Wissensräume

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Anatomisches Theater

Das Anatomische Theater ist eine medizinische Zentralinstitution der Frühen Neuzeit. Konzipiert und realisiert als Ort der medizinischen Lehre wurde es von Universitäten, ärztlichen Korporationen und Chirurgengilden mit Unterstützung städtischer und territorialer Obrigkeiten eingerichtet und betrieben. Ziel war es, auf der Grundlage von Sektionen den Bau des menschlichen Körpers zu demonstrieren, um damit ebenso medizinisches Grundlagenwissen zu vermitteln, wie einen Beweis für die göttliche Schöpfung zu liefern, auf die Endlichkeit des menschlichen Lebens zu verweisen und letztlich die Selbsterkenntnis des Zuschauenden zu befördern. Über die Grundfunktion einer anschaulichen Lehre ergaben sich auf dem Anatomischen Theater überdies nachhaltige Impulse für das medizinische Sammeln und Forschen.
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Botanischer Garten

Botanische Gärten stellen zugleich künstliche wie natürliche Räume für das gelenkte Aufeinandertreffen des Menschen mit der Natur dar. Sie ermöglichen einzigartige Begegnungen nicht nur mit Pflanzen, sondern auch mit dem dazu jeweils gültigen Wissen. In der Tat ist es der explizite Wissensbezug, der den botanischen Garten seit Anfang des 16. Jahrhunderts von anderen Gartenformen unterscheidet, denn in ihm wird mithilfe lebendiger und getrockneter Pflanzensammlungen botanisches Wissen hervorgebracht. Darüber hinaus begründete er einen auf "Betrachtung" ausgerichteten Lern- und Bildungsort. Die Forschung, das Studium, die Vermittlung, Gestaltung und Aneignung botanischen Wissens waren im Laufe von vier Jahrhunderten in jeweils unterschiedlichen Zusammenhängen einem Wandel unterworfen. Die Funktionen des botanischen Gartens veränderten sich. Der Garten Eden oder die Arche Noah dienten als erste symbolträchtige Bezüge. Bildeten beide zunächst nur eine Vision, so gewannen sie ab dem 18. Jahrhundert neuen Einfluss, indem sie für die Öffentlichkeit gelungene Referenzfolien darstellten. Ihre globale Relevanz bezogen die botanischen Einrichtungen – wie der berühmte Garten, den Botaniker Carl von Linné (1707–1778) in Uppsala leitete – aus der utopischen Vorstellung, eine Gesamtschau der Pflanzenwelt erreichen zu können. Seit dem letzten Jahrhundert wurden botanische Gärten mehrheitlich einem Erhaltungsprogramm gefährdeter Arten gewidmet. Weltweit öffentlich zugänglich und heute in mehr als 1400 Standorten vertreten, erweist sich der botanische Garten als florierende, multifunktionale Wissens- und Forschungseinrichtung.
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Hospital / Krankenhaus

Das Krankenhaus ist ein typischer Sonderort der Moderne: Versammelt werden kranke Menschen im Sinne einer idealiter sozial und weltanschaulich indifferenten wissenschaftlichen Medizin und mit dem ausschließlichen Ziel, diese Menschen zu heilen, um sie so rasch und nachhaltig wie möglich aus dem Krankenhaus wieder entlassen zu können. Konstitutiv ist der nicht dauerhaft, sondern vorübergehend konzipierte Ausschluss aus der ubiquitär vorgestellten Gemeinschaft der Gesunden und der gleichzeitige Einschluss in einen durch medizinisches Wissen und daraus abgeleitete Verfahren dominierten Raum. Der in den Dimensionen "Einschluss und Ausschluss" sowie "medizinisches Wissen und Krankheitserfahrung" in historischer Perspektive beschreibbare Raum "Hospital/Krankenhaus" umreißt einen zentralen Treffpunkt wie auch die kritische Weggabelung zwischen unterschiedlichsten Menschen, zwischen Erkrankten und Heil-, Verwaltungs- und geistlichem Personal, zwischen Gesundheit und Krankheit, zwischen Medizin und Gesellschaft.
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Kunstkammern

Die universal angelegten Sammlungsräume der Kunst- und Wunderkammern sind eine Besonderheit der Vormoderne. In ihnen wurden Artefakte und natürliche Gegenstände als Abbild des Makrokosmos einer neuen irdischen Ordnung en miniature präsentiert. Sie sind zudem als Wahrnehmungsphänomen zu begreifen, da ihre beinahe endemische Ausbreitung auf dem europäischen Kontinent – ausgehend von Italien und speziell im deutschen Reich – im Zusammenhang mit einem neuen Bewusstsein für den Raum steht. Besonders die Entdeckung der Zentralperspektive in der Renaissance spielte eine maßgebliche Rolle bei der Entstehung der Wunderkammern. Die bedeutendsten und kostbarsten Sammlungen wurden von bzw. in Fürstenhäusern angelegt und dienten mindestens bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts überwiegend der Repräsentation. Im Gegensatz dazu wurden kleinere Wunderkammern von forschenden Patriziern und Gelehrten gegründet, die möglicherweise als Pioniere dieses Sammlungsphänomens gelten können. Darüber hinaus waren vor allem der zunehmend weltumspannende Handel, die Wiedergeburt der Antike, eine zunehmende profanierte Naturbeobachtung sowie die Besinnung auf genealogische und kulturelle Wurzeln für die Durchsetzung der Kunstkammern wichtig. Die Hochphase dieser Universalkollektionen erstreckte sich von nach 1500 bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Die Spezialsammlungen heutiger Museen entstanden dagegen weitgehend unabhängig von den holistischen Weltmodellen, wie sie in den Kunstkammern inszeniert wurden.
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Labor

Das Labor ist ein exemplarischer Ort der Moderne. In ihm treffen Mensch und Maschine, Organismen und Mechanismen, Körper und Technik aufeinander, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse hervorzubringen. Die Anfänge des Labors reichen jedoch bis in die Frühe Neuzeit zurück. Besonders die Werkstätten von Alchemisten und Apothekern waren es, die seit dem 17. Jahrhundert als Laboratorien bezeichnet wurden. Im Zusammenhang der Universitätsreform des 19. Jahrhunderts avancierten die Laboratorien der Chemie, Physik und Biologie in zunehmender Weise zu echten Forschungsstätten. National geprägte Laborkulturen befruchteten sich dabei wechselseitig, standen aber auch im Wettbewerb miteinander, wie das Beispiel der deutsch-französischen Beziehungen zeigt. Bis in die Gegenwart bestimmen das Labor und seine Ikonographie unser Verständnis von wissenschaftlicher Praxis. Zugleich befindet sich das Labor in einem Prozess der Auflösung und Streuung, der an internationalen Großprojekten wie der "Human Genome Initiative" oder den gigantischen Teilchenbeschleunigern der aktuellen Physik greifbar wird. Das Labor hat Geschichte gemacht als weitgehend geschlossener Raum. Seine Zukunft scheint wieder offen zu sein.
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Popularisation of Science

In recent decades historians and sociologists of science have significantly revised their views on how science relates to popular culture. They have replaced the model in which scientific knowledge is disseminated to a passive audience with one in which there is constant two-way interaction between the scientific community and the public. For much of the time since the emergence of modern science in the seventeenth century those who investigated nature operated in an environment where relating their work to patrons and supporters influenced how that work was done. The image of a professional scientific community remaining aloof from the public and relying on science writers and journalists to disseminate a simplified report of their research findings could not be applied to these early periods and was never truly valid even for the late twentieth century. This article outlines the new interpretation of the relationship between science and the public and surveys changes in how the interaction worked from the seventeenth century to the present. Initially there was no professionalized scientific community and those who studied nature had to arouse the interest of aristocratic patrons and eventually larger groups who could provide financial support. In the mid-nineteenth century it was still taken for granted that scientists were public intellectuals who engaged in debates about the wider implications of their work. Major theoretical initiatives were launched in books that could be read by the educated layperson. Even when a professionalized scientific community emerged at the end of the nineteenth century, a significant proportion of scientists still saw it as their duty to encourage support for their work by writing educational material for non-specialist readers. Although many abandoned this responsibility temporarily in the later twentieth century, recent developments have again shown the scientific community that it is necessary to engage with public concerns about the impact of applied science.
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Pseudowissenschaft

Mit der Zuschreibung "Pseudowissenschaft" wird ausgesagt, dass eine Person oder eine Gruppe die Bezeichnung "Wissenschaft" sowie den damit verbundenen gesellschaftlichen Status zu Unrecht für ihre Tätigkeiten in Anspruch nimmt. Das Präfix "pseudo-" stammt vom griechischen ψεύδειν ("betrügen, lügen, täuschen"). Der Vorwurf der Pseudowissenschaft zielt demnach auf eine betrügerische Anmaßung von Wissenschaftlichkeit. Der Begriff ist in erster Linie wertend, sein deskriptives und analytisches Potential wird in der Wissenschaftstheorie heute als gering veranschlagt. Während Versuche, die Bezeichnung normativ zu bestimmen, zum Scheitern verurteilt zu sein scheinen, ist eine Untersuchung des historischen Gebrauchs begriffsgeschichtlich interessant. Eine Darstellung der unterschiedlichen theoretischen Konzepte und empirischen Zuschreibungen von Pseudowissenschaft über längere Zeiträume hinweg sowie im interkulturellen, transnationalen Vergleich von Wissenschaftssystemen kann den historischen und kulturellen Wandel in den Konzepten von Wissenschaftlichkeit ex negativo erschließen.
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Salon

In Salons pflegten Frauen seit dem 16. Jahrhundert eine spezifische Form der Konversationsgeselligkeit und meldeten in einem durch die Ideale der honnête femme abgesteckten Rahmen zugleich ihre Teilhabe an der res publica litteraria an. Neben einer internationalen frankophonen Salontradition entwickelten sich muttersprachliche Salons mit teils modifizierten Strukturen. Vielfach untereinander vernetzt, doch auch mit literarischen und musikalischen Kreisen sowie kulturellen Institutionen (Akademien, Theatern, Museen usf.), waren die Salons bis zu den Umbrüchen des frühen 20. Jahrhunderts Ausdruck und Medium einer europäischen Konversations- und Persönlichkeitskultur und leisteten ihren Beitrag zur Emanzipation der Frau.
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Universitätssammlungen

Europäische Universitäten beherbergen eine Vielfalt an Sammlungen, die für die akademische Traditionsbildung, für die Entstehung und Ausdifferenzierung einzelner Disziplinen sowie für die konkrete Praxis in Forschung und Lehre von großer Bedeutung waren und sind. Von Seiten der Wissenschaftsgeschichte wurden diese Sammlungen lange Zeit vernachlässigt, bis sich im Zuge des in den letzten Jahren gestiegenen Interesses an der materiellen Dimension von Wissenskulturen die Beschäftigung mit ihnen intensiviert hat. So lassen sich vermehrt Versuche beobachten, Bestände und Objektgruppen zu erfassen, Funktionen und Gebrauchsweisen zu analysieren und die Geschichte einzelner Sammlungen und Objekte aufzuarbeiten. Grundlegende Forschung zur gesamteuropäischen Dimension der Universitätssammlungen steht indes noch aus. Der vorliegende Artikel versteht sich vor diesem Hintergrund ebenso als ein erster historischer Überblick wie als Versuch einer Typologie der europäischen Sammlungslandschaft.
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Weltausstellungen

Die Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts stellen das mediale Äquivalent zum World Wide Web der Gegenwart dar. Aufgrund des enormen, alle anderen Medienformen übertreffenden Besucheraufkommens kann ihre historische Wirkmächtigkeit kaum überschätzt werden. Seit der Eröffnung der Londoner "Great Exhibition of the Works of Industry of All Nations" im Mai 1851 wurden große Ausstellungen periodisch in fast allen Metropolen der westlichen Welt abgehalten. Ziel war es, einem internationalen Publikum für einen begrenzten Zeitraum an einem fest umrissenen Ort eine möglichst maßstabsgetreue Miniaturversion der Welt zu präsentieren. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die historische Entwicklung dieses Massen- und Metamediums des 19. Jahrhunderts, skizziert seine wichtigsten Formen, Funktionen und Folgen und diskutiert zuletzt, inwiefern die in Europa abgehaltenen Weltausstellungen seit Beginn des 20. Jahrhunderts sukzessive an Bedeutung verloren haben.
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