Einleitung
Bad or oppressive laws, heavy taxation, an unattractive climate, uncongenial social surroundings, and even compulsion ... have produced and are still producing currents of migrations, but none of these currents can compare in volume with that which arises from the desires inherent in most men to "better" themselves in material respects.1
Ende des 19. Jahrhunderts formulierte Ernst Georg Ravenstein (1834–1913) ein grundlegendes Gesetz der Migration, das sich auf einen Großteil der transatlantischen Auswanderung von Europa zwischen 1800 und 1950 anwenden lässt. Aber die meisten Forscher haben ihre Aufmerksamkeit im Wesentlichen der Auswanderungserfahrung eines einzelnen Landes gewidmet und aus diesem Grunde bedeutende Übereinstimmungen und Gegensätze zwischen verschiedenen europäischen Ländern übersehen. Der Vergleich einer Reihe von Fallstudien erlaubt es Historikern, gemeinsame Muster zu erkennen, aber auch Abweichungen zwischen den einzelnen Beispielen hervorzuheben. Dieser Beitrag untersucht drei europäische Länder, Irland, Italien und Schweden, die sowohl zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweisen (etwa ihre Randlage in Europa und eine lange Auswanderungsgeschichte) als auch Unterschiede (zum Beispiel die offiziellen Haltung gegenüber der Emigration oder das Geschlecht der Auswandernden). In der Folge wird hier versucht, einige allgemeine Bemerkungen zur transatlantischen Emigration zu formulieren, zugleich jedoch einige Besonderheiten für jedes der untersuchten Länder herauszuarbeiten. Repressive Grundbesitzer und Behörden, schlechtes Ackerland und äußere Zwänge (etwa die Hungersnot, durch die viele Iren Mitte des 19. Jahrhunderts vertrieben wurden) verstärkten die Auswanderungsbewegungen in dem untersuchten Zeitraum. Aber der wichtigste Faktor, der so viele (meist) junge, ungebildete und unverheiratete Iren, Italiener und Schweden zum Verlassen ihrer Heimat bewegte, war ihr Verlangen, das eigene Schicksal zu verbessern.
Dieser Beitrag zeigt Übereinstimmungen und Unterschiede in der transatlantischen Auswanderung von Europa anhand der Untersuchung folgender Punkte auf: 1) Wie viele Menschen wanderten aus? 2) Warum verließen sie ihre Heimat? 3) Wohin zogen die Auswanderer und woher kamen sie? 4) Wie war die Alters- und Geschlechtsstruktur der Migranten? 5) Wie wurden die Migranten in den Aufnahmeländern empfangen? 6) Wie war die Haltung der Herkunftsländer zur Auswanderung? 7) Kehrten Auswanderer manchmal in ihre Heimat zurück? 8) Was sind die Auswirkungen der Auswanderung in den Herkunfts- und Aufnahmeländern in der Gegenwart?
Migrationsgeschichte
Irland
Die irische Auswanderung über den Atlantik begann lange vor 1800. Im 17. Jahrhundert verließen etwa 25.000 irische Katholiken das Land – teils unter Zwang, teils freiwillig – und gingen in die Karibik oder nach Virginia, und seit den 1680er Jahren machten sich irische Quäker und protestantische Dissenter auf den Weg in die Neue Welt.2 Eine beträchtliche Zahl von Presbyterianern verließ die nordirische Provinz Ulster ab dem zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts, zugleich mit einer geringeren Zahl von anglikanischen Protestanten und Katholiken aus Ulster und der südlichen Provinz Munster.3 Dieses Muster setzte sich bis zum Ende der Napoleonischen Kriege 1814 fort. Irland hatte zunächst erheblich von den Preisanstiegen während des Kriegs auf dem europäischen Kontinent profitiert, erlitt aber Einbußen, als die Exportpreise nach der Schlacht von Waterloo wieder fielen. Zwischen 1815 und dem Beginn der großen Hungersnot (1846–1852) segelten zwischen 800.000 und einer Million Iren nach Nordamerika, wo sie sich zu etwa gleichen Teilen in Kanada und in den Vereinigten Staaten niederließen.4 Kein anderes europäisches Land trug im Verhältnis zur Einwohnerzahl so sehr zur Besiedlung der Neuen Welt bei wie Irland in diesem Zeitabschnitt.5 Bis Anfang der 1830er Jahre übertraf bei den Auswanderern die Zahl der Protestanten diejenige der Katholiken.6 Danach lag die Zahl der Katholiken wesentlich höher als die der Protestanten. Der Niedergang der Heimspinnerei in der ersten Jahrhunderthälfte – insbesondere nach 1830 – führte zu einer umfassenden Verdrängung von Arbeitskräften. Allerdings sorgte der Aufbau einer Leinen-Industrie im Osten von Ulster, der es gelang, im Wettbewerb mit den Fabriken in Lancashire mitzuhalten, dafür, dass die Migration in Ulster vor allem in der Abwanderung aus ländlichen Gebieten nach Belfast bestand. In den südirischen Städten und Gemeinden kam es dagegen nicht zu einer entsprechenden Industrialisierung, so dass die meisten Arbeitssuchenden aus dem ländlichen Irland entweder über den Atlantik oder, in geringerem Umfang, über die Irische See gehen mussten, um eine Anstellung zu finden.7
Die meisten der etwa 1,8 Millionen Iren, die zwischen 1845 und 1855 in den Vereinigten Staaten eintrafen – also kurz vor, während und unmittelbar nach der Großen Hungersnot – hatten einen viel ärmeren Hintergrund als die irischen Auswanderer vor ihnen; so entstammte etwa fast ein Drittel der Neuankömmlinge in dieser Zeit den ärmeren, gälischsprachigen Regionen Irlands.8 Die extremen Umstände während der Hungersnot waren für viele Iren verständlicherweise ein großer Antrieb, ihr Land zu verlassen.9 Doch setzte sich die Emigration nach der Hungersnot fort und dauerte während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an, bedingt durch den Niedergang der Heimindustrie, den Übergang von Ackerbau zu Weidewirtschaft sowie die Tendenz, das Anerbenrecht anzuwenden, demzufolge Bauernhöfe ungeteilt an den ältesten Sohn vererbt und nicht mehr zwischen allen Söhnen aufgeteilt wurden.10 Zwischen 1850 und 1913 verließen mehr als 4,5 Millionen Iren ihr Heimatland.11
Die hohe Sterblichkeit während der Hungersnot sowie die anhaltend hohe Auswanderung, die von der Hungersnot ausgelöst worden war, führten zu einem dramatischen Bevölkerungsrückgang auf der Insel: Der Mitte der 1840er Jahre erreichte Höchststand von fast 8,5 Millionen fiel auf 6,5 Millionen im Jahr 1851 und 4,4 Millionen im Jahr 1911.12 Nach der Hungersnot bestanden unterschiedliche Gründe für die Emigration, etwa der Rückgang des Bedarfs an Arbeitskräften in der Landwirtschaft, das hinter den Vereinigten Staaten zurückbleibende Lohnniveau in Irland, der Wunsch, eine Heirat aufzuschieben oder ganz zu umgehen, sowie zunehmende Kontakte zwischen Irland und der irischen Community in Nordamerika.13
Auch nachdem der Südteil Irlands 1922 die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich erlangt hatte, dauerte die Auswanderung von Angehörigen aller Religionen an. Katholiken lockte das Versprechen, anderswo größeren Wohlstand zu erlangen, während Protestanten von der Aussicht auf ein von der katholischen Kirche dominiertes Irland und eingeschränkte wirtschaftliche Möglichkeiten zur Auswanderung veranlasst wurden. Zu einem größeren Wandel in der Zielrichtung der irischen Emigration kam es ab Mitte der 1920er Jahre als die USA Einwanderer-Quoten verhängten und sich die Wirtschaftskrise, die die ganzen 1930er Jahre hindurch spürbar blieb, bemerkbar machte. Daher entschieden sich viele Iren für einen Umzug in das Vereinigte Königreich, das ihnen keine Einreisebeschränkungen auferlegte.
Italien
Offizielle Statistiken für die Auswanderung aus Italien beginnen 1876, nicht lange nach der Vereinigung des Landes im Jahr 1861. Tatsächlich begann die Auswanderung aus Italien jedoch wesentlich früher. Italiener aller Bevölkerungsschichten, Kaufleute, Bankangestellte, Angehörige religiöser Orden und des Militärs, Studenten, verbannte Politiker und Aktivisten waren während der Jahrhunderte und Jahrzehnte vor dem Risorgimento in unterschiedlichen Zahlen in verschiedene Länder Europas emigriert.14 Ab dem 19. Jahrhundert fand diese Auswanderung auch über den Atlantik hinweg statt. Von den geschätzten 550.000 Italienern, die zwischen 1789 und 1871 das Land verließen, gingen über fünfzig Prozent auf den amerikanischen Doppelkontinent (47 Prozent nach Südamerika und neun Prozent nach Nordamerika).15 Die kürzlich unabhängig gewordenen Republiken Südamerikas wollten ihre Bevölkerung erhöhen – am liebsten durch weiße Europäer –, um die weiten Landschaften zu besiedeln und um den drohenden Verlust an Arbeitskräften durch die Befreiung der afrikanischen Sklaven in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts auszugleichen.16 Im Jahr 1864 nannte ein italienischer Politiker Argentinien das "Italienische Australien", das mit seiner riesigen Landfläche und der geringen Bevölkerung zahlreiche Italiener anzog, ähnlich wie Australien die Briten.17 Zur wachsenden italienischen Community der Vereinigten Staaten (die von etwa 10.000 im Jahr 1860 auf fast 45.000 im Jahr 1880 anstieg) zählten zeitweilig Revolutionäre wie Giuseppe Garibaldi (1807–1882) ebenso wie tausende andere Migranten auf der Suche nach besseren wirtschaftlichen Lebensbedingungen.18
Die Industrialisierung begann in Norditalien gegen Ende des 19. Jahrhunderts – lange nachdem die Nachbarländer in diesen Prozess eingetreten waren. Bis die Industrialisierung Süditalien erreichte, dauerte es noch wesentlich länger. Daher besaß Italien einen Überschuss an Einwohnern, die in ländlichen Gemeinden landwirtschaftlich tätig waren. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wuchs Italiens Bevölkerung um mehr als siebeneinhalb Millionen Menschen.19 Die Nachfrage überstieg das Angebot, was zu einer zunehmenden Verarmung führte. Da Verdienstmöglichkeiten in Italien begrenzt, anderswo jedoch zunehmend reichlich vorhanden waren, begann am Ende des 19. Jahrhunderts eine Auswanderungsbewegung in großem Umfang.20 Zwischen 1876 und 1900 verließen mehr als fünf Millionen Italiener ihre Heimat, und die jährlichen Zahlen stiegen bis zum Jahrhundertende stetig an. Frankreich, Österreich-Ungarn, Deutschland und die Schweiz benötigten billige ungelernte Arbeitskräfte, ebenso wie die Vereinigten Staaten. Da die Industrialisierung in den relativ leicht zu erreichenden Nachbarländern zahlreiche Arbeitsmöglichkeiten schuf, wanderten insbesondere Norditaliener vornehmlich in europäische Länder aus; sie stellten drei Fünftel der Auswanderer zwischen 1876 und 1900. Süditaliener neigten dagegen eher dazu, die Reise über den Atlantik anzutreten.21 Die Länder Amerikas versprachen eine viel exotischere und bereicherndere Erfahrung als das benachbarte Europa. Berichte über die riesigen Weiten Brasiliens und Argentiniens mit reichhaltigen, kaum besiedelten Landwirtschaftsflächen zogen viele Italiener an, vor allem diejenigen, die selbst Bauern waren. Im Vergleich zu den schwierigen politischen, wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Bedingungen in Italien lockten die Aussichten, der heimischen Armut zu entfliehen, hunderttausende Italiener nach Südamerika – das Ende des 19. Jahrhunderts mit Europa als beliebtestem Auswanderungsziel der Italiener gleichzog. Anfang des 20. Jahrhunderts nahm die Wanderung von Süditalien nach Nordamerika zu, so dass die Vereinigten Staaten bald Südamerika überholten und die Beliebtheit Europas einholten.
Die Erwartung höherer Löhne führte dazu, dass sich Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Menschen nach Nordamerika aufmachten, während Italien die bedeutendste Auswanderungsphase seiner neueren Geschichte durchmachte; fast neun Millionen Italiener verließen das Land zwischen 1900 und dem Ersten Weltkrieg. In diesem Zeitraum gingen viele von ihnen in die Vereinigten Staaten, nach Argentinien und Brasilien.22 Nach 1918 wurde die Auswanderung über den Atlantik wieder aufgenommen, erreichte aber nie mehr das Niveau der Vorkriegszeit. Das "booming of the guns of August 1914 brought to a sudden close the era during which foreigners were relatively free to traverse borders" und rigorose Passkontrollen wurden eingeführt.23 Die US-Einwanderungsgesetze von 1921 und 1924 begrenzten die Zuwanderung und führten Länderquoten ein. Die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung wurde nun zu einem Thema; die USA bevorzugten Nordeuropäer gegenüber Ost- und Südeuropäern.24 Brasilien und Argentinien nahmen bis zum Beginn der Weltwirtschaftskrise nach dem Börsenkrach von 1929 weiterhin italienische Einwanderer auf.
Nach dem Sturz des Faschismus und dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahm die Auswanderung aus Italien in relativ hohem Umfang erneut Fahrt auf, erreichte aber nie auch nur annähernd das Niveau, auf dem sie sich bei dem Höchststand ein halbes Jahrhundert zuvor befunden hatte. Die wichtigsten Zielländer waren jetzt in Europa, vor allem Frankreich, die Schweiz und Belgien; erst danach kam in den unmittelbaren Nachkriegsjahren Südamerika. Die Emigration in die USA dauerte an, aber die Zahlen blieben niedrig im Vergleich mit dem Niveau vor dem Ersten Weltkrieg.
Schweden
Die erste belegte Auswanderung von Schweden nach Nordamerika fällt in das Jahr 1638, als eine kleine Siedlergruppe in der Nähe von Delaware die Kolonie "Neu-Schweden" gründete. Bis 1655 hatten jedoch die Niederländer diese Kolonie übernommen.25 Die nächste Einwanderungsphase von Schweden nach Nordamerika begann fast 200 Jahre später und sollte von größerem Erfolg und Dauer geprägt sein. Die Zuwandererzahlen zwischen den 1840er und 1860er Jahren waren niedrig aber beständig, so dass die schwedische Bevölkerung der Vereinigten Staaten bei Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs eine Stärke von 18.000 erreicht hatte.26 Ab den 1870er Jahren – die späten 1860er-Jahre waren von Missernten geprägt gewesen – wanderten Schweden in zunehmend größerer Zahl nach Nordamerika aus. Diese Massenemigration dauerte bis zum Ersten Weltkrieg.
Die meisten Einwanderer der ersten Zeit errichteten Farmen im Mittleren Westen Amerikas. Wie im Fall aller drei in dieser Studie betrachteten Länder kam es zu einer Kettenmigration, da Verwandte und Freunde den ersten Einwanderern folgten, nachdem sie aus deren Briefen von ihren Erfolgen in Amerika gehört hatten. Missernten in Schweden in den Jahren 1867 und 1869 erhöhten den Auswanderungsdruck auf eine rasch wachsende Bevölkerung. Bis zu den 1870er Jahren hatten sich 100.000 Schweden in den USA niedergelassen und in den 1880er Jahren kamen weitere 330.000 an.27
In den 1890er Jahren ging die Emigration stark zurück, weil zeitgleich mit der wachsenden Industrialisierung Schwedens auch die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Vereinigten Staaten zunahmen. Inzwischen hatte die amerikanische Siedlungsgrenze den Pazifik erreicht und die Great Plains waren weitgehend erschlossen, so dass neue Einwanderer nicht mehr so günstig wie zuvor eigenes Land erwerben konnten. Daraus resultierte eine Zunahme schwedischer Einwanderung nach Kanada (das in den 1870er Jahren vergeblich versucht hatte, Schweden zur Ansiedlung zu bewegen), weil dort Land leichter verfügbar war.28 Die Zuwanderung nach Amerika nahm Anfang des 20. Jahrhunderts noch einmal zu, aber mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs endete die schwedische Einwanderung nach Amerika fast völlig und blieb auch unmittelbar nach dem Krieg auf niedrigem Niveau angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Unsicherheit sowohl in Amerika als auch in Schweden.29 Amerikas Beschluss in den 1920er Jahren Einwanderungsquoten einzuführen resultierte in einem merklichen Rückgang der Zahlen. Abgesehen vom Jahr 1923, als 25.000 Menschen einwanderten, um der Einführung noch strengerer Einwanderungsbestimmungen zuvorzukommen, blieb die schwedische Einwanderung in den 1920er und 1930er Jahren auffällig niedrig, wobei die Zahlen sogar unter der jährlich fü30
Emigration im Vergleich
Größenordnung der Emigration
Die Ökonomen Timothy J. Hatton (*1949) und Jeffrey G. Williamson (*1935) bezeichnen die Periode von 1850 bis 1914 als Europas "Age of Mass Migration".31 Die Sozialhistoriker Jan (*1947) und Leo Lucassen (*1959) haben kürzlich darauf hingewiesen, dass, wie der Fall von Irland belegt, europäische Gesellschaften schon früher recht mobil waren, auch wenn die europäische Migration nach 1850 rapide zunahm.32 Weitere Studien zeigen, dass sich dieses Zeitalter der Massenmigration keineswegs auf die Europäer beschränkte; Inder und Chinesen etwa ließen sich zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und dem Anfang des Zweiten Weltkriegs überall auf der Welt nieder, in einem Maßstab ähnlich dem der Europäer – eine Epoche von bemerkenswerter "expansion and integration of the world economy". Zudem beschränkten nach dem Ersten Weltkrieg nicht alle Länder die Einwanderung.33
Das Besondere an der Zeit zwischen 1850 und 1914 ist jedoch, im Gegensatz zu früheren europäischen Wanderungsbewegungen, dass eine außerordentliche transatlantische Migration stattfand. In diesen Jahrzehnten wanderten mehr als 50 Millionen Europäer nach Nord- und Südamerika aus. Von diesen kamen über 15 Millionen aus Irland, Italien und Schweden, und viele weitere Migranten waren bereits vor dem besagten Zeitraum aus diesen Ländern aufgebrochen, insbesondere aus Irland. Insgesamt überquerten zwischen dem Ende der Napoleonischen Kriege und dem Beginn des Ersten Weltkriegs mehr als 6 Millionen Iren den Atlantik.34 Wenn man bedenkt, dass die Bevölkerung Irlands vor der großen Hungersnot einen Höhepunkt von etwa 8,5 Millionen erreicht hatte und bis 1911 auf 4,4 Millionen zurückging, dann wird deutlich, was für ein enormer Anteil der Bevölkerung dieser Insel während der betrachteten Zeit nach Amerika aufbrach. Die Auswanderungsrate in Irland war mehr als doppelt so hoch wie in jedem anderen europäischen Land.35 Auch aus Italien kamen in dieser Zeit Millionen von Einwanderern in die Neue Welt. Zwischen 1880 und 1920 machten Italiener die größte Migrantengruppe in Amerika aus.36 Von den etwa 20 Millionen Italienern, die zwischen 1876 und 1950 ihr Land verließen, wanderten etwa 10 Millionen in amerikanische Staaten aus (etwa 5,5 Millionen nach Nordamerika und 4,5 Millionen nach Südamerika).37 Obwohl im Verhältnis zur Bevölkerungszahl weniger Italiener als Iren emigrierten, hatten Erstere auf Grund der absoluten Zahlen auch einen enormen Einfluss auf die nordamerikanische Kultur sowie – im Gegensatz zu den irischen und schwedischen Migranten – auf die Kultur Südamerikas, vor allem die argentinische und die brasilianische. Bei den Schweden waren die Gesamtzahlen nicht so hoch, aber immerhin wanderte zwischen 1840 und 1930 jeder fünfte Schwede nach Nordamerika aus, was sich auf 1,2 Millionen Menschen summierte.38
Auswanderungsgründe
Mit Ausnahme der großen irischen Hungersnot waren die Auswanderungsgründe in Irland, Italien und Schweden recht ähnlich. Die meisten Migranten suchten ihre wirtschaftliche Stellung zu verbessern.39 Religiöse Verfolgung spielte in der Anfangszeit der schwedischen Auswanderung eine kleinere Rolle, aber die Anzahl derjenigen, die aus diesem Grund das Land verließen, blieb niedrig. Einige irische und italienische Migranten verließen ihre Heimat aus politischen Gründen, aber dieser Migrationstyp stellte wiederum nur einen Bruchteil der Gesamtzahl dar. Die meisten Menschen versuchten den begrenzten wirtschaftlichen Möglichkeiten in ihren Heimatländern und der daraus resultierenden Armut zu entkommen. Die irischen Landreformen nach der Hungersnot führten dazu, dass meist nur ein Sohn das Familiengehöft erbte, die anderen Brüder wurden zu landlosen Arbeitern. Dadurch war es auch für Frauen in Irland zunehmend schwierig, begüterte Männer zu heiraten. Angesichts der großen irischen Familien machten die von diesen Umständen Betroffenen einen erheblichen Teil der Bevölkerung des Landes aus. Zudem waren die Löhne in Amerika höher im Vergleich zu Irland, wie durch Briefe von Angehörigen und Freunden sowie durch Geldzahlungen aus dem Ausland bekannt wurde, so dass sich viele junge Iren veranlasst sahen, ihr Heimatland zu verlassen.
Ähnliche Faktoren brachten Italiener und Schweden dazu, den Atlantik zu überqueren, wobei es ein paar wichtige Unterschiede gab. So gingen etwa junge Italiener oft für eine begrenzte Zeit – während sie darauf warteten, Grundbesitz zu erben – fort, um in der Zwischenzeit ihr Vermögen zu vermehren.40 Unterbeschäftigung in der Landwirtschaft brachte ebenfalls viele Italiener dazu, jährlich für eine gewisse Zeit ins Ausland zu gehen, ehe sie dann wieder nach Hause zurückkehren. Die schwedische Migration nach Amerika nahm rapide zu nach den schweren Missernten von 1867 und 1869 sowie dem Preisverfall Ende der 1870er Jahre, zu einer Zeit also, als die amerikanische Wirtschaft sprunghaft expandierte.41 Die Verabschiedung des Siedlungsgesetzes von 1862 (Homestead Act) erleichterte den Erwerb von besserem Farmland im Mittleren Westen Amerikas, das sehr günstig erworben werden konnte. Zudem senkte die Etablierung der Dampfschifffahrt in den 1860er Jahren die Reisekosten für Auswanderer aus allen drei betrachteten Ländern.
Herkunft und Zielländer
Begrenzte Möglichkeiten in der Landwirtschaft waren ein wichtiger Faktor bei der Auswanderung aus Irland, Italien und Schweden. Dementsprechend kamen die meisten Migranten aus den landwirtschaftlich geprägten Regionen dieser Länder. Bis zu den 1830er Jahren kamen die meisten irischen Auswanderer aus der nördlichen Provinz Ulster. Diese überwiegend presbyterianischen Migranten, die in vieler Hinsicht den schwedischen Migranten aus ländlichen Regionen wie Dalsland, Öland, Halland, Värmland und Småland ähnelten, hatten in Irland als Farmarbeiter gelebt und gründeten nun in den großen Prärien eigene amerikanische Farmen. Während und nach der großen Hungersnot kamen die meisten irischen Auswanderer aus der überwiegend ländlichen und ärmeren westlichen Provinz Connaught und der südlichen Provinz Munster und nicht mehr aus dem Norden oder Osten des Landes. Die städtischen Zentren Irlands, insbesondere Dublin und Belfast, trugen kaum zur Auswanderung bei.42 Anders als ihre Vorgänger aus Ulster bevorzugten die irischen Auswanderer nach den 1830er Jahren eher die Städte an der amerikanischen Ostküste, vor allem New York, Boston und Philadelphia, und nicht die landwirtschaftlichen Gebiete.
Dies entspricht den Veränderungen bei der schwedischen Emigration Ende des 19. Jahrhunderts. Um 1900 lebten die meisten Schweden in den städtischen Zentren Amerikas und kamen nicht nur aus ländlichen Gebieten, sondern auch aus größeren und kleineren Städten – ein Muster, das sich bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts fortsetzte, wobei Chicago eine herausragende Stellung einnahm. Italiener emigrierten vor allem aus ländlichen Gebieten in die Städte an der Ostküste der USA und nach Buenos Aires in Argentinien. Die Landwirtschaft spielte bei der italienischen Einwanderung in die USA nur eine untergeordnete Rolle, allerdings gab es einige italienische Emigranten, die an der amerikanischen Westküste Wein- und Obstanbau betrieben.43 Eine größere Rolle spielte die Landwirtschaft bei der Einwanderung nach Südamerika, wo die saisonale Wanderung von landwirtschaftlichen Tagelöhnern viel weiter verbreitet war. Vor 1900 kamen die meisten der Italiener, die über den Atlantik gingen, aus dem Norden des Landes, während nach 1900 die Süditaliener die Führungsrolle übernahmen.
Wer wanderte aus?
Die Mehrzahl der Migranten aus Irland, Italien und Schweden, die sich auf den Weg über den Atlantik machten, waren jung, unverheiratet und unqualifiziert. Irisch-presbyterianische und schwedische Familien, die anfangs bzw. in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im amerikanischen Mittleren Westen eigene Farmen einrichteten, stellen eine bemerkenswerte Ausnahme von diesem Trend dar. Junge, ledige Menschen mit geringer Arbeitserfahrung hatten weniger zu verlieren als ihre älteren, besser ausgebildeten Zeitgenossen, die Familienverantwortung trugen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts emigrierten aus Irland doppelt so viele Männer wie Frauen. Nach 1850 sank jedoch der sozio-ökonomische Status irischer Frauen aus den ländlichen Gebieten, was zu beträchtlichen Auswanderungszahlen führte.44 Unverheiratete junge Irinnen hatten oft nur die Wahl zwischen unabhängiger Arbeit jenseits des Atlantik oder unbezahlter Familienhilfe zu Hause in Irland, und viele von ihnen entschlossen sich daraufhin zur Emigration.45Nach der großen Hungersnot überquerten etwa ebenso viele Männer wie Frauen aus Irland den Atlantik – ein Muster, das dem der schwedischen Auswanderung sehr genau entspricht. In Chicago gab es einen großen Überschuss an Schwedinnen, die oft als Dienstmädchen arbeiteten, während es auf dem Land einen Mangel an schwedischen Frauen gab im Verhältnis zur Anzahl schwedischer Farmer.46 Etwa die Hälfte der irischen Einwanderinnen in Amerika arbeitete als Haushaltshilfen in den Städten.47 Die gemischtgeschlechtliche Einwanderung führte zur Ausbildung langlebiger irischer und schwedischer Gemeinschaften. Im Gegensatz dazu dominierten Männer bei der italienischen transatlantischen Emigration in einem Verhältnis von etwa vier zu eins.48 Die italienisch-katholische Kultur gestand den Frauen weniger Freizügigkeit als die irisch-katholische, so dass es nicht gern gesehen war, wenn Italienerinnen auswanderten, um als Dienstmädchen zu arbeiten, so wie es die Irinnen und Schwedinnen taten. Ein weiterer Grund für die Überzahl von Männern aus Italien war die hohe Rückwanderungsrate. Einige der Italiener waren bereits verheiratet, und ihre Ehefrauen warteten in Italien auf die Rückkehr ihrer Männer. Nach 1900 begannen jedoch auch Italienerinnen in größerer Anzahl auszuwandern; dennoch blieben sie in der Minderheit bis nach 1913, als ihre Anzahl erstmals die der Männer überstieg.49
Die Aufnahme der Migranten
Irische, italienische und schwedische Einwanderer lösten jenseits des Atlantiks unterschiedliche Reaktionen aus. Amerikaner waren in der Regel gern bereit, Schweden aufzunehmen, denen sie eine positive Arbeitsethik unterstellten. Die meisten Schweden waren Lutheraner und ihre Einwanderung wurde daher von der protestantischen Mehrheitsbevölkerung der Vereinigten Staaten begrüßt. Zudem besaßen sie einen hohen Bildungsgrad, da 90 Prozent der schwedischen Einwanderer lesen konnten und sie in der Regel rasch Englisch lernten. Im Gegensatz dazu waren die amerikanischen Reaktionen auf irische und italienische Einwanderer sehr gemischt, je nach deren Hintergrund und der Zeit ihrer Ankunft. So erfuhren etwas irische Presbyterianer und Anglikaner, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Amerika zogen, wenig Ablehnung, ebenso wie die ersten Italiener, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts ansiedelten, da ihre Zahl niedrig war und sie, im Fall der Iren, protestantischen Konfessionen angehörten.
Als die Einwanderung nach Amerika aus Irland und Italien zunahm – ab den 1830er Jahren im Fall der Iren, ab dem späten 19. Jahrhundert im Fall der Italiener – wuchs auch die Diskriminierung, die sie von den länger Eingesessenen erfuhren, die in ihnen eine Bedrohung für ihre Lebensart sahen. Viele Iren und Italiener kamen aus armen, bildungsfernen, ländlichen katholischen Bevölkerungsschichten, worin sie sich deutlich von den früheren Einwanderern unterschieden. Dazu kamen für Italiener und rein gälischsprachige Iren erhebliche Sprachschwierigkeiten, die manchmal eine Verständigung mit der örtlichen Bevölkerung erschwerten. Dennoch gelang den irischen und italienischen Einwanderern allmählich der Aufstieg in der sozialen Hierarchie der amerikanischen Gesellschaft. Als weiße Europäer hatten sie einen großen Vorteil und überholten in ihrem sozialen Status rasch die freigelassenen schwarzen Sklaven, mit denen sie in der Anfangszeit ihrer Ansiedlung in den amerikanischen Städten zunächst oft zusammengelebt hatten. Ein Kommentator der irischen Erfahrung in Amerika meinte, dass die irischen Einwanderer "grün" ankamen und rasch "weiß" wurden, um einen Status oberhalb der schwarzen Amerikaner zu erreichen, mit denen sie zunächst um Arbeit konkurrierten.50
Ähnlich erging es den Italienern in den Vereinigten Staaten, die bei ihrer Ankunft oft noch unsicher waren bezüglich ihrer ethnischen Einordnung, dann aber rasch erkannten: "to be white meant having the ability to avoid many forms of violence and humiliation, and assured preferential access to citizenship, property, satisfying work, liveable wages, decent housing, political power, social status, and a good education, among other privileges".51 Zwar war ein weißer europäischer Hintergrund nicht ausreichend, um jeglichem Widerstand gegen Einwanderung zu begegnen. Dennoch behandelte der amerikanische Staat Europäer ganz anders als etwa Chinesen, wie das Ausschließungsgesetz für Chinesen von 1882 (Chinese Exclusion Act) deutlich zeigt.
Der Widerstand gegen Zuwanderung wurde in den Vereinigten Staaten Mitte der 1890er Jahre deutlicher, als das Land eine ernsthafte wirtschaftliche Rezession durchmachte. 1897 stimmten die Kongressabgeordneten für die Einführung restriktiver Immigrationsmaßnahmen. Der Senat und der amerikanische Präsident stellten sich jedoch dagegen und verhinderten die Umsetzung der Beschränkungen. Im Jahr 1906 setzte Washington einen Einwanderungsausschuss unter der Leitung von William P. Dillingham (1843–1929) ein. Fünf Jahre später veröffentlichte dieser Ausschuss seine Arbeitsergebnisse in 42 Bänden.52 Darin kam er zu dem Schluss, dass die neuen Einwanderer, die nach Amerika kamen, von schlechter Qualität waren, mit den Eingesessenen konkurrierten, schlechte Voraussetzungen als Staatsbürger mitbrachten – wegen der möglichen Rückwanderung – und zur Ausbreitung der Armut im Land beitrugen.53 Die zunehmende Feindseligkeit gegenüber Immigranten zeigte sich in dem Einwanderungsgesetz vom 1917, das der amerikanische Kongress gegen den Widerstand von Präsident Woodrow Wilson (1856–1924) verabschiedete, und das einen Alphabetisierungstest für Einwanderer vorschrieb. Vier Jahre später wurde die unbegrenzte Einwanderung aus Europa mit der Verabschiedung des Notfallquotengesetzes (Emergency Quota Act) beendet. Es schrieb vor, dass zu den in die USA eingewanderten Nationalitäten (Stand von 1910) jährlich nur 3 Prozent neue Landsleute stoßen durften. Die 1924 geänderte Fassung dieses Gesetzes limitierte die Einwanderung auf zwei Prozent der Bevölkerung eines Landes in den Vereinigten Staaten auf dem Stand von 1890, wodurch die Italiener und andere Einwanderernationalitäten der jüngeren Zeit praktisch ausgeschlossen wurden.54 Die jährliche Quote für Italiener war auf 5.802 begrenzt, während der Irische Freistaat und Schweden jährliche Quoten von 17.853 bzw. 3.314 Personen zugesprochen bekamen.55 Kanada und verschiedene südamerikanische Staaten nahmen in den 1920er Jahren eine weniger ablehnende Haltung zur Einwanderung ein, aber die schwierige Weltwirtschaftslage der 1930er Jahre führte dazu, dass die potenziellen europäischen Migranten zu Hause blieben.
Haltung der Herkunftsländer zur Emigration
Die politischen Reaktionen auf die Auswanderung waren in Irland, Italien und Schweden unterschiedlich. Britische Beamte sahen die Emigration der Iren im 19. Jahrhundert insgesamt positiv; sie fassten dieses Phänomen als eine natürliche Reaktion auf ein in ihrer Sicht nicht dauerhaft haltbares Bevölkerungswachstum auf, im Sinne der Theorie von Malthus. Nationalistische irische Politiker und der katholische Klerus dagegen sahen die Auswanderung oft in ungünstigerem Licht, da das Land durch Emigration "bone and sinew" verliere.56
Die italienische Führungsschicht hatte zunächst eine ähnliche Sicht auf die transatlantische Auswanderung und erlegte den Migranten gewisse Kontrollen auf, da man die Migration für gesellschaftsschädigend hielt. Aber die italienische Regierung hob diese Restriktionen rasch wieder auf und erleichterte sogar eine geregeltere Auswanderung durch den Einsatz eigener Funktionäre.
Der schwedische Staat beurteilte Auswanderung von den 1840er Jahren bis Mitte der 1860er Jahre äußerst negativ. Man unterstellte den Migranten, weniger begabt zu sein als andere Schweden oder vor Schulden, Strafverfolgung oder Wehrdienst davonzulaufen. Die Missernten Ende der 1860er Jahre führten jedoch zu einem Sinneswandel, da die Anzahl der Migranten erheblich anstieg.57 Nun sah die schwedische Führung die Migranten als unglückliche, hilflose Opfer in einem überbevölkerten Land mit begrenzten Arbeitsmöglichkeiten. Ab den 1890er Jahren verbesserte die zunehmende Industrialisierung die Perspektiven für junge Leute in Schweden, so dass die Auswanderung wieder eher negativ gesehen wurde, insbesondere seitens der gesellschaftlichen und politischen Eliten. Sie hatte, so glaubte man, einen erheblichen schädlichen Einfluss auf das Militär, auf Grund der geringeren Zahl von Wehrdienstleistenden, und sie schädigte auch landwirtschaftliche Arbeitgeber, deren Quelle für billige Arbeitskräfte versiegte.58 Ungeachtet der Tatsache, dass die Binnenwanderung vom Land in die Städte innerhalb Schwedens die transatlantische Wanderungsbewegung zahlenmäßig übertraf, war es einfacher, Auswanderer zu kritisieren als industrielle Arbeitgeber, und die Einstellung, auf der die Feindseligkeit gegenüber der Auswanderung beruhte, passte zu einem wachsenden Patriotismus im Gefolge einer neuen nationalromantischen Bewegung in Kunst und Literatur.59 Aus andauernder Besorgnis über die schwedische Auswanderung Anfang des 20. Jahrhunderts wurde 1907 ein spezieller nationaler Ausschuss eingerichtet, der sich mit diesem Thema auseinandersetzen sollte. Dieser Ausschuss empfahl in seinem Abschlussbericht 1913, dass die Auswanderung durch weitreichende soziale und wirtschaftliche Reformen eingeschränkt werden solle; darunter fielen allgemeines Wahlrecht für Männer, bessere Wohnsituation, allgemeine Wirtschaftsankurbelung und breitere Bildung für die Allgemeinheit. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im folgenden Jahr führte zu einem deutlichen Rückgang der Auswanderung aus Schweden. Zusätzlich zu den Reformen, die der Ausschuss angeregt hatte, erholte sich die schwedische Wirtschaft nach dem Krieg und Amerika erließ eine Reihe von Einwanderungsbeschränkungen, die zu einem dramatischen Rückgang der Migrantenzahlen nach 1918 führten.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und nachdem auf etwa drei Vierteln der irischen Insel der Irische Freistaat ausgerufen wurde, ging die Zahl der Auswanderer zurück, dennoch verhinderte die Emigration jegliches dauerhafte Bevölkerungswachstum im diesem Staat. In den 1920er Jahren betraf die Auswanderung oft irische Protestanten, die den Freistaat auf Grund schlechter werdender wirtschaftlicher Chancen und wegen politischer Bedenken gegenüber der dominanten Rolle der katholischen Kirche im neuen System verließen. Aber auch irische Katholiken wanderten weiterhin aus, vor allem in den 1930er und 1940er Jahren, was die Auffassung der Nationalisten widerlegte, wonach die britische Herrschaft in der Vergangenheit Millionen von Iren zur Emigration veranlasst habe. Auch Irland setzte dann 1948 einen Ausschuss ein, der die Emigrationsursachen untersuchen sollte, zu einer Zeit, als die Iren wegen der amerikanischen Einwanderungsbeschränkungen überwiegend nach Großbritannien gingen.
Die italienischen Faschisten vertraten ab Mitte der 1920er Jahre ebenfalls ein negativeres Bild von der Auswanderung. Hatte der Diktator Benito Mussolini (1883–1945) in den frühen 1920er Jahren in der Emigration noch ein Mittel gegen Arbeitslosigkeit und für die weltweite Verbreitung des Faschismus gesehen, so kam das faschistische Regime im Lauf des Jahrzehnts zu der Ansicht, dass wertvolle Arbeitskräfte verloren gingen. So wurde die Auswanderung nach Amerika 1928 verboten, "the Fascist transition from emigration encouragement to tolerance to repression" war abgeschlossen.60 Die Machthaber förderten aber weiterhin die Migration in die Kolonien Italiens.
Rückwanderung
Nur wenige irische und schwedische Auswanderer kehrten in ihr Heimatland zurück – lediglich fünf Prozent der zwischen 1850 und 1914 ausgewanderten Iren und Schweden.61 Ganz im Gegensatz dazu reisten viele Italiener, die den Atlantik überquert hatten, zurück in ihre italienische Heimat. Heimkehr stellt einen wichtigen Bestandteil der italienischen Migrationsgeschichte dar. Während der Jahrzehnte dauernden Massenmigration hatten viele Auswanderer diese nur als eine vorübergehende Lösung angesehen, insbesondere, wenn sie von Norditalien über die Alpen gingen. Die Verkehrsrevolution, ermöglicht durch die Ausbreitung der Dampfschifffahrt seit den 1860er Jahren, führte zu einer wesentlichen Verkürzung der Reisezeiten. In der Folge verschmolzen Europa und die amerikanischen Staaten zu einem gemeinsamen Arbeitsmarkt mit entsprechender Lohnkonkurrenz. Daher zogen es viele Italiener vor, als Saisonarbeiter nach Amerika zu gehen anstatt in die europäischen Nachbarländer. In scharfem Gegensatz zu Irland und Schweden gelang es etwa 49 Prozent der Italiener, die zwischen den Jahren 1905 (als die Rückkehrerstatistik eingeführt wurde) und 1920 nach Amerika gegangen waren, in ihre Heimat zurückzukehren.62 Viele der überwiegend aus Süditalien stammenden Landarbeiter gingen in die Vereinigten Staaten, um dort möglichst viel Geld zu sparen, von dem sie dann nach ihrer Rückkehr eigene Landwirtschaftsflächen erwerben wollten.63 Dabei kehren sie wohl auch zurück, um in der italienischen Heimat zu heiraten oder zu ihren dort verbliebenen Ehefrauen zurückzukehren, da vor dem Ersten Weltkrieg unter den Auswanderern nur wenige Italienerinnen waren.64 Rückwanderung in alle drei hier betrachteten Länder fand in den frühen 1930er Jahren statt, veranlasst durch die Folgen der Weltwirtschaftskrise, aber von Irland aus kam es ab 1936 zu einer neuen Auswanderungswelle, deren Ziel hauptsächlich Großbritannien war. In Italien und Schweden allerdings übertraf die Zahl der Heimkehrenden Ende der 1930er Jahre diejenige der Auswanderer.
Das Erbe der Auswanderung
Der irische Staat stellt seine Auswanderer durch ständig erneuertes Gedenken an die Hungerflüchtlinge als Opfer von Kolonialismus und dessen Folgen dar. Neben dieser offiziellen Version sah das öffentliche Bewusstsein die Migration oft im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Auswanderer. Angesichts der enormen Anzahl von Iren, die während der letzten vier Jahrhunderte ihr Land verließen, ist die Auswanderung ein grundlegender Bestandteil der irischen Identität geworden. In den 1980er Jahren beschrieb der berühmte irische Musiker und Wohltäter Bono (Paul Hewson, *1960) seine irischen Mitbürger und -bürgerinnen wegen der Emigrationsgeschichte des Landes als "Außenseiter", "Migranten" und praktisch "Heimatlose".65 In den 1990er Jahren ging der bekannte Kommentator der Irish Times, Fintan O'Toole (*1958) noch einen Schritt weiter; er bezeichnete Irland als eine "diaspora, and as such [it] is both a real place and a remembered place, both the far west of Europe and the home back east of the Irish-Americans".66 Im selben Jahrzehnt sprach die irische Präsidentin Mary Robinson (*1944) im Zusammenhang mit der Identität Irlands oft von der irischen Diaspora.
Im Vergleich dazu ist die staatliche italienische Erinnerungskultur der Auswanderung schwach ausgeprägt, selbst wenn Migrantenvertreter dem italienischen Parlament angehören. Anders als in Irland konnten die italienischen Eliten zur Erklärung des Massenexodus aus ihrem Land nicht auf eine nationalistische Geschichte zurückgreifen. Das Gedenken an die Auswanderung aus Italien bedeutete eine Erinnerung daran, dass der Staat nicht in der Lage war, für seine Bürger zu sorgen. Im Gegensatz zu Irland gab es keinen nationalen Mythos, der den Staat jeder Verantwortung für die umfassende Abwanderung seiner Bürger entheben konnte, da diese einzig aus dem Grund weggegangen waren, dass der Staat ihnen nicht bieten konnte, was sie suchten: einen angemessenen Lebensunterhalt. Die Migrantenpopulation war "defeated in the struggle to gain land, to improve its lot, to pursue that little bit of happiness that represents one of the great founding tenets of democracy".67 Da der italienische Staat bis heute davor zurückschreckt, der Schicksale von Millionen von Auswanderern zu gedenken, ist die Erinnerung an die Emigration dort weitgehend eine Privatangelegenheit geblieben. So führte kürzlich die italienische Politikerin Livia Turco (*1955) aus:
Die Auswanderungserfahrung der Italiener ist in der allgemeinen Kultur noch nicht aufgearbeitet worden, es gibt nicht einmal eine Sammlung der Erfahrungen in der rekonstruierten Geschichtsschreibung, noch sind gemeinsame Erinnerungen, Bilder und Symbole geschaffen worden. Man erinnert sich nur an die beschwerliche Arbeit; das private Abenteuer hat noch keinen Platz in unserer Nationalgeschichte gefunden, es gehört noch nicht zu unserem kollektiven Ethos, es trägt noch nicht zu Fühlen und Ethik der Allgemeinheit bei.68
Während viele irische Lieder und Gedichte das Verlassen der geliebten Heimat aus Sicht der Auswanderer bedauerten, klagten die entsprechenden italienischen Weisen den italienischen Staat an. Wie es in einem traditionellen Lied klingt, blieben die Italiener ihrem Heimatstaat gegenüber feindselig eingestellt: "Verflucht sei Italien, nur weg von hier".69 "Italianità reside[d] in the humble details of everyday life, not in the glories of any nation or its state."70
Eine vergleichbare Tendenz, die Auswanderungsgeschichte des eigenen Landes zu verdrängen, bestand in Schweden jahrzehntelang während des 20. Jahrhunderts.71 Als sich Vilhelm Moberg (1898–1973) zwischen 1949 und 1959 in vier Romanen mit dem Thema der Auswanderung von Schweden nach Amerika befasste,72 veranlasste dies die schwedische Fachwelt und die breitere Öffentlichkeit, sich mit ihrer Emigrationsgeschichte auseinanderzusetzen. Dennoch besteht auch weiterhin ein bemerkenswerter Unterschied zwischen der Haltung der Schweden und der schwedischstämmigen Amerikaner zu ihrer Vergangenheit: Während Erstere die Migration oft als tragisches Element ihrer Geschichte ansehen, betrachten Letztere sie eher als eine heroische Episode bei der Herausbildung ihrer schwedisch-amerikanischen Identität.73
Die transatlantischen Wanderungsbewegungen von Iren, Italienern und Schweden prägen Nord- und Südamerikas bis heute. Amerika nimmt sich selbst immer noch als ein Land wahr, das von Einwanderern aufgebaut worden ist. Viele Millionen Amerikaner bezeichnen sich selbst als irisch-amerikanisch, italienisch-amerikanisch oder schwedisch-amerikanisch. In ähnlicher Weise betonen auch viele Argentinier und Brasilianer ihre italienische Herkunft. Iren und Italiener hatten einen enormen Anteil am Aufbau verschiedener Städte an der Ostküste, vor allem New Yorks, während die Schweden im Mittleren Westen eine vergleichbare Rolle spielten. Alle drei Gruppen waren wesentlich beteiligt an der Entwicklung von Chicago. Viele Städte Argentiniens, insbesondere Buenos Aires, bezeugen den italienischen Einfluss, den das Land erfahren hat.
Schluss
Der Umfang der transatlantischen Auswanderung von Irland, Italien und Schweden zwischen 1800 und 1950, und insbesondere zwischen den 1840er Jahren und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, war von größter Tragweite. Die großen Emigrationswellen aus diesen drei Ländern sind unterschiedlichen Phasen der europäisch-atlantischen Wanderung zuzuordnen: Die irische Migration erreichte ihren Höhepunkt in der Mitte des 19. Jahrhunderts, die schwedische in den 1880er Jahren und die italienische kurz nach 1900. Nie zuvor waren so viele, zumeist junge, unqualifiziert, unverheiratete Europäer so weit gereist, um ein neues Leben anzufangen. Die meisten von ihnen verließen Irland, Italien und Schweden auf Grund der ärmlichen Lebensbedingungen auf dem Lande, unter denen sie zu Hause kaum Chancen für eine Verbesserung ihrer Lage sahen, während sie sich in der Fremde offenbar zahlreiche Möglichkeiten und großen Gewinn erhofften. Zwar warteten auf viele der Auswanderer jenseits des Atlantiks erhebliche Mühen, aber zumindest hatten sie eine Fortschrittsperspektive, ganz im Gegensatz zu der stagnierenden Welt, die sie von daheim kannten. Für die schwedischen und irischen Migranten bedeutete die gegenüberliegende Atlantikküste fast immer die Vereinigten Staaten und in geringerem Umfang Kanada, während Italiener außer in die USA auch in verschiedene südamerikanische Länder gingen, insbesondere nach Argentinien und Brasilien. Italienische Auswanderer waren zumeist männlich, während unter den irischen und schwedischen Migranten ein ausgeglicheneres Geschlechterverhältnis herrschte. Dies war einer der Gründe für die hohe Rückwanderungsrate der Italiener im Vergleich zu den Iren und Schweden, und es führte auch zu einer gewissen Verzögerung beim Aufbau stabiler italienischer Communities in Übersee.
Die katholischen Einwanderer aus Irland und Italien trafen auf einen eher reservierten Empfang im Unterschied zu den lutherischen Schweden. Die Iren und Italiener bildeten zwei große, aber deutlich unterscheidbare Gruppen im Vergleich zu früheren Einwanderern nach Amerika. Sie konzentrierten sich auch tendenziell in bestimmten Städten an der Ostküste, vor allem in New York, während Schweden und andere protestantische Migranten vor ihnen eher aufs Land zogen oder gleichmäßiger verteilt in eine Vielzahl von Städten. Letzteres Phänomen erleichterte ihre rasche Integration und führte dazu, dass sie als nationale Gruppen verschwanden, wie es das Beispiel der protestantischen Iren oder "Scotch Irish" Anfang des 19. Jahrhunderts gezeigt hatte. Einen vergleichbaren Vorgang könnte die Integration der katholischen Italiener in die katholisch-spanisch bzw. katholisch-portugiesisch geprägten Gesellschaften in Argentinien und Brasilien darstellen.
Die Eliten in den Herkunfts- und Aufnahmeländern hatten sehr unterschiedliche Einstellungen zur Migration. Manche, etwa die Briten im Falle der irischen Auswanderung, befürworteten sie. Die schwedische Führungsschicht dagegen sorgte sich über Schäden für die Entwicklung der Nation. Die Regierungen äußerten sich eher zurückhaltend; einige von ihnen, etwa im unabhängig gewordenen Irland und in Italien vor und nach dem Faschismus, waren sich durchaus der Tatsache bewusst, dass die Auswanderung ihrer Wirtschaft nützte, indem sie für die Daheimgebliebenen mehr Arbeitsmöglichkeiten schuf und zusätzlich erhebliche Einnahmen durch die Überweisungen von den Auswanderern garantierte. Arbeitgeber jenseits des Atlantiks begrüßten die Einwanderung in der Regel, während niedrig entlohnte einheimische Arbeiter sie ablehnten, vor allem während wirtschaftlicher Krisen wie in den 1890er und den 1920er Jahren. Bei Einwanderungsfragen spielten amerikanische Politiker eine aktive Rolle, wenn es ihnen möglich war, und liefen den Ereignissen hinterher, wenn es sich nicht vermeiden ließ; ein Beispiel dafür ist im Jahre 1897 die Weigerung, restriktive Maßnahmen umzusetzen, während zwanzig Jahre später, 1917, dieselben Maßnahmen die Zustimmung der Politik fanden. Weitere Beschränkungen folgten in den 1920er Jahren und führten dazu, dass in den 1930er Jahren auch andere Länder jenseits des Atlantiks wie Brasilien und Argentinien vor den europäischen Einwanderern die Türen schlossen. Obwohl die Massenmigration von Irland, Italien und Schweden ab den 1920er Jahren zum Erliegen kam, lebt ihr Erbe fort, und zwar in den Herkunftsländern ebenso wie in den aufnehmenden Staaten.