Islamische Staatlichkeit in Europa zwischen 1450 und 1950
Um die Mitte des 15. Jahrhunderts existierte in verschiedenen Randzonen Europas eine Anzahl kleinerer islamischer Staaten. Im Süden der iberischen Halbinsel bestand das nasridische Emirat von Granada, das in dieser Zeit allerdings seinen Niedergang erlebte. 1485 begannen die christlichen Staaten Kastilien und Aragon mit der systematischen Eroberung des Emirats, während die Muslime ihre Kräfte in einem Bürgerkrieg erschöpften. 1492 nahm eine Armee unter Ferdinand II. von Aragon (1452–1516) und Isabella von Kastilien (1451–1504) Granada ein und beendete damit fast acht Jahrhunderte islamischer Staatlichkeit auf der iberischen Halbinsel.1 Am anderen Ende Europas, in der osteuropäischen Ebene, existierten gleich vier islamische Staatsgebilde nebeneinander: das Chanat von Kasan an der mittleren Wolga, während des 15. Jahrhunderts der bedeutendste militärische Gegner der Moskauer Rus', das Chanat von Kasimov an der Oka, das in den 1460er Jahren gegründete Chanat Astrachan im Mündungsgebiet der Wolga, sowie das Chanat der Krim, das die Halbinsel Krim und die südlichen Steppengebiete der heutigen Ukraine umfasste. Bei all diesen Staatsgebilden handelte es sich um direkte bzw. indirekte Abspaltungen vom dschingizidischen Staat der Goldenen Horde, der im 14. Jahrhundert islamisiert worden war.2 Während der Rumpfstaat der Goldenen Horde 1502 endgültig unterging, bestanden das Chanat Kasan und das Chanat Astrachan noch bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts weiter. 1552 bzw. 1556 wurden diese beiden Chanate durch Ivan IV. (1530–1584) erobert und dem expandierenden russischen Staat einverleibt.3 In Innerrussland blieb nur das Chanat von Kasimov, das spätestens in den 1560er Jahren zu einem Vasallen Moskaus wurde, längere Zeit bestehen. Im Gegensatz zu Kasan, das bei der russischen Eroberung in großen Teilen zerstört wurde, sind in Kasimov, das über weitgehende Autonomie verfügte und einen eigenen Verwaltungsapparat besaß, zwei Baudenkmäler aus dem 16. Jahrhundert (eine Moschee und ein Herrschermausoleum) erhalten, die einen Eindruck von der tatarischen Kunst dieser Zeit vermitteln. 1682 wurde aber auch dieses islamisch-tatarische Vasallen-Fürstentum von Kasimov aufgelöst.4 Der einzige islamische Staat in Osteuropa, der das 17. Jahrhundert überdauerte, war das Chanat der Krim.5
Während die islamischen Staaten auf der iberischen Halbinsel und in Osteuropa zu Beginn der Frühen Neuzeit untergingen bzw. in Abhängigkeit von anderen Mächten gerieten, erlebte in der gleichen Zeit in Südosteuropa ein anderer islamischer Staat seinen militärischen und politischen Aufstieg, das Osmanische Reich mit der Hauptstadt Edirne, das um die Mitte des 15. Jahrhunderts bereits weite Gebiete des Balkans (Bulgarien, Makedonien, Thrakien, die Dobrudscha und Bosnien) umfasste, aber auch den westlichen Teil Kleinasiens einschloss. Die Expansion dieses Staates nach Europa hinein setzte sich bis zur Mitte des 16. Jahrhundert fast ungebremst fort. Eine besondere Dynamik entwickelte diese Expansionsbewegung unter den Sultanen Mehmet II. (1432–1481)[] und Süleyman I. (1494–1566)[]. Auf die Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453, die dem Byzantinischen Reich ein Ende setzte, folgten 1459 die Unterwerfung Serbiens, 1460 die Angliederung der Peloponnes, 1463 die Eroberung Bosniens, 1478 die Errichtung der osmanischen Oberhoheit über das Chanat der Krim, dann 1521 die Eroberung Belgrads, 1522 die Einnahme von Rhodos und 1541–1543 die Annexion Mittelungarns. Den Schlusspunkt der osmanischen Expansion in Europa bildete 1669 die Eroberung Kretas. Seine militärischen Erfolge auch außerhalb Europas, insbesondere die Eroberung Syriens und Ägyptens sowie die Errichtung der Oberherrschaft über die heiligen Stätten in Mekka und Medina im Jahre 1517, ließen das Osmanische Reich im gleichen Zeitraum auch weltweit zur wichtigsten islamischen Macht aufsteigen. Das auf europäischem Boden gelegene Konstantinopel, seit den späten 1450er Jahren Sitz des osmanischen Sultans, wurde unter seinem neuen Namen Istanbul (in manchen Dokumenten auch Islambul!) für mehr als vier Jahrhunderte zum bedeutendsten politischen und geistigen Zentrum der islamischen Welt.6 Zwar lebten im Osmanischen Reich zahlenstarke christliche und jüdische Minderheiten, doch bestand der Herrschaftsapparat fast ausschließlich aus Muslimen. Die Islamizität des osmanischen Staatswesens kommt in dieser Zeit nicht nur in den hohen staatlichen Aufwendungen für die Pilgerfahrt und die heiligen Städte im Hedschas, dem Gebiet um Mekka und Medina, zum Ausdruck, sondern auch in der großen Bedeutung der Ulema, der muslimischen Religionsgelehrten, im Gerichts- und Schulwesen.7 Angeführt wurden sie vom Mufti von Istanbul, der als Scheich-ül-Islam (Meister des Islam) ab dem 15. Jahrhundert die oberste religiöse Autorität des Osmanischen Reiches darstellte und zeitweise dem Sultan auch als persönlicher Berater diente.8
Ende des 17. Jahrhunderts begann der Niedergang des Osmanischen Reiches und damit auch dessen Rückzug aus Europa. Im Vertrag von Karlowitz9 (1699) wurden Ungarn, Siebenbürgen und Slawonien an die Habsburger Monarchie abgetreten, mit dem Frieden von Passarowitz10 (1718) folgten Temesvar und die Kleine Walachei. Russland, das im Laufe des 18. Jahrhunderts zum wichtigsten Gegenspieler der Hohen Pforte (der osmanischen Regierung) in Europa wurde, zwang das Osmanische Reich im Frieden von Küçük Kaynarca11 (1774) zum Verzicht auf die Oberhoheit über die Krimtataren und nahm ihm bis 1792 seine gesamten Besitzungen am nördlichen Schwarzmeerufer ab. 1829 scherte Griechenland, vorerst auf den Peloponnes, Attika und Böotien beschränkt, aus dem osmanischen Staatsverband aus. Zwar bestieg 1876 mit Abdülhamid II. (1842–1918)[]ein Sultan den Thron, der neue islamisch-imperiale Pläne verfolgte und das Kalifat über alle Muslime beanspruchte,12 doch konnte dies die weitere Erosion der osmanischen Macht in Europa nicht verhindern. Nach dem Russisch-Türkischen Krieg von 1877/1878 und dem Berliner Kongress wurden Montenegro, Serbien und Rumänien de jure in die Unabhängigkeit entlassen, Bulgarien erhielt Autonomie, und Bosnien wurde unter österreichisch-ungarische Verwaltung gestellt. Nach dem Ersten Balkankrieg 1912/1913 mussten sich die Türken auch aus Albanien, Makedonien, Kosovo und Westthrakien zurückziehen. Kreta, das bereits seit 1898 Autonomie unter einem griechischem Gouverneur besaß, wurde 1913 in den griechischen Staat integriert. Der europäische Teil der Türkei beschränkt sich seither auf den Ostteil Thrakiens.
Neben dem Osmanischen Reich konnte sich in der Neuzeit kein weiterer islamischer Staat dauerhaft in Europa behaupten. Das Chanat der Krim wurde schon 1783, also weniger als zehn Jahre nach seiner Herauslösung aus dem osmanischen Staatsverband, in das Russische Reich eingegliedert; 1792 wurde das Chanat auch offiziell aufgelöst.13 Ein weiteres kurzlebiges islamisches Herrschaftsgebilde auf europäischem Boden war die 1801 von Bökey Chan gegründete Innere Horde der Kasachen im Gebiet zwischen der Wolga und dem Ural-Fluss. Sie war dem russischen Zaren unterstellt, konnte sich aber bis 1845 mit einer deutlich ausgeprägten islamischen Ausrichtung weitgehende Eigenständigkeit erhalten.14 Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs verblieb mit Albanien nur ein einziger Staat mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit in Europa. Als er 1920 von der internationalen Gemeinschaft anerkannt wurde, waren ungefähr 70 Prozent seiner geschätzten 800.000 Einwohner Muslime,15 der Staat selbst wurde allerdings für afetar (nicht-religiös, laizistisch) erklärt.
Prozesse der Islamisierung und De-Islamisierung
Die Errichtung islamischer Staatlichkeit in bestimmten Gebiete bedeutete keineswegs, dass deren Bevölkerung auf einen Schlag den Islam annahm, sowie umgekehrt auch der Zusammenbruch oder Rückzug islamischer Staaten nicht automatisch die sofortige De-Islamisierung der betreffenden Gebiete mit sich brachte. Islamisierung und De-Islamisierung europäischer Großregionen waren vielmehr Prozesse, die meist zeitlich versetzt über längere Zeiträume abliefen, ja sogar zum Teil losgelöst von Eroberungs- und Rückzugsbewegungen islamischer Staaten stattfinden konnten. Eine europäisch-muslimische Minderheit, die weitgehend unabhängig von islamischer Staatlichkeit entstanden ist, waren die Lipka-Tataren auf dem Gebiet Polen-Litauens.16 Sie waren die Nachfahren einer Oppositionsgruppe innerhalb des Staates der Goldenen Horde, die Ende des 14. Jahrhunderts in das Großfürstentum Litauen eingewandert war und sich in verschiedenen städtischen Zentren (Vilnius, Lublin u.a.) angesiedelt hatte. Ein türkischer Text aus dem späten 16. Jahrhundert gibt ihre Anzahl – wahrscheinlich etwas übertrieben – mit 200.000 an.17
Der umfangreichste Islamisierungsprozess im Europa der Frühen Neuzeit war derjenige, der ab 1450 in den osmanisch eroberten Gebieten Südosteuropas einsetzte. Ausgangspunkte dieses Prozesses waren die osmanischen Verwaltungszentren auf dem Balkan. Statistiken für das Jahrzehnt 1520–1530 zeigen, dass in dieser Zeit bereits mehrere Städte, die als solche Zentren fungierten, muslimische Bevölkerungsmehrheiten hatten. Dazu gehörten neben Edirne (mit 82,1 % Muslimen), das bis zum Ende des 18. Jahrhunderts als die eigentliche Hauptstadt der europäischen Territorien diente, Sofia (66,4%), Larissa (90,2 %) in Thessalien, Bitola/Manastir (75%) und Skopje (74,8%) in Mazedonien sowie Sarajewo in Bosnien (mit nahezu 100% Muslimen).18 Außerhalb dieser Städte änderte sich die religiöse Bevölkerungsstruktur in den meisten Gebieten zunächst nur wenig. Allein in Bosnien und der Herzegowina, wo aufgrund der Existenz einer eigenständigen "bosnischen Kirche" eine besondere religiöse Situation herrschte, fasste der Islam auch in den ländlichen Regionen schneller Fuß.19 Die Konversion zum Islam war allerdings hier zunächst nur ein formaler Schritt; erst Ende des 16. Jahrhunderts, nachdem sich die osmanische Macht in Bosnien vollständig installiert hatte, "kam es zu einer inneren Vertiefung der Islamisierung, zur Verdeckung der christlichen Herkunft der Islamisierten und ihrer stärkeren konfessionellen Absonderung von den Christen".20 Nach dem Bericht eines päpstlichen Legaten gab es 1624 in Bosnien 450.000 Muslime, 150.000 Katholiken und 75.000 Orthodoxe, die Bosnier waren also bereits zu zwei Dritteln muslimisch geworden.21 Während der Prozess der formalen Islamisierung in Bosnien um die Mitte des 16. Jahrhunderts im Wesentlichen abgeschlossen war, war davon zur gleichen Zeit in Albanien und im Kosovo noch kaum etwas zu bemerken,22 massive Übertritte zum Islam erlebten diese Regionen erst im 17. Jahrhundert. Einige osmanische Sultane dieser Zeit wie Mehmed IV. (1641–1692) waren von persönlichem Missionsgeist erfüllt und belohnten Übertritte von Christen und Juden zum Islam mit einem Geldbetrag, der als kisve bahası (Kleidergeld) bezeichnet wurde.23 Bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts bildeten die Muslime in Albanien und im Kosovo die Bevölkerungsmehrheit.24 Weitere Massenkonversionen zum Islam folgten noch Anfang des 18. Jahrhunderts auf dem Gebiet des heutigen Bulgarien in den Rhodopen25 sowie Ende des 18. Jahrhunderts unter der griechischen Bevölkerung von Kreta.26 Anfang des 19. Jahrhunderts kam dann jedoch der Islamisierungsprozess in Südosteuropa allmählich zum Stillstand.27
Ungefähr zeitgleich mit der Islamisierung Südosteuropas liefen auf der iberischen Halbinsel und in Osteuropa De-Islamisierungsprozesse ab. Auf der iberischen Halbinsel lebten Muslime um die Mitte des 15. Jahrhunderts nicht nur auf dem Gebiet des Emirats von Granada, sondern als zahlenmäßig nicht unbedeutende Minderheiten auch in den christlichen Königreichen von Kastilien, Aragon, Valencia und Navarra.28 Der spezielle Mudejar-Status erlaubte ihnen, ihre Religion in geschlossenen selbstverwalteten Gemeinden, den sogenannten aljamas, weiter auszuüben.29 Auch den Muslimen des 1492 eroberten Emirats von Granada wurde zunächst in den Kapitulationsbedingungen freie Religionsausübung zugesichert. Nach einem Aufstand im Jahre 1499 wurden sie jedoch unter Androhung der Todesstrafe gezwungen, das Christentum anzunehmen.30 Damit begann in der Geschichte der iberischen Halbinsel die Zeit des Krypto-Islam: Offiziell traten die Muslime von Granada zum Christentum über, doch übten sie im Geheimen ihre ursprüngliche Religion weiter aus.31 Nach dem Muster von Granada wurden nun nacheinander auch die Muslime von Kastilien (1501), Navarra (1515), Aragon und Valencia (1526) gezwungen, zum Christentum zu konvertieren oder auszuwandern. Zwar entwickelte sich bei den in Spanien verbliebenen und nun "Morisken" genannten Krypto-Muslimen im Laufe des 16. Jahrhunderts noch einmal ein bescheidenes kulturelles und religiöses Leben mit Arabisch und Aljamia, einem in arabischer Schrift geschriebenen Spanisch, als Literatursprachen,32 doch fand dieses ein jähes Ende, als die Muslime nach weiteren Aufständen in Granada zwischen 1609 und 1614 endgültig von der iberischen Halbinsel vertrieben wurden.33
Da Polen-Litauen Ende des 16. Jahrhunderts im Zuge der Gegenreformation ebenfalls zu einer restriktiveren Religionspolitik überging, gerieten hier die muslimischen Lipka-Tataren, die vor allem in der polnischen Armee dienten, unter starken Assimilationsdruck. Einige nutzten den Osmanisch-Polnischen Krieg von 1672, um sich auf islamisches Gebiet abzusetzen, andere konvertierten unter dem tatarenfreundlichen König Jan Sobieski III. von Polen (1629–1696) 1683 zum Katholizismus.34 Nach den 1680er Jahren kam es auch in Russland unter der wolgatatarischen Oberschicht, die auf von russischen Bauern besiedelten Gütern lebte, zu einer größeren Welle von Übertritten zum Christentum. Viele dieser neu getauften Tataren, die nur aufgrund der Androhung der Konfiskation ihrer Güter konvertiert waren, ihrer ursprünglichen Religion aber noch weiter anhingen, kehrten jedoch im frühen 19. Jahrhundert zum Islam zurück.35 Die Rückkehrbewegung der neugetauften Tataren war gegen Mitte des 19. Jahrhunderts in einigen Regionen so stark, dass sie den Charakter einer offenen Rebellion annahm.36 Da der Islam in der gleichen Zeit durch wolgatatarische Gelehrte und Scheiche zu den Baschkiren und Kasachen in den angrenzenden Steppengebieten getragen wurde, lässt sich das späte 18. und frühe 19. Jahrhundert insgesamt für die osteuropäische Ebene als eine Phase "sekundärer Islamisierung" bezeichnen.37
Wenn das 19. Jahrhundert auf gesamteuropäischer Ebene im Ergebnis trotzdem ein Jahrhundert der De-Islamisierung geworden ist, so liegt dies an den Massenemigrationen der Krimtataren nach dem Krimkrieg 1856 sowie der Balkan-Muslime in Folge des Russisch-Türkischen Krieges von 1877–1878, während derer Hunderttausende Muslime ihre Heimat in Richtung der unter osmanischer Herrschaft verbliebenen Gebiete Europas und Asiens verließen.38 Zwischen 1877 und 1912 wanderten allein aus Bulgarien 350.000 Muslime aus.39 Ein ähnlicher Massenexodus fand in Kreta statt: Durch kontinuierliche Emigration sank die muslimische Bevölkerung der Insel zwischen 1881 und 1911 von 73.000 auf 28.000.40 Weitere muslimische Auswanderungswellen aus Südosteuropa brachten der Balkankrieg 1912/1913 (ca. 1,4 Millionen Muslime)41 und die 1923 zwischen Griechenland und der Türkei geschlossene Konvention zum Bevölkerungsaustausch, aufgrund derer ca. 400.000 Muslime aus Griechenland ausgesiedelt wurden.42 Aber auch in der Zeit danach hielt die Auswanderungsbewegung noch an. So wanderten in den Jahren 1925 bis 1930 jährlich ca. 10.000 Muslime aus Bulgarien in die Türkei ein. Zwar sanken die Auswanderungszahlen in den frühen dreißiger Jahren, doch stiegen sie ab Mitte des Jahrzehnts wieder an (mit knapp 25.000 Auswanderern allein im Jahre 1935).43 Insgesamt sank der Anteil der Muslime an der bulgarischen Bevölkerung von 1881 bis 1946 von 28,8 auf 13,3 Prozent.44
Eine Konstante innerhalb der Geschichte des europäischen Islam scheint es zu sein, dass De-Islamisierungsprozesse in der einen Region mit Islamisierungsprozessen in anderen Regionen zeitlich korrelieren. Im frühen 20. Jahrhundert steht der De-Islamisierung Südosteuropas die Entstehung erster muslimischer Gemeinden in West- und Mitteleuropa gegenüber. Die größten muslimischen Gemeinden wuchsen in den britischen Hafenstädten Cardiff und South Shields (bei Newcastle) heran, wo sich nach der Eröffnung des Suezkanals 1869 auf britischen Schiffen arbeitende jemenitische und somalische Seeleute angesiedelt hatten.45 In Frankreich bildeten in der französischen Armee dienende Algerier das stärkste muslimische Bevölkerungselement.46 Allerdings gab es auch einzelne französische Konvertiten; die bekanntesten unter ihnen waren der Saint-Simonist Ismayl Urbain (1812–1884), der orientalistische Maler Etienne Dinet (1861–1929) und der Arzt und Politiker Philippe Grenier (1865–1944)[], der 1896 zum ersten muslimischen Deputierten der Französischen Nationalversammlung gewählt wurde.47 In Deutschland schlossen sich die in der Hauptstadt lebenden Muslime, die 41 verschiedenen Staaten angehörten, 1922 zur Islamischen Gemeinde Berlin e.V. zusammen.48 Es entwickelte sich in der Folge ein reges islamisches Gemeindeleben, dem sich auch deutsche Konvertiten anschlossen. Noch heute zeugt davon die ab 1924 gebaute und 1928 eröffnete Wilmersdorfer Moschee, die damals "Berliner Moschee" hieß.49
Islampolitik nicht-islamischer europäischer Staaten
Das Verschwinden der islamischen Staaten aus den verschiedenen Regionen Europas – von der iberischen Halbinsel bis 1492, aus Osteuropa im 16.–18. Jahrhundert und aus Südosteuropa zwischen 1829 und 1913 – brachte jeweils zahlreiche Muslime unter die Herrschaft nicht-islamischer Staaten. Die Politik gegenüber diesen muslimischen Minderheiten war sehr unterschiedlich und durchlief in den einzelnen Staaten auch verschiedene Phasen. Die ab 1499 beginnende und mit der Abschaffung des Mudejar-Status einhergehende Politik der Zwangskonvertierung in den christlichen Staaten der iberischen Halbinsel sowie die Ausweisung der dort verbliebenen krypto-muslimischen Minderheit zwischen 1609 und 1614 stellen zweifellos Höhepunkte der Intoleranz gegenüber Muslimen innerhalb der europäischen Geschichte dar. Unterdrückung und Zwangsmaßnahmen prägten aber weitgehend auch die russische Islampolitik bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Schon bei der Eroberung von Kasan im Jahre 1552 waren die Moscheen zerstört und die Tataren aus der Stadt verbannt worden.50 Das 1649 erschienene russische Gesetzbuch Sobornoye uloženiye bestimmte, dass ein Muslim, der einen Russen zum Islam zu bekehren versuchte, auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen sei.51 Übertritte zum Islam waren streng verboten.52 Die russisch-türkischen Kriege des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts verstärkten die islamfeindlichen Tendenzen im Land.53 In den 1740er Jahren kam es zu direkten Aktionen gegen den Islam: 1742 wurde befohlen, alle nach der Eroberung des Chanats von Kasan erbauten Moscheen zu zerstören, und die Errichtung neuer Moscheen wurde verboten. Schon zwei Jahre später wurde gemeldet, dass allein in Stadt und Kreis Kasan 418 der 536 Moscheen zerstört worden seien.54
Mit dem Toleranzedikt Katharinas II. (1729–1796) von 1773 wandte sich der russische Staat von der aggressiven Islampolitik ab und ging zu einer von der Aufklärung beeinflussten und auf die Staatsräson sowie die Eliminierung von Konflikten ausgerichteten pragmatischeren Haltung über.55 Im Anschluss an die Annexion der Krim wurde allen Muslimen Russlands erlaubt, zerstörte Moscheen wiederaufzubauen, und ihnen gleichzeitig aufgetragen, eigene Geistliche zu wählen.56 Zentrale Instrumente der neuen Islampolitik wurden der 1782 eingesetzte Mufti, der nun als geistliches Oberhaupt der Muslime des europäischen Russland und Sibiriens fungierte, sowie die 1788 geschaffene "Geistliche Versammlung" von Ufa, die unter die Aufsicht der Regionalbehörden gestellt wurde. Die Kompetenzen dieser "Geistlichen Versammlung" bestanden vor allem in der Prüfung der Mullahs, in der Aufsicht über die muslimischen Schulen sowie in der Entscheidung zivilrechtlicher Streitigkeiten nach dem islamischen Recht.57 Die Schaffung dieser von der Regierung kontrollierten Institutionen zielte darauf ab, den Einfluss ausländischer muslimischer Gelehrter (insbesondere aus Buchara) zurückzudrängen, eine staatstreue muslimische Gelehrsamkeit aufzubauen und die Integration der muslimischen Bevölkerung in das russische Reich zu befördern. Der größere geistige Spielraum, den die Regierung den muslimischen Tataren nun gewährte (1801 konnte in Kasan eine erste tatarisch-arabische Druckerei in Betrieb gehen), führte insgesamt zu einer Renaissance der islamischen Kultur und des traditionellen religiösen Denkens in Russland,58 aber auch zu den Apostasiewellen getaufter Tataren, von denen bereits die Rede war. Unter dem Eindruck dieser Abfallbewegung revidierte die russische Regierung um die Mitte des 19. Jahrhunderts ihre liberale Islampolitik, stellte die islamischen Schulen unter direkte staatliche Kontrolle und verhängte Zensurmaßnahmen.59
Als Bosnien 1878 unter die Verwaltung Österreich-Ungarns kam, beschritt die dortige Regierung beim Umgang mit den Muslimen einen ähnlichen Weg wie zuvor Russland, betrieb jedoch noch konsequenter deren Integration in den Staat. Um einen verlässlichen Ansprechpartner unter dieser Bevölkerungsgruppe zu haben, setzte sie 1882 zunächst einen vom Staat bezahlten muslimischen Geistlichen mit dem neu geschaffenen arabischen Titel Reis ul-Ulema (Oberhaupt der Gelehrten) ein. Er bekam einen Rat von vier muslimischen Rechtsgelehrten und Theologen an die Seite gestellt, der die Zuständigkeit für die Überwachung des Religionsunterrichts und die Prüfung der Kadis (Richter) erhielt. Durch die Schaffung dieser Institutionen sollte die Verbindung der bosnischen Muslime zum osmanischen Scheich-ül-Islam gelockert werden.60 Der nächste Schritt war 1883 die Einsetzung einer Kommission, die die von Familien verwalteten islamischen Stiftungen (vakuf), mit denen in Bosnien die Erhaltung von Moscheen, Schulen und Tekkes (Hospize religiöser Orden) finanziert wurde, unter Kontrolle brachte und für sie einen zentralen Finanzierungs- und Verwaltungsplan ausarbeitete.61 Für die Ausbildung der Kadis wurde 1887 in Sarajewo ein staatliches Institut für Scharia-Recht gegründet.62 Die Annexion Bosniens im Jahre 1908 machte eine grundsätzliche Neuregelung des Verhältnisses zwischen Muslimen und dem Staat erforderlich. Diese erfolgte mit dem Autonomiestatut von 1909 und dem sogenannten Islamgesetz von 1912, durch das die Muslime erstmals in der österreichisch-ungarischen Monarchie offiziell als Religionsgemeinschaft anerkannt wurden und damit auch das Recht auf eigene Krankenhäuser, schulischen Religionsunterricht und Militärseelsorge erhielten.63
Ein besonders eigenartiges Kapitel innerhalb der europäischen Geschichte staatlichen Umgangs mit dem Islam ist die Errichtung der Moschee von Wünsdorf in der Nähe von Berlin in den Jahren 1914/1915. Sie gehört in den historischen Zusammenhang der deutschen Propagandapolitik während des Ersten Weltkrieges, die darauf abzielte, Muslime aus aller Welt an der Seite der Mittelmächte und des Osmanischen Reiches zu einem "Heiligen Krieg" (dschihad) gegen die Entente-Mächte zu mobilisieren.64 Die Moschee von Wünsdorf war Teil eines Lagers für muslimische Kriegsgefangene aus Russland, Französisch-Nordafrika und Britisch-Indien, die man durch Propaganda und offen zur Schau gestellte Islamfreundlichkeit zum Überlaufen auf die Seite der Mittelmächte zu bewegen versuchte.65 Eine andere Moschee, die als Resultat der internationalen Politik einer westlichen Macht entstand, ist die 1926 eröffnete Moschee von Paris. Dieses Bauprojekt, das zum größten Teil durch den französischen Staat finanziert wurde, sollte den muslimischen Einwohnern der französischen Kolonien die positive Haltung des französischen Staates gegenüber dem Islam demonstrieren. Darüber hinaus hoffte man durch die Unterstützung einer loyalen Form des Islam den revolutionären Gruppen in Nordafrika den Wind aus den Segeln nehmen zu können.66
Während Jugoslawien und Bulgarien in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ihre muslimischen Minderheiten dadurch in den Staat zu integrieren versuchten, dass sie zentrale Ausbildungsstätten für die islamischen Geistlichen des Landes schufen,67 war in der Sowjetunion die Politik der Kommunistischen Partei von Anfang an darauf ausgerichtet, die religiösen Institutionen der Muslime (Scharia-Gerichte, Moscheen, Religionsschulen, Wohlfahrtseinrichtungen usw.) zu zerschlagen. Allerdings wurde diese Politik erst ab 1928 konsequent umgesetzt.68 Die Machtübernahme kommunistischer Regime in Jugoslawien, Bulgarien und Albanien am Ende des Zweiten Weltkrieges brachte es mit sich, dass dort bis 1950 ebenfalls die meisten religiösen Einrichtungen der Muslime geschlossen wurden.69
Islamische Positionen gegenüber dem nicht-islamischen Europa
Innerhalb der islamischen Jurisprudenz hat sich schon früh eine Theorie entwickelt, nach der die Welt grundsätzlich in zwei Zonen aufgeteilt ist: das islamische Herrschaftsgebiet (dar al-Islam), in dem die Normen der Scharia gelten, und das von Nicht-Muslimen beherrschte "Haus des Krieges" (dar al-harb), das als feindlich und einer legitimen Rechtsordnung entbehrend aufgefasst wird.70 Grundsätzlich trifft die islamische Gemeinschaft (umma) die Pflicht, durch militärischen Kampf (dschihad) das islamische Herrschaftsgebiet zu erweitern und auf diese Weise zur Ausbreitung der Religion beizutragen. Dauerhafte Friedensschlüsse mit dem von Nicht-Muslimen beherrschten Staaten lässt das klassische islamische Recht nicht zu, lediglich zeitlich begrenzte Waffenstillstände im Falle der eigenen Unterlegenheit.71 Menschen, die auf nicht-islamischem Territorium zum Islam übergetreten sind, sollten dem Vorbild des Propheten Muhammad (570–632), der im Jahre 622 die Auswanderung (hidschra) aus dem heidnischen Mekka vollzog, folgen und möglichst bald das dar al-harb verlassen.72 Diese völkerrechtliche Theorie, die hier nur in stark vereinfachter Form wiedergegeben werden kann, prägte auch über die gesamte Neuzeit die islamische Sicht auf die Beziehungen zum christlichen, bzw. säkularisierten Europa. So konnten beispielsweise die Osmanen ihre in erster Linie auf Beute angelegten Kriegszüge in Südosteuropa als dschihad deklarieren und sich dementsprechend durch ihre Eroberungen in der islamischen Welt hohes religiöses Ansehen als Glaubenskämpfer verschaffen.73
Viel häufiger allerdings waren die Muslime in Europa im Laufe der Neuzeit mit einem schrumpfenden dar al-islam und den dadurch hervorgerufenen Problemen konfrontiert. So stellte sich die Frage, ob nur Konvertiten oder auch im dar al-harb verbliebene Muslime wie die Mudejaren in das dar al-islam auszuwandern hätten. Hierzu vertraten die muslimischen Rechtsgelehrten unterschiedliche Positionen. Besonders bekannt geworden ist ein Rechtsgutachten (Fatwa) des maghrebinischen Gelehrten Ahmad al-Wanscharisi (1430–1508) aus der Zeit kurz vor dem Fall Granadas. Darin hatte der Gelehrte geurteilt, dass die auf christlichem Gebiet vollbrachten gottesdienstlichen Handlungen (Gebet, Almosen, Fasten) keine Gültigkeit hätten und die dort lebenden Muslime deshalb so schnell wie möglich in das nordafrikanische dar al-Islam auswandern müssten.74 Derartige Aufrufe islamisch-religiöser Autoritäten zur hidschra aus Gebieten, die von christlichen europäischen Staaten erobert worden waren, waren auch noch im 19. Jahrhundert und am Anfang des 20. Jahrhunderts bei den Tataren auf der Krim und in Bosnien zu vernehmen75 und bewirkten, dass die Auswanderungswellen, die in dieser Zeit stattfanden, einen religiösen Charakter erhielten. Allein bei den Tataren des Wolga-Ural-Gebietes gab es solche hidschra-Aufrufe nicht, weil sich hier schon im 17. Jahrhundert die Auffassung durchsetzte, dass die Wolga-Ural-Region selbst noch zum dar al-islam gehöre. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts ließ sich das damit begründen, dass die Muslime hier mit dem Mufti einen eigenen Führer hatten.76
Für die unter nicht-islamischer Herrschaft verbliebenen Muslime stellte sich die Frage, wie sie sich gegenüber der europäisch-christlichen Kultur ihrer Umgebung verhalten sollten. Die Versuchung, im Alltag die Gewohnheiten der Christen zu übernehmen, war offensichtlich groß. Der wolga-tatarische Prediger Abd ar-Rahim al-Bulghari (1754–1834) beklagte, dass die Muslime seiner Zeit Alkohol tränken und das Essen nicht mehr nach prophetischem Vorbild an einem auf den Boden gebreiteten Tischtuch einnähmen, sondern dabei in Angleichung an christliche Gewohnheiten auf Stühlen säßen. Die arabischen Texte der islamischen Tradition, die in der Diaspora in Lehrzirkeln und Medresen (Schulen) weiter gelesen wurden, hielten die Muslime dagegen dazu an, sich durch ihr Verhalten möglichst von den Angehörigen der "Ungläubigen" abzusetzen. Al-Bulghari warnte seine Glaubensbrüder vor der Imitation der russischen Lebensweise und gab zu bedenken, dass derjenige, der die Sitten der Ungläubigen übernehme, selbst einer von ihnen werde.77 Noch im 20. Jahrhundert lehnten die muslimischen Gelehrten in Bosnien mit dem gleichen Argument das zu dieser Zeit in Europa verbreitete Huttragen ab.78
Mit derartigen Vorbehalten gegenüber einer Assimilation an die nicht-islamische Umgebung hatten sich auch all diejenigen muslimischen Gelehrten auseinanderzusetzen, die für eine Modernisierung des Bildungskanons an den muslimischen Schulen eintraten. 1818 äußerte der Mufti von Ufa, Muhammaddschan, dem russischen Minister für Volksaufklärung gegenüber, dass die herkömmlichen Medresen den Muslimen keine hinreichende Ausbildung in den Wissenschaften böten, und schlug die Einrichtung von zwei Lehranstalten in Kasan und Orenburg vor, die den Muslimen europäische Bildung vermitteln sollten. Da sich jedoch die von den russischen Behörden zu der Angelegenheit befragte muslimische Geistlichkeit gegen diesen Plan stellte und den Mufti der Häresie bezichtigte, scheiterte das Projekt.79 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert fand jedoch der Gedanke einer Annäherung an das russisch-europäische Bildungssystem bei den tatarischen Gelehrten allmählich mehr Anhänger. Dies war unter anderem dem Wirken des Kasaner Imams und Gelehrten Schihab ad-Din al-Mardschani (1818–1887) zu verdanken, der in seinen Schriften die religiösen und nationalen Traditionen der Tataren radikal in Frage stellte und die Isolation der muslimischen Gelehrten zu überwinden suchte.80 Einer der radikalsten religiösen Reformdenker bei den Tataren war der an einer Medrese in Orenburg lehrende Musa Dscharullah Bigi (1875–1949), ein Schüler des ägyptischen modernistischen Theologen Muhammad Abduh (1849–1905).81 In einer Schrift aus dem Jahre 1912 führte Bigi die Fortschrittlichkeit des christlichen Europa auf die von Martin Luther (1483–1546) in Gang gesetzte Reformation zurück und rief die Muslime dazu auf, sich in ähnlicher Weise von der Bevormundung durch ihren Klerus zu befreien. Bigis Bücher wurden nicht nur von den Muslimen Russlands gelesen, sondern auch im Osmanischen Reich. Nach einer Beschwerde aus dem Amt des Scheich-ül-Islams wurden sie dort jedoch vom Innenministerium wegen ihres "gefährlichen und häretischen Inhalts" verboten.82
Modernisierer traten auch bei den Muslimen auf dem Balkan auf.83 Einer der wichtigsten von ihnen war Džemaludin Čaušević (1870–1938), der von 1914 bis 1930 als Reis ul-Ulema fungierte.84 Er war ebenfalls Schüler Muhammad Abduhs und wollte in seinem Sinne den Islam mit zeitgenössischen europäischen Konzepten und Werten in Einklang bringen und die Muslime für Fortschritt und weltliche Bildung gewinnen. Seine Neuerungen, darunter die Erklärung, dass Frauen die Entschleierung des Gesichts erlaubt sei, stießen jedoch bei der islamischen Gemeinde von Sarajewo auf starke Ablehnung und riefen Rücktrittsforderungen hervor. Ganz anders war die Stimmungslage indessen zur gleichen Zeit in Albanien, wo säkularistische Intellektuelle, die zum Teil der liberalen Bektaschija-Bruderschaft angehörten, den Diskurs über den Islam beherrschten. Nach ihrer Auffassung konnten allein radikale Reformen, wie sie Mustafa Kemal Atatürk (1881–1938) in der Türkei durchgeführt hatte, das Überleben des Islam im modernen Europa garantieren. Als Zeichen für die Zugehörigkeit der Muslime zur europäischen Zivilisation verbot hier die Islamische Gemeinschaft 1929 mit staatlicher Unterstützung den weiblichen Gesichtsschleier.85 Um das Projekt der Entwicklung eines europakompatiblen Islam zu verwirklichen, arbeitete sie mit Missionaren der Lahori-Ahmadiyya-Gemeinschaft, die von Berlin und London aus operierten, zusammen. Stolz verkündete 1930 der albanische Botschafter Ilyas Vrioni (1882–1932) an der Moschee von Paris, dass sein Land "eine Festung der islamischen Traditionen in Europa" sei.86 Damit kündigt sich bereits die Entwicklung hin zu der Idee eines europäischen Islam an, wie sie am deutlichsten auf dem "Kongress der Muslime Europas" formuliert wurde. An diesem Kongress, der von dem Libanesen Schakib Arslan (1869–1946) organisiert wurde und im September 1935 in Genf stattfand, nahmen fast 70 muslimische Delegierte aus verschiedenen europäischen Ländern teil.87