Die Entstehung des Dokuments und seine Adressaten, 1776–1783
Nach mehr als einem Jahr Krieg mit England und trotz des Scheiterns aller Vermittlungsbemühungen war die Entscheidung des amerikanischen Kontinentalkongresses in Philadelphia, die Trennung vom Mutterland zu vollziehen, keineswegs einfach. Im Vorfeld der endgültigen Abstimmung über die Unabhängigkeit wurden die Argumente für und gegen diesen folgenschweren Schritt sorgfältig erwogen. Doch bei allen Überlegungen stand der Adressat einer möglichen Erklärung für den eigenen Weg fest: Die Höfe, die Regierungen und die politische Öffentlichkeit des außerbritischen Europa sollten direkt angesprochen und von der Richtigkeit und Legitimität des amerikanischen Vorgehens überzeugt werden. Die internationale Dimension, die der zunächst innerbritische Konflikt damit erhalten würde, war den Amerikanern von Anfang an bewusst; deshalb erscheint es gerechtfertigt, die am 4. Juli 1776 verabschiedete Erklärung der Unabhängigkeit1 auch, vielleicht in erster Linie, als europäisches Dokument zu sehen.
Die Entscheidung, über drei am 7. Juni eingebrachte Resolutionen zu diskutieren, gab den Ausschlag zur Debatte im Kongress: Der wichtigste Antrag betraf die Unabhängigkeit ("That these United Colonies are, and of right ought to be free and independent States; that they are absolved, from all Allegiance to the British Crown; and that all political connection between them and the State of Great Britain, is and ought to be totally dissolved");2 ein zweiter Antrag den Abschluss von Bündnissen und Verträgen mit europäischen Mächten und ein dritter den Auftrag, eine föderative Verfassung zu erarbeiten. In den einzelnen Delegationen der Kolonien begann daraufhin eine Phase intensiver Diskussion. Die Unterredungen der Repräsentanten Virginias im Juni 1776 hielt Thomas Jefferson (1743–1826) in seinen Aufzeichnungen fest. Bereits im Mai hatte Virginia seine Delegierten im Kongress instruiert, für eine mögliche Souveränität der Staaten zu stimmen. Denn nur nach erklärter Unabhängigkeit würden die europäischen Mächte mit den Amerikanern überhaupt sprechen und amerikanische Gesandte empfangen. Das Ziel der Kolonien müsse es sein, mit Frankreich und Spanien zu einem Bündnisvertrag zu kommen, zumal es im Eigeninteresse dieser Mächte liege, damit den britischen Gegner zu schwächen. Ein französisches Abkommen würde auch in der Karibik die Macht der Bourbonen gegen England in Stellung bringen, und Frankreich könnte auf dieser Grundlage nach Deutschland marschieren und verhindern, dass deutsche Fürsten noch mehr Soldaten für die britische Armee nach Amerika schickten.3 Alle diese Überlegungen zeigen, wie sehr der Blick nach Europa gerichtet war, noch bevor die Entscheidung für die Unabhängigkeit fiel.4
Im Kontinentalkongress vertraten die Gegner der Unabhängigkeit die Position, dass der Zeitpunkt dafür zu früh wäre, denn bevor man die formellen Bande nach England durchschneiden könnte, müsste man sich der Hilfe einer auswärtigen Macht sicher sein (gemeint war Frankreich).5 Die Befürworter wiederholten dagegen schon früher vorgebrachte Argumente, wonach die europäischen Höfe und Regierungen erst nach erklärter Unabhängigkeit mit den Amerikanern auf Augenhöhe verhandeln und Verträge schließen würden.6 Nach zweitägiger Debatte beschloss die Mehrheit der Delegierten am 2. Juli 1776 die Trennung von Großbritannien.7 Nun richtete sich das Hauptaugenmerk auf die endgültige Formulierung des Dokuments, in dem diese Entscheidung festgehalten, begründet und der Welt verkündet werden sollte.
Die drei Argumentationsebenen der Declaration of Independence
Die Erklärung vom 4. Juli 1776 war der konsequente letzte Schritt eines längeren Prozesses.8 In ihrer Präambel (die erste Argumentationsebene) werden die Gründe für die Unabhängigkeit erläutert, wobei auf die Prinzipien des Naturrechts und der Aufklä9 unterstrich das grundlegende, wiewohl sorgfältig zu begründende Recht eines Volkes auf Unabhängigkeit bzw. zur Änderung von Regierungssystem oder Staatsform ("the right of the people to alter or abolish it"), verband dies mit dem Hinweis auf die nötige Zustimmung der Regierten ("consent of the governed") und erklärte überdies, dass zu den unveräußerlichen Rechten der Menschen auch Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehörten ("life, liberty & the pursuit of happiness").
Auf einer zweiten Ebene – zugleich der umfangreichste Teil der Erklärung – findet sich ein Katalog mit Anklagepunkten gegen König Georg III. (1738–1820)[].10 Daraus wurde ein Widerstandsrecht gegen ungerechte Herrschaft abgeleitet, das – an Europa gerichtet – darauf zielte, die Kolonisten nicht als Rebellen darzustellen, sondern als Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit zu legitimieren. Diese Argumentationslinie sollte die europäischen Mächte veranlassen, sich guten Gewissens der Sache der Amerikaner anzunehmen und sie möglichst militärisch und finanziell, zumindest aber politisch zu unterstützen. Im abschließenden Teil der Erklärung – die dritte Ebene – wird die völkerrechtliche Unabhängigkeit der Kolonien verkündet. Dabei werden auch die üblichen Befugnisse einer souveränen Nation in Anspruch genommen – wie das Recht, Krieg zu führen oder Bündnisse zu schließen. Ein neuer Staat wollte in die (europäische) Familie der Nationen aufgenommen werden und musste nun um seine Anerkennung werben.
Die Rezeption in England, Frankreich und Spanien
Über die Nachricht vom Beschluss der Unabhängigkeitserklärung11 berichteten die Londoner Zeitungen im Lauf des Sommers 1776 – erstmals am 7. August in der London Evening Post, die am 17. August den gesamten Text veröffentlichte.12 Insgesamt zeigten die Blätter der englischen Hauptstadt zunächst ein vergleichsweise geringes Interesse an der Nachricht aus Amerika. Eine offizielle Reaktion der britischen Regierung blieb aus, auch wenn Premierminister Frederick Lord North (1732–1792) eine Zurückweisung der Declaration in Auftrag gab, von der schließlich 500 Exemplare in die USA geschickt wurden. John Lind (1737–1781) verfasste die Answer to the Declaration of the American Congress, begleitet von einem Short Review of the Declaration, gemeinsam mit Jeremy Bentham (1748–1832).13 Die Amerikaner werden darin als Rebellen betrachtet und die Unabhängigkeit der USA abgelehnt. Auch wiesen die beiden Autoren auf den Widerspruch zwischen dem in der Erklärung verkündeten Grundsatz der Gleichheit aller Menschen und dem Fortbestand der Sklaverei hin.14
Dass sich der Krieg in Amerika aufgrund der Unabhängigkeitserklärung zu einem globalen Kräftemessen zwischen Großbritannien und seinen europäischen Gegnern auswachsen könnte, war einer Reihe britischer Beobachter sofort klar. Spätestens mit der französisch-amerikanischen Allianz vom Februar 1778 weitete sich der Konflikt aus und wurde auch in der Karibik, in Asien und Afrika ausgetragen. So beurteilte Charles Pratt, Earl of Camden (1714–1794), von 1766–1770 Lord Chancellor von Großbritannien und ein Kritiker der damaligen Regierungspolitik gegenüber den amerikanischen Kolonien, die Nachricht aus Philadelphia im Kontext der neu entstandenen internationalen Dimension. Schon am 23. August 1776 fragte er:
How can anyone now propose a medium between the two extremes: unconditional submission and independence? I dread the firmness of the Congress equally with the pride of England, & see no issue out of this desperate war if it was only waged between the two countries. But if France & Spain take part, … , the very existence of England is put to the hazard, & we are forced to unite upon the principle of self-preservation.15
Der schottische Nationalökonom Adam Smith (1723–1790) reagierte auf die amerikanische Unabhängigkeit in bemerkenswerter Weise, indem er zwar auch den (vom Earl of Camden angesprochenen) pride of England berücksichtigte, aber dennoch als vernünftigste Lösung empfahl, die Kolonien ohne weitere Kriegsführung aufzugeben. In seinem Buch Wealth of Nations von 1776 schrieb er: "To propose that Great Britain should voluntarily give up all authority over her colonies … never will be adopted. … No nation ever voluntarily gave up the dominion of any province"16 – und doch, so behauptete er in der Schlusspassage des Werkes, wäre gerade der freiwillige Rückzug der beste Weg. Zugleich attackierte er das britische Empire-Projekt und entlarvte es als Phantasievorstellung:
The rulers of Great Britain have … amused the people with the imagination that they possessed a great empire on the west side of the Atlantic. This empire, however, has hitherto existed in imagination only … If any of the provinces of the British Empire cannot be made to contribute towards the support of the whole empire, it is surely time that Great Britain should free herself from the expence of defending those provinces … and … to accommodate her future views and designs to the real mediocrity of her circumstances.17
Bemerkenswert bleibt, dass in England auch nach der Erklärung der Unabhängigkeit und sogar nach Abschluss des französisch-amerikanischen Bündnisses Hoffnungen gehegt wurden, es könne nach dem Krieg zu neuen Formen der Kooperation mit den früheren Kolonien kommen – man dachte an eine "fœderal union", eine "friendly league", oder eine "federal Alliance".18 Es gab aber auch früh die Befürchtung, dass jenseits des Atlantiks in naher Zukunft ein mächtiger Rivale heranwachsen würde, der Großbritanniens Unabhängigkeit seinerseits gefährden könnte.19
Die Declaration of Independence der Amerikaner war in erster Linie an Frankreich gerichtet, um vom wichtigsten Gegner Großbritanniens Unterstützung zu erhalten. Doch Versailles musste abwägen und Prioritäten setzen. Erst der amerikanische Sieg über die Briten 1777 in Saratoga ebnete im folgenden Jahr den Weg für die französische Anerkennung und erleichterte den Abschluss des Bündnisvertrages. Frankreich ging zwar ein beträchtliches Risiko ein, doch standen klar formulierte Überlegungen Ludwigs XVI. (1754–1793) und seines Außenministers Charles Gravier, Comte de Vergennes (1717–1787), hinter diesem Engagement;20 beide strebten an, Frankreichs Rolle als Mittelpunkt und Gravitationszentrum europäischer Politik nach dem Ende der Auseinandersetzungen neu zu definieren.
Seit Beginn des Krieges in Nordamerika berichtete man in Frankreich intensiv über die dortigen Vorgänge, und am 30. August 1776 erschien in den Niederlanden anonym die erste französische Übersetzung der Declaration in der Gazette de Leyde.21 Weitere Übersetzungen ins Französische folgten 1776 und 1777 in den Affaires de l'Angleterre et de l'Amérique.22 Wichtiger als die Unabhängigkeitserklärung wurden jedoch die Verfassungen und Grundrechtskataloge der amerikanischen Einzelstaaten (z.B. Virginia Bill of Rights), die zwischen 1777 und 1786 im Zentrum der Aufmerksamkeit standen.23 Louis Alexandre de La Rochefoucauld d'Enville (1743–1792) veröffentlichte 1783 eine Sammlung amerikanischer Gründungsdokumente unter dem Titel Constitutions des Treize États-Unis de l'Amérique, die erstmals eine Übersetzung aller Einzelstaatsverfassungen der USA enthielt und später zur Hauptquelle für Amerikabezüge in den Debatten der französischen Nationalversammlung werden sollte; diese Übersetzungen wurden zwischen 1784 und 1786 in die Encyclopédie méthodique übernommen.24
Das französische Interesse an den Entwicklungen in der neuen Republik jenseits des Atlantiks war bis zum Beginn der Revolution 1789 beträchtlich, ging danach aber merklich zurück. Dagegen überrascht es, dass in Spanien keine zeitgenössische Übersetzung der Unabhängigkeitserklärung erschienen ist, obwohl das Land 1779 an der Seite Frankreichs in den Krieg eintrat und die Amerikaner finanziell und militärisch unterstützte. Pedro Pablo Abarca de Bolea, der Conde de Aranda (1719–1798), einer der wichtigsten Reformer der spanischen Aufklärung, war von 1773 bis 1787 Botschafter in Paris, zeitgleich mit Benjamin Franklins (1706–1790) und Thomas Jeffersons (1743–1826) Aufenthalten, und doch findet sich in seiner Korrespondenz keinerlei Hinweis auf die Declaration.25 Vielleicht ist dies ein Indiz dafür, dass Spanien in erster Linie gegen England und nicht an der Seite der USA stand.
Die Rezeption im Heiligen Römischen Reich, in Polen und Russland
In den deutschen Periodika wurde über die Ereignisse in Amerika mehrfach und ausführlich berichtet, sowohl mit Sympathie für die amerikanische Sache – etwa in der Deutschen Chronik des Christian Friedrich Daniel Schubart (1739–1791)[] – oder mehrheitlich den britischen Standpunkt unterstützend – wie im Teutschen Merkur von Christoph Martin Wieland (1733–1813). Dort erschienen von 1775 bis 1777 Berichte über Amerika,26 aber keine Besprechung der Declaration. Allerdings heißt es in einem Beitrag vom November 1775 über die vom Kontinentalkongress im Juli verabschiedete Resolution zu den Gründen, warum man zu den Waffen greifen musste: "Wenn man die Amerikaner nicht entschuldigen kann, daß sie sich wider ihren Mutter-Staat aufgelehnt haben: so muß man doch auch gestehen, daß sie ihren Widerstand mit den scheinbarsten Beweggründen und mit solchen Ausflüchten zu beschönigen wissen, die gar leicht Alles auf ihre Seite bringen könnten."27 Auch im Kurfürstentum Hannover, das mit Großbritannien in Personalunion verbunden war, schrieb der Göttinger Universitätsgelehrte Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) zwar vergleichsweise viel über die Ereignisse in Amerika und stand dabei klar auf der Seite Englands, aber zur Declaration vermerkte er nichts. In Göttingen erschien 1777 eine Übersetzung der Unabhängigkeitserklärung von Matthias Christian Sprengel (1764–1803) nach einer französischen Vorlage im Mercure Historique et Politique vom Oktober 1776. Sprengel vertrat ebenfalls die britische Position. Im Kommentar zur Übersetzung der Anklagepunkte gegen Georg III. erläuterte er, dass die Anschuldigungen unbegründet und nicht bewiesen seien und meinte (fälschlicherweise), die Anklagepunkte seien Thomas Paines Common Sense entnommen worden. Zur Widerlegung der Vorwürfe verwies er auf John Lind und dessen schon genannte Answer to the Declaration of Congress.28
Die Entscheidung vom 4. Juli 1776 erreichte Österreich am 17. August über das Wienerische Diarium: "Wir haben Nachricht aus Amerika, welche melden, daß der Generalkongreß ... sich endlich mit einer kleinen Mehrheit von Stimmen für die Unabhängigkeit erklärt habe"29 (tatsächlich war es eine große Mehrheit). Am 31. August veröffentlichte das Diarium zunächst die Schlusspassagen des Dokuments,30 und am 11. September folgte die Präambel (mit dem Satz "Wir halten an und für sich selbst diese Wahrheiten genugsam bewiesen, daß alle Menschen gleich erschaffen sind, daß sie von dem Schöpfer mit gewissen, ihnen nicht zu nehmenden Rechten begabt worden, unter welchen das Leben, die Freyheit und das Recht, ihr Glück zu befördern, befindlich ist");31 beide Teile der Übersetzung hat man vermutlich in Wien angefertigt.32 Die Anklagen gegen den englischen König wurden nicht veröffentlicht – vermutlich aus Gründen der Zensur oder Selbstzensur. Nur eine Woche später als in Wien vermeldete die Gazeta Warszawska am 24. August 1776 in Polen erstmals die Unabhängigkeit der USA, wobei die Zeitung nur eine kurze Zusammenfassung der Erklärung abdruckte. Die Präambel blieb unerwähnt und somit auch der Satz von der Gleichheit aller Menschen – es hat übrigens weder im 18. noch im 19. Jahrhundert eine Übersetzung der gesamten Declaration ins Polnische gegeben.33
In Basel erschien im Oktober 1776 die erste in Europa angefertigte, vollständige deutsche Übersetzung (aus dem Französischen) von Isaak Iselin (1728–1782).34 Am 14. Februar 1777 sandten die amerikanischen Diplomaten aus Paris je eine Kopie der Declaration an den preußischen Hof; im Begleitschreiben warben sie um die Freundschaft Friedrichs II. (1712–1786) und ersuchten um den Abschluss eines Handelsvertrags. Der König bewahrte strikte Neutralität und war doch bemüht, seine Antwort auf die Bitten der Amerikaner vage zu halten. Dies geschah aus dem Kalkül heraus, mögliche Handelsvorteile für Preußen in Nordamerika nicht zu verlieren, sollten die Amerikaner den Krieg gewinnen.35 Es gab daher noch keine Anerkennung (die erfolgte erst 1783), aber auch keine eindeutige Zurückweisung.
Nach Sankt Petersburg gelangte die erste Information über die Unabhängigkeit der USA von London aus; der russische chargé d'affaires in der britischen Hauptstadt berichtete am 13. August 1776 an den ersten Minister Nikita Iwanowitsch Graf Panin (1718–1783), die Declaration enthalte die bereits bekannten Beschwerden der Kolonien gegenüber England. Im Bericht wies man nicht auf die Präambel hin, dafür aber auf den Mut der Kolonisten angesichts der britischen Macht. Der Zarenhof wurde aus London kontinuierlich über die neuesten Entwicklungen in Amerika informiert, und in russischen Zeitungen berichtete man über die Ereignisse. Auch die Unabhängigkeitserklärung fand Erwähnung, der Text der Declaration jedoch wurde damals nicht publiziert.36
Die Friedensverträge von 1783 in Versailles und Paris
Nach der kriegsentscheidenden Schlacht von Yorktown im Oktober 1781 war London bereit, sich dem Unausweichlichen zu fügen, und im Herbst 1783 konnte der Friedensvertrag unterzeichnet werden. Bis heute bildet er das völkerrechtliche Fundament der amerikanischen Republik. Das britisch-amerikanische Abkommen ist jedoch nur ein Teil des umfangreichen Vertragswerks, das den global geführten Krieg beendete. Insgesamt besteht es aus vier Friedensverträgen,37 die von Großbritannien geschlossen wurden: mit Frankreich, mit Spanien, mit den Niederlanden und mit den amerikanischen Kolonien. Drei dieser Abkommen wurden am 3. September 1783 unterschrieben.38 Die Verträge Großbritanniens mit Frankreich und Spanien waren als Fundament einer neuen politischen Ordnung in Europa gedacht, weshalb man in beiden Dokumenten die Mediationsbemühungen Josephs II. (1741–1790) und Katharinas II. (1729–1796) zur Beendigung des Krieges besonders hervorhob. Beide Friedensverträge wurden in Versailles vor den Augen der diplomatischen Öffentlichkeit Europas unterzeichnet. Der Friedensschluss zwischen der nordamerikanischen Republik und der britischen Monarchie fand dagegen zwar ebenfalls am 3. September, aber ohne Publikum in Paris am frühen Morgen statt. Der globale Kontext des britisch-amerikanischen Friedens ist heute weitgehend vergessen. Er galt damals als bilateraler Vertrag, ohne Nennung der französisch-amerikanischen Allianz im Krieg, und die Vereinigten Staaten kamen auch in keinem der beiden zentralen Friedensverträge zwischen Großbritannien und Frankreich bzw. Spanien vor.
Die Unabhängigkeitserklärung in Europa, 1783–1815
Nach dem Frieden von 1783 verringerte sich das europäische Interesse an der Declaration beträchtlich – zwar blieb die Aufmerksamkeit für die innere Entwicklung des nordamerikanischen Freistaates bestehen, konzentrierte sich jedoch auf die Entstehung und Ratifikation der Verfassung von 1787. Die Unabhängigkeitserklärung war zu einem historischen Dokument geworden, das abgesehen von wenigen Ausnahmen nun nicht mehr übersetzt wurde. Als in Berlin 1794 die von David Ramsay (1749–1815) in Philadelphia publizierte History of the American Revolution in der Übersetzung von Georg Forster (1729–1798) und Günther Carl Friedrich Seidel (1764–1800) erschien, lag damit die erste Gesamtdarstellung der Revolution in Amerika in deutscher Sprache vor. Auch die Unabhängigkeitserklärung – nun ebenfalls zur Gänze ins Deutsche übertragen – war darin enthalten. Da sie in dieser vierbändigen Geschichte der Amerikanischen Revolution aus den Acten des Congresses der Vereinigten Staaten jedoch geradezu begraben war, wurde sie kaum rezipiert.39 Eine Darstellung des Unabhängigkeitskrieges aus europäischer Feder legte 1809 der piemontesische Politiker und Historiker Carlo Botta (1766–1837) vor. Seine Storia della guerra d'indipendenza degli Stati Uniti d'America publizierte er in Paris; eine französische Darstellung wurde 1812/1813 veröffentlicht, und eine englische folgte 1820/1821. Auch bei Botta findet sich eine Übersetzung der Declaration of Independence, doch nur deren erster und dritter Teil; der mittlere Abschnitt mit den Anklagepunkten gegen den englischen König wird nur zusammengefasst.40 Der Grund dafür war wohl weniger eine Rücksicht auf Georg III. als vielmehr die nun fehlende Relevanz des umfangreichen Anklagekatalogs.41
Epilog
Während das europäische Interesse an der Unabhängigkeitserklärung seit der endgültigen Wiederherstellung des Friedens nach den napoleonischen Kriegen immer stärker zurück ging, setzte in den USA der gerade umgekehrte Prozess ein: Erst nach dem im Frieden von Gent 1814 beendeten zweiten Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien begann die Declaration, in der die Prinzipien der Amerikanischen Revolution niedergelegt waren, in der politischen Rhetorik sowie in der Kunst der USA eine zunehmend wichtigere Rolle zu spielen. 1817 beauftragte der amerikanische Kongress den Maler John Trumbull (1756–1843), vier große Historiengemälde für das Kapitol der Hauptstadt Washington anzufertigen, und eines davon war der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung gewidmet. Die Bilder wurden im November 1826 in der Rotunde des Kapitols aufgehängt.42 Noch bedeutsamer für die weitere Wirkung des Gründungsdokuments in Amerika war die Rede von John Quincy Adams (1767–1848) am 4. Juli 1821 in der Hauptstadt. Der damalige Außenminister und Sohn des zweiten Präsidenten wies eindringlich auf die bleibende Bedeutung der Declaration hin: "The interest, which in this paper has survived the occasion upon which it was issued … is in the principles which it proclaims. … It announced in practical form to the world the transcendent truth of the unalienable sovereignty of the people."43 Heute wird die Unabhängigkeitserklärung zusammen mit der Verfassung und Bill of Rights in den National Archives in Washington aufbewahrt. Nur für diesen Zweck errichtete man 1935 eine halbkreisförmige Rotunde, wohin die Dokumente jedoch erst im Dezember 1952 feierlich aus der Library of Congress überführt wurden. Dieser einem Sakralraum ähnelnde Ort verdeutlicht das republikanische und demokratische Selbstverständnis der USA und lässt sich in Symbolik wie Bedeutung durchaus mit den Erinnerungsräumen europäischer Monarchien und den dort aufbewahrten Herrschaftsinsignien (Krone, Zepter, Reichsapfel, Kronjuwelen) vergleichen.