als nach 1778/1779 die Auseinandersetzung mit den europäischen Rivalen in den Vordergrund trat:27 Die Kämpfe um Gibraltar und auf Jersey sowie die Seeschlacht an der Doggerbank spielten sich in größerer geografischer Nähe ab und waren schon deshalb besonders prekär. Bis dahin berichteten die Zeitungen fast ständig detailliert von allen Facetten des kolonialen Konflikts, und alle wichtigen Programmschriften der beteiligten Akteure jenseits und diesseits des Atlantiks wurden publiziert und diskutiert. Nach der Veröffentlichung der Unabhängigkeitserklärung beispielsweise erschien als Antwort ein Pamphlet28 von John Lind (1737–1781), das die Argumente der Amerikaner zu widerlegen versuchte. Der Kriegseintritt Frankreichs führte zu einem ähnlichen öffentlichen Schlagabtausch zwischen den Kontrahenten.29
Zu den Ursachen für diese gewaltige Medienpräsenz des Themas gehörte gewiss die Bedeutung, die der Unabhängigkeitskrieg für den Alltag vieler Briten hatte: Die wirtschaftlichen Folgen des wegbrechenden Handels mit den Feindstaaten waren allenthalben spürbar und konnten durch Gewinne der Kriegszulieferer nur ungenügend aufgefangen werden. Außerdem erfasste der Militärdienst bei Armee oder Flotte zahlreiche Männer und drohte sich in Anbetracht der befürchteten Invasion noch auszuweiten.30 Über die Reaktion auf die Niederlage von Saratoga konnte die Gazette de Leyde im Dezember 1777 schreiben: "Toute la Nation est dans la plus grande consternation."31 So wie die öffentliche Thematisierung Folge realer Erfahrungen und Dispositionen war, wirkte sie aber auch ihrerseits auf das Bewusstsein der Bevölkerung ein. Die anhaltende Medienpräsenz des gemeinsamen Problems schweißte die Menschen gerade in den Jahren nach 1778 zusammen.32 Darüber hinaus profitierte das britische nation building davon, dass sich Iren und Schotten stärker mit der Sache des Empire identifizierten.33
Die Zeitungen bildeten nicht nur ein Forum für die Meinungsäußerungen von Redakteuren und den Abdruck von Berichten und Dokumenten, sondern gaben auch Stellungnahmen aus der Bevölkerung Raum. So wurden zahlreiche Loyalitäts-, aber auch Friedensadressen abgedruckt, welche die britischen Städte an die Krone richteten.34 Hier fand ebenfalls ein Wettstreit der Meinungen statt – wie auf der Ebene der Leserbriefe, mit denen sich auch Personen aus der unteren Mittelschicht an der öffentlichen Debatte beteiligten.35 Selbstbewusst wogen diese Autoren das Pro und Contra von Regierungsmaßnahmen gegeneinander ab. Jedes Argument, jeder Gesichtspunkt schien es wert zu sein, dem Publikum zur Kenntnis gebracht zu werden. Die räsonierende Öffentlichkeit, Idealbild der Aufklärung, kam in mancher Hinsicht ihrer Verwirklichung nahe.36
Auf ein besonderes Interesse beim Publikum stießen die im engeren Sinn militärischen Ereignisse. Die Leserschaft vollzog die strategischen Planungen und ihre praktische Umsetzung Schritt für Schritt mit. Die Darstellung war dabei so detailgenau, dass sogar einzelne Desertionen von deutschen Mietsoldaten in den Zeitungen erwähnt wurden.37 Das Verhalten der militärischen Führung wurde aufmerksam beobachtet und mit Lob und Tadel bedacht. Nach der Kapitulation von Saratoga, als sich der britische General John Burgoyne (1722–1792) vor dem Unterhaus rechtfertigen musste, beteiligte sich auch die Presse an der Debatte um das vermeintliche Versagen des Truppenführers.38 Immer wieder monierte die Öffentlichkeit, dass ungeeignete Personen in höchste Ämter gelangten, deren Fehlverhalten der Nation schweren Schaden zufüge.
Der Oberkommandierende der amerikanischen Kontinentalarmee, George Washington (1732–1799), hatte in Großbritannien hingegen kontinuierlich eine gute Presse. Die Medien stilisierten ihn zu einem modernen Cincinnatus (519–438 v. Chr.), der seine Güter verließ, als die Republik ihn rief, um selbstlos dem Allgemeinwohl zu dienen. Dass Washington der Habitus eines britischen Gentleman zugeschrieben wurde, machte es noch leichter, an ihm das eigene Gentlemanideal der Achtung des Feindes zu erproben.39 Ähnlich populär war anfänglich Franklin, der sich – als "brother genius" Voltaires (1694–1778)[] bezeichnet40 – bis 1775 in England aufhielt und dort in zahlreichen Zeitungsartikeln den Standpunkt der Kolonien vertrat und erläuterte.41 Dabei argumentierte er, den Forderungen der Amerikaner müsse entsprochen werden, um jenes Empire zu bewahren, das auch für die transatlantischen Kolonien die politische Heimat sei und bleiben solle. Seine Beliebtheit in London beruhte weitgehend auf dieser moderaten Haltung, ja einer Vermittlerrolle, die man ihm zuschrieb. Als er für die Boston Tea Party und die Eskalation des Konflikts in deren Gefolge mitverantwortlich gemacht wurde, verschlechterte sich das Verhältnis zunehmend – rapide noch einmal, als Franklin nach Amerika zurückkehrte und damit eindeutig zugunsten der Rebellen Partei nahm.42 Eine weitere stark beachtete Persönlichkeit war der amerikanische Kommodore und Kaperfahrer John Paul Jones (1747–1792), der während des Kriegs die englische Küste unsicher machte.43 Viel Aufhebens gab es in den britischen Medien um dessen Landung auf der holländischen Insel Texel 1779, welche mit der Neutralität der Niederlande unvereinbar schien.44
Ein Indiz für die starke Beachtung der Amerikanischen Revolution in der britischen Öffentlichkeit ist auch ihre häufige Thematisierung in der Belletristik. Robert Heilman hat 75 Romane gezählt, die zwischen 1776 und 1800 in England erschienen und auf die Geschehnisse in der Neuen Welt Bezug nahmen. Zumeist wurde allerdings nur in Dialogen kurz auf den Konflikt verwiesen; Handlungsstränge oder ganze Romane, die während der Revolution und des Kriegs in Amerika spielten, waren selten. Die Wertungen, die jeweils vorgenommen wurden, waren äußerst vielfältig und lassen sich nicht zu einer allgemeinen politischen Tendenz synthetisieren.45
Neben Texten spielten bei der Medialisierung der Amerikanischen Revolution auch Bilder eine wichtige Rolle. Kupferstiche, Holzschnitte oder Radierungen, wie sie in Europa schon seit der Erfindung des Buchdrucks als Einblattdrucke vertrieben wurden, bebilderten Personen und Ereignisse aus dem Kontext des Unabhängigkeitskriegs. Im 18. Jahrhundert wanderten sie in das neue Printmedium der Zeitschrift ein, wo sie in verstetigter Form publiziert wurden. Als Beispiel sei das monatlich erscheinende London Magazine genannt, eine oppositionelle Zeitschrift, die regelmäßig u.a. politische Karikaturen veröffentlichte.46 In der Malerei, welche die Ereignisse zumeist erst aus einer Distanz von mehreren Jahre würdigte, traten vor allem zwei gebürtige Amerikaner hervor, deren Biografien mit Großbritannien verknüpft waren: John Singleton Copley (1737–1815) und John Trumbull (1756–1843). Copleys großformatiges Gemälde Death of Major Pierson47 von 1783, das sein Motiv der vereitelten französischen Invasion der britischen Kanalinsel Jersey im Januar 1781 entnimmt, ist eines der bis heute in Europa bekanntesten zeitgenössischen Bilder zum Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.48 Trumbull nahm selbst auf Seiten der Amerikaner am Krieg teil; seine Bilder thematisieren ebenfalls den Tod in der Schlacht, aber auch die großen Kapitulationen britischer Streitkräfte bei Saratoga und Yorktown. Die Auseinandersetzungen zur See behandelte der Marinemaler Thomas Whitcombe (ca. 1760–ca. 1824), der später mit seinen Darstellungen der französischen Revolutionskriege und der napoleonischen Kriege bekannt wurde. Aus dem Kontext des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs legte er 1782 das Seegefecht vor Gibraltar und 1783 die Schlacht von The Saintes vor.
Andere visuelle Medien, die gleichsam unterhalb der Ebene von Malerei und Grafik angesiedelt waren, sind von der Forschung bislang noch wenig beachtet worden. So wurde der Sieg Admiral George Rodneys (ca. 1718–1792) über die französische Flotte bei den Karibikinseln The Saintes im Jahre 1782 auf zahlreichen Keramiken dargestellt.49 Noch nicht systematisch untersucht worden sind die Landkarten, die in Großbritannien während des Kriegs vertrieben wurden und ebenfalls eine Verbildlichung der Ereignisse und Gegebenheiten in Amerika leisteten. Schließlich gehört auch die Kleidermode zur visuellen Kultur; die Britinnen entwickelten während des Kriegs eine Vorliebe für uniformartige Garderoben.50
Die Patrioten in den Niederlanden als Wahlverwandte
Die Verknüpfung der amerikanischen Ereignisse mit innenpolitischen Debatten lag in Großbritannien in den ersten Kriegsjahren nahe, weil die Kolonien noch Bestandteil des Empire waren. Aber auch in anderen europäischen Ländern lässt sich beobachten, dass die Revolution in Übersee mit eigenen Problemlagen verbunden wurde, ja der Grad der Thematisierung in den Medien von der Herstellbarkeit solcher Bezüge geradezu abhing. Die Deutungsarbeit der Medien bestand in hohem Maße darin, entsprechende Diskurskopplungen vorzunehmen. In den Niederlanden beispielsweise, die Ende 1780 durch die Kriegserklärung Großbritanniens sogar noch in den militärischen Konflikt hineingezogen wurden, bildete sich der Gegensatz proamerikanischer und probritischer Stimmen sogleich auf den Streit zwischen der Partei des Statthalters, den Orangisten, und der volkstümlichen Opposition der Patrioten ab.51 Während Wilhelm V. (1748–1806), der mit dem englischen Königshaus verwandt und für seine anglophile Einstellung bekannt war, die Rebellion in den Kolonien zunächst verurteilte, benutzten die Patrioten die Unabhängigkeitsbewegung, um in der Öffentlichkeit ein Thema zu setzen, über das sie ihre eigenen politischen Ziele transportieren konnten. Die Kritik an der Londoner Politik gegenüber den amerikanischen Kolonien floss mit der Kritik an der Regierung in Den Haag zusammen, das Aufgreifen der Leitideen der Aufständischen reicherte den aufgeklärt-progressiven Diskurs im eigenen Land an. Joan Derk van der Capellen (1741–1784), einer der Anführer der niederländischen Patrioten, übersetzte eines der wichtigsten regierungskritischen Pamphlete aus Großbritannien, Richard Prices (1723–1791) The Fall of Liberty, in die Landessprache, um der Sache Amerikas Sympathien zu verschaffen – Sympathien, von denen er wusste, dass sie auf kurzem Weg auf die Sache der niederländischen Opposition übertragbar waren. John Adams (1735–1826)[], der amerikanische Gesandte in den Niederlanden, schlug aus dieser Konstellation Gewinn: Die Patrioten benutzten die Geschehnisse in Amerika, für die er stand, um populäre Themen und Bilder zur Stärkung ihrer eigenen Position zu gewinnen, und er selbst förderte die Patrioten, die für eine proamerikanische öffentliche Meinung sorgten.52
Die niederländische Zeitung Gazette de Leyde, die in französischer Sprache erschien, gehörte im Übrigen zu den Blättern, die besonders wichtige Multiplikatoren der Berichterstattung aus Amerika waren. Sie wurde europaweit vertrieben und von anderen Zeitungen ausgeschlachtet.53 Viele Artikel über die Revolution fielen in die Kategorie der Sekundärberichterstattung. Da es noch keine fest institutionalisierten Nachrichtenwege gab54 und es sich die meisten Zeitungen nicht leisten konnten, eigene Korrespondenten zu beschäftigen oder auch nur direkt von diesen Artikel zu kaufen, behalfen sie sich damit, andere Zeitungen zu zitieren. Dieser Vorgehensweise stand nichts entgegen, weil zu dieser Zeit noch keine Urheberrechte geltend gemacht werden konnten.55 Zumeist wurden die Zitate ausdrücklich gekennzeichnet, ja oft sogar mit dem Hinweis eingeleitet, man könne sich für die Glaubwürdigkeit der Quelle nicht verbürgen.56 Damit wurden die Autorität der Zeitungen und ihr Anspruch, Wahrheiten zu verbreiten, gewiss massiv erschüttert;57 andererseits entlasteten sie sich durch diese Distanzierung von der Verantwortung, selbst zwischen den immer wieder beschworenen Gerüchten, und den glaubwürdigen Informationen unterscheiden zu müssen.58 Diese Bewertung blieb gleichsam dem Leser überlassen, der damit auch, wie um die Programmatik der Aufklärung zu bedienen, als souverän urteilendes Individuum adressiert wurde.59
Gemächlicher Streit im Alten Reich
Wenn die Einschätzung zutrifft, dass die Debatte um das Pro und Contra der Amerikanischen Revolution dort am heftigsten geführt wurde, wo sie sich auf Konfliktlinien im eigenen Land abbilden ließ, kann es nicht erstaunen, dass die Diskussion im Alten Reich in vergleichsweise gemäßigten Bahnen verlief. Schon der Partikularismus verhinderte eine reichsweit polarisierte Debatte. Die Zeitungen hielten sich grundsätzlich bei der Kommentierung des Geschehens zurück.60
Auf dem Buchmarkt ließ sich immerhin eine Resonanz feststellen: Zwischen 1770 und 1775 waren im deutschsprachigen Raum kaum mehr als ein Dutzend Werke pro Jahr erschienen, die sich ganz oder teilweise mit Nordamerika befassten – 1776 und 1777 hingegen kamen jeweils 40 solcher Publikationen zum Druck.61 Die meisten dieser Werke waren Übersetzungen britischer Autoren. Einige Erwähnungen der Ereignisse in Übersee gab es auch in der Belletristik, so in Friedrich Schillers (1759–1805) Drama Kabale und Liebe, wo in einer Gesprächssequenz der Soldatenhandel angeprangert wird;62 speziell auf die Geschehnisse in der Neuen Welt waren nur einige Theaterstücke von geringer ästhetischer Qualität gemünzt. Sie stellten das Schicksal von Einzelpersonen in den Vordergrund, ohne allgemeine politische Perspektiven aufzuzeigen.63
Jedenfalls muss der älteren Forschung widersprochen werden, die insgesamt eine nur sporadische und wenig detaillierte öffentliche Thematisierung am Werke sah. Die mit 20.000 Stück auflagenstärkste Zeitung Norddeutschlands,64 der Hamburgische Unpartheyische Korrespondent, brachte in fast jeder Nummer ausführliche Artikel und Analysen zu den Kriegsereignissen und den Konfliktparteien.65 Politische Programmschriften der Amerikaner wurden genauso gewürdigt wie britische Unterhausdebatten.66 Sogar der französisch-amerikanische Allianzvertrag von 1778 kam zum Druck.67 Die Hamburger Kaufleute waren auf exakte Informationen angewiesen, weil die Kriegsereignisse auf Geschäftsaussichten, Handelswege und Preisentwicklung Einfluss nahmen. Zumeist bediente sich das Blatt aus den Zeitungen Westeuropas, wobei die Redaktion sich darum bemühte, die parteiische Färbung der Nachrichten aus London oder Paris entweder abzuschwächen oder offen zu thematisieren, um ihre Wirkung auf die Leserschaft zu verringern. Ein unverkennbares Übergewicht Londoner Quellen sorgte dennoch für eine leicht probritische Tendenz.68 Eine offene Parteinahme wurde zumeist vermieden, nur bei Gräueln oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit kam es zu unverhohlener Kritik.69
Neben den Zeitungen griffen auch die Zeitschriften den Gegenstand auf. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts gewann die politische Zeitschrift als neues Genre in Deutschland immer mehr an Bedeutung.70 Sie stellte politische Ereignisse nicht nur dar, sondern kommentierte sie auch.71 Zu den spektakulärsten Gründungen – die erste Ausgabe erschien am 31. März 1774 – gehörte Christian Friedrich Daniel Schubarts (1739–1791)[] Deutsche Chronik, die mit der Amerikanischen Revolution sogleich ein zugkräftiges Thema fand. Das Blatt erschien zweimal wöchentlich und erreichte 1775 eine Auflage von 1.600 Stück. Die Arbeitsweise Schubarts ist gut erforscht und kann in vielerlei Hinsicht als typisch für die Printmedien seiner Zeit gelten. Der Redakteur der Deutschen Chronik hielt rund 25 Zeitungen, denen er den Stoff für seine eigenen Berichte entnahm. Leserbriefe und Korrespondentenberichte, die teils anonym oder unter Fantasienamen erschienen, stammten ebenfalls oft aus Schubarts Feder.72 Generell spielte die Meinungsäußerung eine größere Rolle als die systematische Analyse.73
Schubarts Sympathien gehörten den Amerikanern, die er in einem gerechten Freiheitskampf begriffen sah und deren Anführer er zu antiken Helden stilisierte.74 Diese Position geriet allerdings ins Wanken, als deutsche Fürsten den Engländern Mietsoldaten zur Verfügung stellten. Die Solidarität mit den eigenen Landsleuten ließ den Patrioten Schubart nun auch darauf hoffen, dass sich die britischen Truppen achtbar aus der Affäre zögen – er sah sich zwischen den beiden Konfliktparteien hin und her gerissen.75 Im März 1776 veröffentlichte die Deutsche Chronik exakte Zahlen zu den verkauften Soldaten und führte auch die Preise an, die für sie erzielt wurden.76 Als 1777 ein Angriff auf einen Soldatenhandel folgte, den Herzog Karl Eugen von Württemberg (1728–1793) plante (ohne ihn tatsächlich abzuschließen), brachte Schubart diese Provokation möglicherweise jene zehnjährige Festungshaft ein, die als Exempel für eine tyrannische Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit in die deutsche Geistesgeschichte eingegangen ist.77
Ansonsten löste die Frage der deutschen Mietsoldaten, der "hessians", wie sie von den Amerikanern genannt wurden, in der deutschen Presse aber keine großen Kontroversen aus. Der Handel mit Truppen war im 18. Jahrhundert so normal, dass sich nur entschiedene Aufklärer und Humanisten daran stießen. Viel breiter diskutiert wurden die politischen und rechtlichen Fragen, die den Kern der Auseinandersetzung zwischen den Amerikanern und Briten bildeten. Dabei bemühten sich die meisten Blätter allerdings darum, das volle Spektrum der Standpunkte und Argumente einzufangen. Einseitige Parteinahmen waren selten,78 ja wurden sogar von Schubarts Deutscher Chronik nicht durchgehalten. Von einer Spaltung der deutschen Öffentlichkeit in ein proamerikanisches und ein probritisches Lager zu sprechen, wodurch gleichsam die politische Konfliktlinie liberal versus konservativ entstanden sei, scheint also übertrieben.79 Zu den wenigen Blättern, die erkennbar Partei bezogen – in diesem Fall zugunsten Londons –, gehörten die Stats-Anzeigen des Göttinger Professors August Ludwig Schlözer (1735–1809), die sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen mussten, sie unterwürfen sich der hannoverisch-britischen Staatsräson.
Die beiden deutschen Großmächte, Preußen und Österreich, die weder Kolonien besaßen noch vitale Handelsinteressen auf dem Atlantik verfolgten, zudem vorübergehend durch den Bayerischen Erbfolgekrieg (1778/1779) absorbiert waren, betrachteten das Geschehen relativ distanziert. Zwar gab es auch in Berlin und Wien pro- und antiamerikanische Parteigänger, aber die meisten Zeitungen bemühten sich um eine ausgewogene Darstellung. Die preußische Presse ließ sich auch von der Aversion Friedrichs II. (1712–1786) gegenüber Großbritannien nicht auf eine einseitige Haltung festlegen.80 Das zweimal wöchentlich erscheinende Wienerische Diarium erfreute seine Leser mit einer stetigen detaillierten Berichterstattung und weltläufigen Analysen der Hintergründe des Konflikts, gab aber kaum je eine Stellungnahme ab.81 Die politische Wirkung der Berichterstattung über die Amerikanische Revolution dürfte weniger in einer Förderung bestimmter Positionen und Standpunkte, als vielmehr in einer Gewöhnung an die Thematisierung von Fragen der internationalen Politik und des Staatsaufbaus in der Öffentlichkeit bestehen. Auch im deutschen Sprachraum war der Diskurs zur Amerikanischen Revolution Bestandteil eines Prozesses, der das Themenfeld Politik dem aufgeklärten Räsonieren anbot.82
In der Forschung ist herausgestellt worden, dass die Argumente und Positionen, die in den deutschen Medien zur Amerikanischen Revolution zirkulierten, oftmals kein realistisches Bild der politischen Verhältnisse in der Neuen Welt zeichneten. Die Darstellung und Deutung verharrte gleichsam auf dem Niveau der amerikanisch-britischen Debatte der 1760er Jahre – das Freiheitsstreben der Kolonisten stand auf der einen, das Interesse Londons an ihrer Beteiligung an der Finanzierung des Empire auf der anderen Seite.83 Die neuen Diskussionen, die in Amerika seit 1776 um die Etablierung einer republikanischen Ordnung, um ihre Verfassung und ihre Institutionen geführt wurden, erzeugten in Deutschland fast keinen Widerhall.84 Möglicherweise erklärt sich dies wiederum damit, dass die Anschlussfähigkeit an innerdeutsche Problemlagen fehlte – die konkrete Ausgestaltung einer Republik stand beileibe nicht auf der politischen Agenda. Vermittelbar waren nur ein allgemeines Freiheitspathos85 und eine rousseauistische Schwärmerei,86 die zur Ideenwelt des Sturm und Drang passten,87 sowie ein aufgeklärter Diskurs um die Ausbalancierung der Rechte des Staates und seiner Untertanen.
Die Repräsentation der Amerikanischen Revolution in den visuellen Medien ist für Deutschland bisher kaum systematisch untersucht worden. Sollte es zutreffen, dass Nordamerika auf dem Gebiet des Alten Reiches überhaupt erst durch die Medialisierung des Unabhängigkeitskriegs in den Wahrnehmungshorizont breiterer Bevölkerungsschichten eingetreten ist,88 läge es nahe zu fragen, welche Rolle Bilder hierbei spielten und mit welchen visuellen Stereotypen der neue Gegenstand verknüpft wurde. Offenbar kam es auch bei den Bildern zu einem länderübergreifenden Austausch – Schiller beispielsweise besaß einen Druck von Trumbulls Gemälde der Schlacht von Bunker Hill.89 Als prominenter deutscher Künstler wandte sich etwa Daniel Chodowiecki (ca. 1726–1801) diesem Thema zu, der eine Serie von Kupferstichen anfertigte.90 Ein populäres Bildmedium, das Beachtung verdient, sind die Plakate, mit denen in einigen deutschen Ländern Soldaten angeworben wurden.91
Europäisch vergleichende Perspektiven
Zu den Ländern, in denen die Amerikanische Revolution in sehr einseitiger Weise zu einem Thema der Opposition gemacht wurde, gehörte Schweden. Aufgeklärte Publikationen benutzten das Lob der Amerikaner für eine kontrastiv-unterschwellige Kritik am Regime Gustavs III. (1746–1792). Aus rezeptionsgeschichtlicher Perspektive ist zudem angemerkt worden, die Anpreisung der amerikanischen Verhältnisse habe den Boden für die schwedische Massenauswanderung in die Neue Welt im 19. Jahrhundert bereitet.92 Franklins Almanach Poor Richard war, wie in vielen europäischen Ländern, auch in Schweden ein Bestseller.93 Probritische Stimmen hingegen dominierten in der Schweiz, sicherlich Ausdruck der traditionellen Anglophilie in diesem Land.94 In Basel erschien die erste vollständige deutsche Übersetzung der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Der Geschichtsphilosoph Isaak Iselin (1728–1782) legte sie im Oktober 1776 in der moralisch-politischen Zeitschrift Ephemeriden der Menschheit vor. Auf einen Kommentar wurde allerdings weitgehend verzichtet; wie so oft, begnügte sich die deutschsprachige Presse mit der Zitierung von Dokumenten, ohne dies mit einer ausführlichen Stellungnahme und einer erklärenden Kontextualisierung zu verbinden.95
Im krisengeschüttelten Polen existierte zur Zeit der Boston Tea Party nur eine einzige Zeitung, die Gazeta Warszawska.96 Obwohl von einem konservativen Mitglied des niederen polnischen Landadels herausgegeben, stellte sich dieses Blatt – nach einer anfänglich unparteiischen Haltung – auf die Seite der Amerikaner. Den britischen Truppen wurde barbarisches Verhalten vorgeworfen. Der Berichterstattung lagen zumeist amerikanische Quellen zugrunde. Häufig zitiert wurden die politischen Programmschriften der Aufständischen, in der Regel auch in polnischer Übersetzung.97 Die Gazeta Warszawska brachte mithin die Ideen und Argumente des amerikanischen Freiheitskampfes in die innenpolitische Debatte ein. Eine Zeitschrift druckte eine Franklin-Biografie nebst Porträt ab. Auch Franklins eigene Werke fanden in Polen viel Zuspruch.98
Insgesamt war die polnische Debatte facettenreicher als ihr schwedisches Pendant: Die Reformkräfte favorisierten traditionell das politische System Großbritanniens,99 dessen Vorbildlichkeit aufgrund der Kritik der Amerikaner nun in Zweifel gezogen wurde. Verbreitet war aber die Ansicht, das amerikanische Modell lasse sich nicht auf die polnischen Verhältnisse übertragen. Gleichzeitig wurde es paradoxerweise von reaktionären Kräften angepriesen, die sich gegen eine starke Zentralgewalt aussprachen.100 Erst als in Polen ein Unabhängigkeitskrieg gegen die Teilungsmächte ausgerufen wurde, kam es zu einer breiten Orientierung an den Strategien und Erfahrungen der Amerikaner. Die rezeptionsgeschichtliche Forschung verweist in diesem Zusammenhang vor allem auf die Insurrektion von 1794, die von Tadeusz Kościuszko (1746–1817) angeführt wurde, der als Freiwilliger auf Seiten der Amerikaner gekämpft hatte.101
Auch in Russland war der Zeitungsmarkt noch wenig entwickelt. Die beiden einzigen Blätter waren die Moskowskije Vedomosti ("Moskauer Nachrichten") und die St. Peterburgskiye Vedomosti ("St. Petersburger Nachrichten"); Erstere wurde von der Moskauer Universität, Letztere von der Russischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben.102 Beide Zeitungen berichteten häufig und detailliert von der Amerikanischen Revolution und ordneten sie kundig in weltpolitische Zusammenhänge ein. Die St. Peterburgskiye Vedomosti bezogen ihre Informationen dabei zumeist aus dem Hamburgischen Unpartheyischen Correspondenten. Die Abhängigkeit von diesem Zwischenglied im Nachrichtenfluss aus Nordamerika führte dazu, dass die russische Öffentlichkeit erst mit einer Verspätung von mehr als zwei Monaten von den dortigen Ereignissen Kenntnis erhielt. So wurde die Kapitulation Burgoynes bei Saratoga, am 17. Oktober 1777 vollzogen, in den St. Peterburgskiye Vedomosti erst in den zwei Nummern vom 19. Dezember 1777 und vom 9. Januar 1778 vermeldet.
Einen großen Aufschwung nahm in Russland im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts die Zeitschriftenpresse. Hatten die politischen Zeitschriften anfangs nur Regierungserlasse abgedruckt, so eröffneten sie später auch aktuelle Nachrichtenrubriken; 1775 setzte eine regelmäßige Berichterstattung von den Ereignissen in Nordamerika ein.103 Die Moskowskije Vedomosti wurden ab 1779 von Nikolaj Novikov (1744–1818) herausgegeben, einem der wichtigsten Repräsentanten der Aufklärung in Russland. Mit Novikov unterschied sich das Blatt nun deutlich von den zurückhaltenden St. Peterburgskiye Vedomosti. Er berichtete freimütiger und machte aus seiner proamerikanischen Einstellung keinen Hehl. Vor allem die Galionsfiguren Washington und Franklin wurden gefeiert. Einige Werke Franklins erschienen in russischer Übersetzung; 1784 brachte Novikov eine Washington-Biografie heraus.104 Auch wenn die Moskowskije Vedomosti keine expliziten Bezüge zu Russland herstellten, lag es für den Leser doch nahe, viele Missstände, gegen welche die Amerikaner sich wehrten, auch auf das eigene Land zu übertragen.105 Als Novikov 1783 die Moskowskije Vedomosti um ein Supplement erweiterte, das die Kritik noch forcierte, schritt Zarin Katharina II. (1729–1796)[] allerdings im Folgejahr ein und verbot das Blatt. Dass die Zensur zuvor recht großzügig verfahren war, hing gewiss mit dem Interesse Russlands an einer Schwächung des Rivalen Großbritannien zusammen. Ein Bündnis mit London hatte die Zarin ausgeschlagen,106 später gründete sie die Liga für bewaffnete Neutralität, deren Mitgliedsstaaten sich, um den eigenen Handel zu schützen, gegen die Jagd britischer Kriegsschiffe auf Konterbande zur Wehr setzten.107 Die Zensur konnte ohnehin dadurch umgangen werden, dass Texte aus dem Kontext der Amerikanischen Revolution, die im Zarenreich nicht erscheinen durften, auf dem Postweg zu ihren russischen Lesern gelangten. Angeblich waren die wichtigsten Personen und Ereignisse sogar in Sibirien bekannt.108
Lenkt man den Blick nach Südeuropa, so trifft man eine insgesamt stärker entwickelte Presselandschaft an. Zumindest gilt dies für Italien, wo eine umfangreiche Zeitungsberichterstattung zur Amerikanischen Revolution erfolgte. Die proamerikanischen Stimmen hatten ein Übergewicht, aber auch die probritische Position verschaffte sich in Blättern wie der Gazzetta Universale Gehör. Das Lager der Freunde Amerikas profitierte deutlich von dem Engagement eines Vermittlers: Filippo Mazzei (1730–1816) war bereits 1767 in London mit Franklin zusammengetroffen, wurde auf einer Reise in die Neue Welt 1775 von Washington und Thomas Jefferson (1743–1826) empfangen und von den Amerikanern als "business agent" nach Europa zurückgeschickt – nach einer neuerlichen Begegnung mit Franklin in Paris ließ er sich für einige Jahre in seiner Heimat nieder, um italienische Zeitungen mit proamerikanischen Artikeln zu versorgen.109
In Spanien nahm die Presse deutlich für die Amerikaner Partei. Sie folgte dabei der Staatsräson. Das Land erhoffte sich höhere Anteile am Atlantikhandel und begrüßte grundsätzlich jede Schwächung des Rivalen Großbritannien. Seit 1779 versuchte es auch mit militärischen Mitteln, eine Revanche für die Niederlage im Siebenjährigen Krieg herbeizuführen, die den Verlust Floridas bedeutet hatte.110 Die Befürchtung, der revolutionäre Funke könnte vom nördlichen Halbkontinent auf die eigenen lateinamerikanischen Kolonien überspringen, beeinflusste die Wahrnehmung des Konflikts offenbar nur wenig.111 Sogar in dem mit Großbritannien verbündeten Portugal forderten die Zeitungen, London solle den Amerikanern ein eigenes Parlament zugestehen.112
Franklin in Frankreich: Der Gesandte als Medium
Zuletzt soll das Land in den Blick genommen werden, das neben Großbritannien unter den europäischen Mächten am stärksten in den amerikanischen Konflikt verwickelt war – jenes Frankreich, dessen Kriegseintritt 1778 den letztendlichen Sieg der Vereinigten Staaten ermöglichte. Auch für das Bourbonenreich gilt, dass der überseeische Konflikt mit eigenen politischen Interessen und intellektuellen Dispositionen verknüpft wurde. Die Revanchegelüste gegenüber Großbritannien gingen einher mit einer rousseauistischen Mode, die nicht nur die aufgeklärte Öffentlichkeit, sondern auch die Aristokratie mit ihrem Hang zum Bukolischen pflegte – erinnert sei nur an Marie Antoinettes (1755–1793) Trianon.113 Die amerikanischen Siedler, freie Farmer auf freiem Grund, schienen die idealen Bürger einer so naturfrommen wie freiheitlichen Zukunftsrepublik zu sein.114 Dass für die Kolonisten selbst der wichtigste philosophische Ideengeber keineswegs Rousseau war, sondern der Engländer John Locke (1632–1704)[], wurde geflissentlich übersehen.115
Die staatsnahen Zeitungen wie die Gazette de France standen anfänglich vor dem Problem, sich mit Meinungsäußerungen zurückhalten zu müssen, weil die Regierung, obwohl sie insgeheim die Aufständischen unterstützte, offiziell einen neutralen Kurs verfolgte. Angesichts englischer Verdächtigungen wurde der Verzicht auf jegliche Parteinahme sogar zum Programm erhoben. Als die Gazette de France dann überraschend Ende 1777 von Saratoga berichtete, wurde dies in diplomatischen Kreisen sofort als Indiz für ein Ende der französischen Neutralitätspolitik gewertet.116 Trotz dieser Politik sorgten mediale Interventionen auch zuvor schon dafür, die französische Öffentlichkeit langsam auf jene Unterstützung der Amerikaner einzuschwören, die dem Interesse Frankreichs an einer Schwächung des Rivalen Großbritannien so sehr entsprach. Außenminister Graf Charles Gravier de Vergennes (1717–1787) subventionierte ein Blatt mit dem Titel Les Affaires de l'Angleterre et de l'Amérique, das von 1776 bis 1779 regelmäßig über den britisch-amerikanischen Konflikt berichtete.117 Die Haltung dabei war formal unparteiisch,118 aber allein die Thematisierung der britischen Misshelligkeiten erzeugte bei den französischen Lesern bereits den gewünschten Effekt. Außerdem wurden in den Affaires unkommentiert politische Dokumente und Schriften aus der Neuen Welt wie die Unabhängigkeitserklärung oder (in Auszügen) Thomas Paines (1737–1809) Common Sense abgedruckt,119 die populärste Programmschrift der Amerikanischen Revolution, die im Januar 1776 erschien und nach drei Monaten bereits 120.000 mal verkauft war.120 Hinzu kamen proamerikanische Stimmen in Form von Beiträgen und Leserbriefen – der bekannteste Gastautor war Benjamin Franklin.121
Der amerikanische Gesandte Franklin – seit dem Jahreswechsel 1776/1777 weilte er in Passy bei Paris122 – war ohnehin ein gewiefter Medienstratege, der die kommunikativen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich definitiv zu transnationalen Beziehungen gestaltete. Als Amerikaner publizierte Franklin die Programmschriften der amerikanischen Revolution in Frankreich, er schaltete sich mit Pamphleten und Leserbriefen in öffentliche Debatten ein,123 und seine hervorragenden Verbindungen in die Neue Welt sorgten häufig dafür, dass er Nachrichten von politischen oder militärischen Ereignissen als Erster erhielt. Er stellte sie dann den französischen Zeitungen zur Verfügung bzw. speiste sie in sein europäisches Korrespondenz-Netzwerk ein.124 So wurde Franklin am 4. Dezember 1777 über den Sieg der Amerikaner bei Saratoga informiert; nachdem er die Neuigkeit persönlich weiter geleitet hatte, erschien sie am 12. Dezember in der Presse.125 Die politischen und privaten Freunde, die zu seinem Netzwerk gehörten, belieferte der Gesandte darüber hinaus mit eigenen Texten, von ihm als "Bagatellen" bezeichnet, die das politische Geschehen in pointierter Form kommentierten und glossierten. Franklin, der gelernte Drucker, setzte die Texte auf einer eigenen Druckerpresse, die er, kaum in Frankreich angekommen, zu diesem Zweck erwarb.126
Der Gesandte trat freilich nicht nur als handelndes Subjekt, sondern auch als Thema und Gegenstand von Medienstrategien und Medialisierungen in Erscheinung. Die Medien berichteten über ihn, und dadurch warb er vielleicht am effektivsten für die Sache Amerikas.127 Es war nicht nur die französische Öffentlichkeit, sondern es waren die Medien Europas, die sein Tun beobachteten.128 Erste Begegnungen mit Marie-Antoinette und, einige Zeit später, mit Ludwig XVI. (1754–1793) wurden aufmerksam registriert. Als Franklin im Frühjahr 1778 in Paris mit Voltaire zusammentraf, stilisierten die Zeitungen diese Begegnung zu einem spirituellen Ereignis: Zwei der wichtigsten geistigen Repräsentanten ihres Zeitalters trafen aufeinander, und der greise Voltaire gab die Fackel der Aufklärung und des Fortschritts an Franklin weiter. Die Idee der Beerbung der großen Denker Frankreichs durch Franklin erhielt zusätzliche Nahrung, als wenige Monate später kurz hintereinander Voltaire und Rousseau starben. Rousseau schien Franklin dabei noch näher zu stehen, pflegten doch beide, im Gegensatz zum eleganten Voltaire, einen bürgerlichen, ja ländlich-schlichten Habitus. Eine Akzentverschiebung fand nur insofern statt, als Voltaire und Rousseau anglophil waren, während Franklin spätestens seit 1774/1775 für eine anglophobe Haltung stand.129
Dessen Äußeres wurde dabei selbst zum Träger einer politischen Botschaft. Fehlende Perücke, Drahtbrille und schlichte Kolonistentracht symbolisierten den Naturmenschen, der unprätentiös, nur auf seinen gesunden Menschenverstand bauend, die Probleme des Lebens meisterte – und der mit der Erfindung des Blitzableiters nicht nur eine praktische Gefahr beseitigt, sondern vermeintlich auch die Götter entzaubert hatte.130 Der komplexe politisch-ideelle Zusammenhang der Amerikanischen Revolution wurde in der Figur Franklins gleichsam sinnfällig. Franklin wurde zu einer Ikone und als solche in zahllosen Bildmedien dargestellt. Der Besitz jener Franklin-Porträts, die in Frankreich in großer Zahl produziert wurden, aber auch durch ganz Europa wanderten, wurde zum Zeichen für die Sympathie mit der Sache Amerikas.[]
Franklin war also ein erfahrener Medienstratege und wurde selbst zu einem Medium – zu dem vielleicht erfolgreichsten Medium, das zugunsten Amerikas wirkte. Zumindest gilt dieser Befund für die ersten Jahre von Franklins Aufenthalt in Frankreich, so lange mithin, bis der Stern des Generals Gilbert de Lafayette (1757–1834)[] aufging, der im Sommer 1777 als nobody in die amerikanischen Streitkräfte eintrat und im Dezember 1781 bei seiner triumphalen Rückkehr nach Frankreich den einstweiligen Gipfel seiner Popularität erreichte. Franklins Medienwirkung war für die aufständischen Kolonien von eminenter Bedeutung. Dem britischen Empire im Hinblick auf alle anderen Machtmittel unterlegen, erklärt sich der letztendliche Erfolg der Amerikaner auch durch eine geschickte Öffentlichkeitsarbeit, die dafür sorgte, dass starke Verbündete, allen voran Frankreich, gewonnen wurden.
Fazit
Die Amerikanische Revolution war auf mehreren Ebenen ein europäisches Medienereignis. Zunächst ist auf den Umstand hinzuweisen, dass sie europaweit ein starkes Echo in der Öffentlichkeit fand. Dies kann nicht überraschen, waren doch mehrere Länder direkt am Krieg beteiligt, während sich andere – über die Liga für bewaffnete Neutralität – zumindest in ein politisches Verhältnis zu ihm setzten. Die Berichterstattung erfolgte in hoher Frequenz, sie war detailliert und verband sich mit zahlreichen Analysen und Hintergrundinformationen. Viele Printmedien bezogen dabei ihre Informationen aus den Druckerzeugnissen des Auslands, sodass die Nachrichtenflüsse buchstäblich kreuz und quer durch Europa liefen. Für die Korrespondenz-Netzwerke von politischen Akteuren und Privatleuten galt dasselbe. Vor allem die politischen Zeitschriften, die im Verlauf des 18. Jahrhunderts aufgekommen waren, lieferten zusätzlich Kommentare und Stellungnahmen ab. Solche Positionsbestimmungen, aber auch die Leserbriefe in den Zeitungen markierten eine Wende in der politischen Berichterstattung von der reinen Darstellung zum kritischen Räsonieren. Der Meinungskampf, der traditionell in der Pamphletliteratur ausgetragen wurde, drang auch in die regelmäßig erscheinenden Printmedien ein. In dieser Hinsicht förderte und spiegelte der Diskurs zur Amerikanischen Revolution die Durchsetzung der Kommunikationsformen der Aufklärung in Europa.
Darüber hinaus bedeutete der breite Nachrichtenstrom aus Nordamerika für Europa eine Erweiterung des Horizonts im globalen Sinne. Hierzu leisteten auch die noch wenig erforschten visuellen Medien einen Beitrag. Die Haltung, die Europa zu Nordamerika einnahm, ist dabei von einer hohen Ambivalenz gekennzeichnet. Einerseits wuchsen die vormaligen Kolonien und Europa weiter zu einem Kulturraum zusammen,131 fand also gleichsam eine politisch-kulturelle Ausdehnung Europas statt. Andererseits brachte der begriffliche Gegensatz von Neuer und Alter Welt zum Ausdruck, dass Europa sich als Ganzes auch im Kontrast zu Amerika definierte und aus der Warte der von Rousseau inspirierten Aufklärer als rückständig, ja dekadent erschien.
Insgesamt war die Wahrnehmung der Vereinigten Kolonien bzw. Staaten von Interpretationsinteressen und Stilisierungen gekennzeichnet. Die Analyse der medialen Repräsentation der Amerikanischen Revolution erweist, wie die Geschehnisse und Ideen aus Nordamerika für die jeweiligen Bedürfnisse der einzelnen Länder umgedeutet wurden. Damit aber entstand eine Tradition, die bis in die Gegenwart hinein fortwirkt: Seit fast zweihundertfünfzig Jahren benutzen die Europäer Amerika als Folie und Projektionsfläche, sei es in der Spielart des Amerikanismus, sei es in der Variante des Antiamerikanismus, um ihre eigene Identität zu konstruieren.