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Der Begriff "Abolitionismus" und der Beginn einer kritischen Reflexion über die Sklaverei
Unter dem Begriff "Abolitionismus" wird der organisierte Protest gegen den europäischen Sklavenhandel und die Sklaverei als Arbeitssystem der Kolonien in der Neuen Welt verstanden, der erstmals in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im angloamerikanischen Raum aufkam.1 Einerseits waren es moralische Einwände der Aufklärer, z.B. seitens Charles Baron de Montesquieus (1689–1755), und das naturrechtliche Konzept von Freiheit und Gleichheit (formuliert u.a. von den schottischen Aufklärern Francis Hutcheson (1694–1747), Adam Ferguson (1723–1816), Adam Smith (1723–1790) oder auch in der französischen Aufklärung u.a. von Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), von Guillaume Thomas François Abbé Raynal (1713–1796) und als Grundgedanke der Encyclopédie), die den Diskurs des Protestes vorbereiteten. Andererseits kristallisierte sich in den nonkonformistischen protestantischen Bewegungen, zuerst und vor allem unter den Quäkern (Society of Friends), die Überzeugung heraus, die Sklaverei stehe im Widerspruch zur christlichen Lehre.2
Zwar lehnten Menschen auch im Mittelalter die Knechtschaft ab und waren mit dem christlichen Grundsatz der Gleichheit aller vor Gott vertraut.3 Dies rief jedoch noch keine eingehende kritische Reflexion über den Widerspruch zur Sklaverei hervor. Eine solche begann ab dem 15. Jahrhundert, bezog sich aber zuerst nur auf die Versklavung der eigenen ethnischen und religiösen Gruppe, auch im europäischen Rahmen. So begannen sich Engländer spätestens im 17. Jahrhundert aufgrund ihrer englischen Geburt als frei und nicht versklavbar wahrzunehmen.4 Auf Angehörige glaubensfremder, außereuropäischer Kulturen erstreckte sich diese Empfindung des Rechts auf Freiheit jedoch noch nicht. Der Denkrahmen des römischen ius gentium,5 der Versklavung von Nichtbürgern etwa als Folge eines Krieges erlaubte, wirkte weiter und stützte somit den profitablen transatlantischen Sklavenhandel mit Afrikanern und Afrikanerinnen.6
Um 1770 waren die Inseln der Britischen Karibik wirtschaftlich fast vollkommen vom Einsatz von Sklaven, die über 80 Prozent der dortigen Bevölkerung ausmachten, abhängig. Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate waren die Pflanzer hier, anders als in den Kolonien des nordamerikanischen Festlandes, wo die natürliche Reproduktion den Bedarf an Arbeitskräften deckte, an der Aufrechterhaltung des Sklavenhandels interessiert. Britische Händler profitierten sowohl vom transatlantischen Sklavenhandel als auch vom Handel mit den von Sklaven gewonnenen Rohstoffen. Ähnlich verhielt es sich mit den Franzosen, Spaniern und Niederländern.7
Der Status von Sklaven und Sklavinnen in Europa im 18. Jahrhundert
In Europa selbst war die Anwesenheit afrikanischer Sklaven und Sklavinnen jedoch wenig erwünscht. Bereits im 16. Jahrhundert kam es hier zu vereinzelten Fällen der Sklavenemanzipation. So befreite das Parlement8 von Guyenne eine Schiffsladung von Sklaven, die in Bordeaux zum Verkauf angeboten wurden, mit dem Hinweis darauf, dass "Frankreich, die Mutter der Freiheit, keine Sklaverei erlaubt".9 Es gab auch Unsicherheit darüber, wie mit Sklavenhaltern, die ihre Sklaven und Sklavinnen in das Mutterland mitbrachten, zu verfahren sei. In Frankreich sah ein königliches Edikt von 1716 vor, dass die Eigentumsrechte des Sklavenhalters dann garantiert wurden, wenn er sich nur vorübergehend im Land aufhielt und seine Sklaven und Sklavinnen zum Zweck der religiösen Bildung oder des Erlernens eines Handwerks nach Frankreich brachte. Hielt sich der Eigentümer aber nicht an die Formalitäten des Ansuchens und der Registrierung der betreffenden Sklaven und Sklavinnen, dann hatten jene das Recht, ihre Freiheit einzuklagen. Nicht alle Parlements nahmen jedoch die Geltung dieses Edikts in ihrem Jurisdiktionsbereich auf, so dass die Frage, ob das Betreten europäischen Bodens die Emanzipation bedeutete, jeweils in Rechtsverfahren zu klären war. Einigen Sklaven gelang auf diesem Weg die Befreiung, allerdings inmitten eines rassistischen Diskurses über die Duldung einer freien farbigen Bevölkerung im Land. Schließlich verbot die Verordnung Police des Noirs von 1777 den Aufenthalt von freien Farbigen ebenso wie den von Sklaven in Frankreich. Allerdings wurde auch diese Regelung nicht überall umgesetzt, es wurden Ausnahmen gewährt und in neuen Gerichtsurteilen weiterhin Sklaven befreit.10
Auch in England setzte man sich mit dem Problem mitgebrachter − und dann entflohener − Sklaven und Sklavinnen auseinander. Obwohl es hier Sklavenmärkte gab, tendierten die Gerichtsurteile dazu, den Status versklavter Personen nicht als Sklaverei im vollen Umfang (chattel slavery), sondern im Sinne der in England existierenden Knechtschaft (servitude) als slavish servitude oder near slavery auszulegen und die willkürliche Macht des Eigentümers über seine Sklaven, einschließlich brutaler Bestrafung, abzulehnen.11 Dennoch wurde auch die Meinung vertreten, dass Sklaven frei seien, sobald sie Fuß auf englischen Boden setzten, so z.B. von Sir William Blackstone (1723–1780) in der ersten Ausgabe seiner Commentaries on the Laws of England (1765).12 Den größten Bekanntheitsgrad in Bezug auf diese Frage erreichte der sogenannte Somerset Case von 1772.13 Hier ging es um den Sklaven James Somerset, der seinem Besitzer während dessen Aufenthalt in England entflohen war, wieder gefangen genommen wurde und nach Jamaika weiterverkauft werden sollte. Londoner Abolitionisten, allen voran Granville Sharp (1735–1813),14 setzten sich für Somerset ein. Der oberste Richter des Court of King's Bench Lord Mansfield (1705–1793) entschied am 22. Juni 1772, dass er nicht zur Rückkehr in die britischen Kolonien und damit in die Sklaverei gezwungen werden könne. Die in Zeitungen und Zeitschriften weit verbreitete Entscheidung – im angloamerikanischen Raum gab es schon zu dieser Zeit ein ausgedehntes und wenig zensiertes Kommunikationsnetzwerk15 – betonte, dass Sklaverei nur durch positives Recht, also durch das Parlament, in England und seinen Kolonien autorisiert werden könne, sich aber nicht aus dem bestehenden Common Law ableiten lasse. Da in England ein solches Gesetz nicht existiere, sei Somerset freizulassen.
Der Somerset-Fall gab den Anstoß zu einer transatlantischen Kooperation von Abolitionisten in den nordamerikanischen Kolonien und dem Mutterland England.16 Dass in Portugal ein Jahr später die Emanzipation der Nachkommen portugiesischer Sklaven verfügt wurde, fand allerdings bedeutend weniger Resonanz im transatlantischen Raum.17
Der Beginn der Abolitionsbewegung in Nordamerika und Großbritannien bis zum Verbot des Sklavenhandels im Jahr 1807
Bereits vor dem Gerichtsurteil im Somerset-Fall hatte es in Großbritannien und Nordamerika Bekundungen gegen die Sklaverei gegeben.18 In Germantown (Pennsylvania) hatten Quäker 1688 die erste bekannte Resolution gegen die Sklaverei verabschiedet. In den 1750er Jahren setzte sich John Woolman (1720–1772) in Philadelphia gegen den Sklavenhandel und die Sklavenhaltung unter Quäkern ein19 und 1758 verboten die Quäker Philadelphias ein Engagement ihrer Glaubensbrüder im Sklavenhandel. Ähnliche Beschlüsse, die zunehmend auch den Besitz von Sklaven ablehnten, wurden später in anderen Quäkerversammlungen in Neuengland und 1761 auch in London gefasst. Anthony Benezet (1713–1784), der aus Frankreich über London nach Philadelphia emigriert war, gab schließlich den Anstoß zu einer umfassenderen Agitation gegen die Sklaverei. Sklavenhandel und Sklavenbesitz sollten nicht nur bei den Quäkern verboten sein, sondern im ganzen britischen Empire abgeschafft werden. In diesem Zusammenhang korrespondierte er 1772 im Umfeld des Somerset-Falls mit dem Briten Granville Sharp. Er schlug eine Petition der Einwohner Marylands und Virginias gegen den Sklavenhandel vor. Sharp riet, diese an den König und nicht an das britische Parlament zu richten, um damit nicht indirekt die Autorität des Parlaments über die Kolonien anzuerkennen. Auch sollten die Quäker versuchen, in den Kolonien die Erhöhung der Einfuhrsteuern auf Sklaven zu erreichen, um den Sklavenhandel unattraktiv werden zu lassen. Sharp selbst wandte sich in dieser Sache an die britische Regierung, man ignorierte ihn allerdings.20 1775 wurden dann die ersten Antisklaverei-Vereine in Philadelphia, New York und anderen amerikanischen Städten gegründet.
Die von Sharp geplanten Maßnahmen zur Beschränkung der Einfuhr von Sklaven und Sklavinnen waren zu dieser Zeit kein überaus kontroverses Thema. Es herrschte vor allem in den nördlichen Kolonien des nordamerikanischen Festlandes vielfach die Meinung vor, dass der Anteil der Sklavenbevölkerung hoch genug sei. Dementsprechend fand auch das Verbot des Sklavenhandels nach der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten Eingang in die Bundesverfassung von 1787. Die Gültigkeit dieses Verbotes erst ab 1807 reflektierte allerdings den allgemeinen Kompromisscharakter der amerikanischen Verfassung in Bezug auf die Sklaverei.21
Seymour Drescher hat in seinem kürzlich erschienenen Überblick zur abolitionistischen Bewegung und den politischen Maßnahmen zur Abschaffung der Sklaverei die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten 1776 als einen (zeitweiligen) Rückschlag für die Antisklavereibewegung beurteilt. Die englischen Abolitionisten hätten die politische Unterstützung für die Beendigung des Sklavenhandels innerhalb des Empire verloren, die amerikanischen das politische Gewicht eines sklavenfreien europäischen Staates für eine internationale Regelung der Frage.22 Zudem habe der Unabhängigkeitskrieg vorerst alle abolitionistischen Bestrebungen auf beiden Seiten des Atlantiks überdeckt. Andererseits hat Christopher Leslie Brown darauf hingewiesen, dass es gerade die amerikanische Revolution war, die die Aufmerksamkeit auf "den moralischen Charakter der kolonialen Institutionen und imperialen Praktiken" lenkte und damit den Anstoß zum aktiven Abolitionismus in Großbritannien gab.23
Die Quäker, die ein transatlantisches Netzwerk bildeten,24 blieben in der Antisklavereibewegung weiterhin stark präsent. Benezet hatte bereits Anfang der 1770er Jahre den Kontakt zu den Briten gesucht, und John Woolman nahm 1772, kurz vor seinem Tod, an der Londoner Jahresversammlung der Quäker teil.25 Nach dem Friedensschluss Großbritanniens mit den Vereinigten Staaten waren die britischen Quäker 1783 schließlich auf Anregung ihrer amerikanischen Glaubensbrüder dazu bereit, eine Petition gegen den Sklavenhandel an das Unterhaus zu richten und eine entsprechende Schrift an den König zu schicken.
In den unabhängigen USA breitete sich unterdessen die Antisklavereibewegung besonders in den nördlichen Staaten aus, wo es nur wenige Sklaven und kein Plantagensystem gab. Es entstanden neue Vereine, etwa 1787 die Philadelphia Society for Promoting the Abolition of Slavery unter Benjamin Franklin (1706–1790), die Petitionen an die Einzelstaaten und auch an den Bundeskongress stellten, hier zur Abschaffung des Sklavenhandels bzw. der Partizipation amerikanischer Staatsbürger an diesem. Häufig waren auch sogenannte Manumission Societies in den Nord- wie auch den Südstaaten, die Sklavenhalter dazu bewegen wollten, ihre Sklaven und Sklavinnen aus eigenem Antrieb die Freiheit zu schenken.26 1794 fand die erste Zusammenkunft verschiedener nordamerikanischer Antisklaverei-Vereine in Philadelphia statt, um ihre Aktivitäten zu koordinieren. Einige Nordstaaten begannen die Sklaverei schrittweise abzuschaffen und forderten auch die vorzeitige Beendigung des Sklavenhandels.27
Diese amerikanischen Entwicklungen beeinflussten wiederum die britischen Abolitionisten. 1787 entstand die erste englische Antisklavereiorganisation, das London Abolition Committee, dessen Vorsitzender Granville Sharp wurde.28 Führend waren hier auch der englische Politiker William Wilberforce (1759–1833), der wiederholt Gesetzesvorlagen im Parlament einbrachte,29 sowie Thomas Clarkson (1760–1846), der Organisator der Gesellschaft, der durch die Lektüre von Anthony Benezets Some Historical Account of Guinea (1771) für die Sache des Abolitionismus gewonnen wurde und eingehende Untersuchungen über die Behandlung von Sklaven auf der transatlantischen Überfahrt durchführte.30 Schnell entstanden Ortsvereine, die unter dem ebenfalls 1787 gegründeten und bis 1807 aktiven Dachverein Society for Effecting the Abolition of the Slave Trade miteinander verbunden waren. Das Londoner Komitee verlegte sich insbesondere auf das Lobbying von Politikern, während das Manchester Abolition Committee Petitionen an das Parlament gegen den Sklavenhandel organisierte.31 Die Abolitionisten reichten Gerichtsklagen ein und organisierten ab 1791 einen Boykott des von Sklaven und Sklavinnen produzierten Zuckers.
In den 1790er Jahren erlebte der britische Abolitionismus dann allerdings aufgrund der Französischen Revolution – der Unterstützung englischer Jakobiner für die Abschaffung des Sklavenhandels und des Ausbruchs des Krieges gegen Frankreich – einen Einbruch. Auch musste sich Thomas Clarkson aus Gesundheitsgründen vorübergehend aus der Bewegung zurückziehen.32
1804 wurden die britischen Abolitionisten aber wieder aktiv und es gelang ihnen, die Abschaffung des Sklavenhandels und später der Sklaverei zur Frage des nationalen und damit patriotischen Interesses zu erheben. Mit ihrer regen Öffentlichkeitsarbeit durch die Publikation von Traktaten und Broschüren, die Herausgabe eigener Vereinszeitungen und die Organisation von Vorträgen sowie Massenversammlungen zur Sammlung von Unterschriften für die Petitionen gelang ihnen eine Massenmobilisierung, die es vor dieser Zeit in den Vereinigten Staaten und auch auf dem europäischen Kontinent so nicht gegeben hatte.33
Wie in Amerika war auch in Großbritannien die Basis in nonkonformistischen protestantischen Bewegungen bemerkenswert. Vor allem Quäker, Unitarier und Methodisten, hier allen voran der Kirchengründer John Wesley (1703–1791),34 nutzten im Zuge ihres Einsatzes für eine Vielfalt von Reformen bereits vorhandene Netzwerke.35 Auch die evangelikale Bewegung, die allen, die sich zu Gott bekehrten, ungeachtet ihrer Herkunft und Kultur Gnade verkündigte, spielte eine wichtige Rolle bei der Abschaffung der Sklaverei.36 Die Historiker sind sich allerdings uneins in der Frage, welche Bedeutung – neben dieser religiösen und humanitären Motivation – die soziale Basis der Aktivisten und Aktivistinnen in der Mittelschicht und als Unternehmer hatte, inwiefern also ihr Bekenntnis zu einem freien Arbeitsmarkt37 und freiem Außenhandel im Sinne der Stärkung der Finanzmacht Großbritanniens im kapitalistischen System ihr Engagement als Abolitionisten beeinflusste.38 Ihren ersten großen Erfolg konnten sie jedenfalls mit dem britischen Verbot des transatlantischen Sklavenhandels im Jahr 1807 feiern.39
Abolitionismus in Frankreich
Auf dem europäischen Kontinent gab es zwar einzelne Stimmen gegen die Sklaverei, eine so breit organisierte Vereinstätigkeit wie im angloamerikanischen Raum kam hier jedoch nicht zustande. Nur in Frankreich, das eine wechselvolle Geschichte der Abschaffung der Sklaverei in seinen karibischen Kolonien erlebte, machte sich der britische Einfluss bemerkbar und führte zu einer abolitionistischen Bewegung, wenn auch in bescheidenerem Format. 1788 entstand die von dem Journalisten Jacques-Pierre Brissot de Warville (1754–1793) auf Betreiben der englischen Society for Effecting the Abolition of the Slave Trade initiierte Société des Amis des Noirs.40 In dieser Gesellschaft engagierten sich auch Marie Jean Antoine Nicolas Caritat, Marquis de Condorcet (1743–1794), der 1781 die Réflexions sur l'esclavage des nègres41 veröffentlicht hatte, der spätere Revolutionär Abbé Grégoire (1750–1831), Honoré-Gabriel Riqueti, Comte de Mirabeau (1749–1791) und Marie Joseph Motier, Marquis de Lafayette (1757–1834), der im südamerikanischen Guyana ein Emanzipationsprojekt unternommen hatte.42 Anfangs war der Verein durch die Zensurbestrebungen der Monarchie in seiner Arbeit stark eingeschränkt. Die Vereinszeitung Analyse des papiers Anglais durfte nur unter der Bedingung erscheinen, dass sie Übersetzungen der Aktivitäten der Briten abdruckte.43 Im Gegensatz zum englischen Mutterverein, mit dem sie über Thomas Clarkson engen Kontakt hielt, ging die Société des Amis des Noirs in ihren Forderungen jedoch weiter und verlangte nicht nur die Abschaffung des Sklavenhandels, sondern der Sklavenhaltung im Allgemeinen, im Rahmen einer schrittweisen Aufhebung. Sie setzte sich auch für die Rechte der freien Schwarzen ein. Allerdings erreichte sie keine Massenbasis, da ihre Mitglieder aus der sozialen Elite stammten. Außerdem widersprach der Einfluss des englischen Antisklaverei-Vereins der damals vorherrschenden anglophoben Haltung. Es gelang dem Verein, insbesondere Mirabeau, auch nicht, die Frage des Sklavenhandels 1789/1790 in der Nationalversammlung zu thematisieren.44 1793, in der Zeit der terreur, wurde der Verein dann verboten und Brissot und andere guillotiniert.
Die Aufhebung der Sklaverei hatte somit nicht die höchste Priorität in der Französischen Revolution und wurde auch nicht explizit in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte angesprochen. Dennoch hielten die Schlagworte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit Einzug in die internationale abolitionistische Bewegung und wirkten sich auch in den Kolonien aus. In diesen waren Sklavenunruhen noch nicht erfolgreich. Nur in Saint Domingue, dem späteren Haiti, gelang es 1791, die französische Regierung durch eine blutige Revolte zu Maßnahmen zu zwingen.45 Diese reagierte 1792 zuerst mit der Vergabe voller Bürgerrechte an die freien Schwarzen der Kolonien. Durch den Krieg mit Großbritannien sah sich Frankreich der Gefahr ausgesetzt, die Kolonien zu verlieren, und dekretierte daher schließlich im Februar 1794 die Sklavenbefreiung, setzte sie allerdings nur in der Karibik und nicht auf seinen Besitzungen im Indischen Ozean um. In den karibischen Kolonien wurde die Sklaverei überdies durch ein Zwangsarbeitssystem abgelöst, um die Plantagen zu erhalten.46 Auch in Haiti sollte diese Arbeitsform nach der Unabhängigkeit im Jahre 1804 noch bis in die 1830er Jahre bestehen.
Die überlebenden Mitglieder der Société des Amis des Noirs formierten sich 1796 unter Grégoire neu als Société des Amis des Noirs et des Colonies und protestierten gegen die Zwangsarbeit. Mit dem Machtantritt Napoleon Bonapartes (1769–1821) im Jahr 1799 wurde der Verein aber endgültig unterdrückt. 1802 führte Napoleon die Sklaverei in den Kolonien wieder ein, hob den Sklavenhandel jedoch 1815 nach seiner Rückkehr aus Elba auf. Die Bourbonen beließen diese Regelung auf britischen Druck hin, setzten sie allerdings kaum aktiv um.
Die Abolitionsbewegungen in Großbritannien und Nordamerika vom Wiener Kongress bis zum amerikanischen Bürgerkrieg
Nach dem Verbot des Sklavenhandels war die Society for Effecting the Abolition of the Slave Trade 1807 von der bis 1827 aktiven African Institution abgelöst worden, die sich um die Durchsetzung des Handelsverbots, auch international, bemühte.47 Die britische Regierung hatte auf dem Wiener Kongress zumindest die Zustimmung der teilnehmenden Mächte zu einer Absichtserklärung über die Beendigung des Sklavenhandels erreicht. Auf Druck der abolitionistischen Bewegung verfolgte sie in den darauffolgenden Jahrzehnten eine internationale Kampagne gegen den Sklavenhandel.48 Zu diesem Zweck schloss Großbritannien eine Reihe bilateraler Verträge ab, die der britischen Marine erlaubten, Schiffsladungen zu Kontrollzwecken zu durchsuchen. Diese Kontrolle des transatlantischen Schiffsverkehrs, aber auch des Sklavenhandels im Mittelmeer, brachte hohe finanzielle Kosten und Opfer an Menschenleben mit sich, so im Rahmen einer englisch-niederländischen Expedition 1816, die mit dem Bombardement des Barbareskenstaates Algier die Befreiung christlicher Sklaven und Sklavinnen zu erreichen suchte.
Als bekannt wurde, dass die Zahl der versklavten Menschen trotz der Abschaffung des angloamerikanischen Sklavenhandels nicht zurückgegangen, sondern angestiegen war, setzte in Großbritannien in den 1820er Jahren eine neue abolitionistische Welle ein. Ihr ging es nun vorrangig um das Verbot der Sklaverei in den britischen Kolonien. Angeregt von dem Traktat Immediate, Not Gradual Abolition (1824) der Quäkerin Elizabeth Heyrick (1769–1831),49 setzten sich einzelne Vereine für die völlige Aufhebung der Sklaverei ein (immediatists). Andere befürworteten allerdings die graduelle Abolition, so wie Thomas Fowell Buxton (1786–1845), der nun die Aufgabe der Vorlage von Bills im Parlament von Wilberforce übernahm. Die 1823 gegründete Society for Mitigation and Gradual Abolition of British Colonial Slavery wandte sich erst gegen Ende der 1820er Jahre der Forderung der sofortigen Abschaffung der Sklaverei zu. Organisation und Strategien waren nun von einer besonderen Systematik, etwa bei der Bildung von Zweigvereinen, gekennzeichnet.50 Wieder bildeten Petitionen die Schlagkraft der Bewegung ab. 1833 wurde der Höhepunkt mit über 5.000 Petitionen und fast 1,5 Millionen Unterschriften erreicht.51 Während sich die aktiven Mitglieder der Abolitionsvereine lokal in sehr schwankendem Ausmaß vor allem aus der Mittelschicht rekrutierten, gelang es, für Petitionen auch Arbeiter zu mobilisieren.
Vor allem fiel aber die hohe Zahl der Frauen, die sich sowohl in den britischen wie auch den amerikanischen Abolitionsbewegungen engagierten, auf.52 Sie beteiligten sich an den Petitionen gegen die Sklaverei, auch wenn ihre Unterschrift anfangs noch nicht als legitim angesehen wurde. 1833 sollen in Großbritannien über 400.000 Frauen Petitionen unterschrieben haben.53 Sie hielten auch eigene Versammlungen ab und bildeten ab 1825 in England – zuerst in Birmingham – und ab 1832 in den Vereinigten Staaten – zuerst in Salem, Massachusetts – eigene Antisklaverei-Vereine für Frauen. Sie organisierten Boykotte gegen Produkte, die von Sklavenplantagen stammten, wie Zucker,54 Rum und Baumwolle (free produce movement). In den Vereinigten Staaten halfen sie entflohenen Sklaven und Sklavinnen, insbesondere bei der Flucht in das sklavereifreie Kanada. Auch Abolitionistinnen unterhielten enge transatlantische Kontakte. So besuchte Harriet Beecher Stowe (1811–1896) auf einer Werbetour für ihren 1852 veröffentlichten, sehr erfolgreichen Abolitionistenroman Uncle Tom's Cabin Großbritannien.55
Mit ihrem Engagement traten Frauen im politisch-öffentlichen Raum auf, obwohl sich der dominante Geschlechterdiskurs eigentlich dagegen aussprach. Somit entstanden wesentliche Impulse für die spätere Frauenbewegung. Die Sklaverei wurde auf das Geschlechterverhältnis umgemünzt und eine Analogie zwischen der Situation der Frauen in der Ehe und der Versklavung hergestellt, so bereits Anfang des 18. Jahrhunderts von der Engländerin Mary Astell (1666–1731).56 Viele Abolitionistinnen wie die Quäkerinnen Anne Knight (1781–1862) und Lucretia Mott (1793–1880) setzten sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auch für die Rechte der Frauen ein.
Eine weitere in der Antisklavereibewegung herausragende soziale Gruppe waren die befreiten Sklaven und Sklavinnen. Afroamerikaner waren bereits ab den 1770er Jahren in Nordamerika gegen die Sklaverei aktiv.57 Um 1772 sammelten sie in Neuengland Unterschriften für eigene Petitionen zur Abschaffung der Sklaverei in dieser Region. In Großbritannien wurden Ottobah Cugoano (ca. 1757–ca. 1803) mit seinen 1787 veröffentlichten Thoughts and Sentiments on the Evil of Slavery sowie Olaudah Equiano (ca. 1745–1797) mit der 1789 publizierten Interesting Narrative of the Life of Olaudah Equiano, or Gustavus Vassa, the African written by himself berühmt. Equianao hatte sich freigekauft und in England Schutz vor der Gefahr einer erneuten Versklavung gesucht. Er führte sehr erfolgreiche Vortragsreisen in Großbritannien durch.
Anders als in England ging es in den Vereinigten Staaten aber auch um die Bedingungen des Zusammenlebens in einer Gesellschaft, die von Segregation und Diskriminierung geprägt war.58 Als Lösung war schon länger der Transfer der befreiten Sklaven zurück nach Afrika überlegt worden. Bereits 1787 war in Sierra Leone eine solche Ansiedlung amerikanischer Sklaven auf Initiative des britischen Abolitionisten Granville Sharp unter großen Schwierigkeiten durchgeführt worden.59 1816 wurde zur Umsetzung dieser Idee im Gebiet des späteren Liberia die American Colonization Society gegründet.60 Viele afroamerikanische Abolitionisten stellten sich aber den Kolonisationsplänen entgegen.
Anfangs waren sie gegenüber den "weißen" Abolitionistenvereinen, die keine Schwarzen aufnehmen wollten, unterwürfig aufgetreten und hatten noch die schrittweise Emanzipation sowie die Emigration befürwortet. Dies änderte sich spätestens in den 1820er Jahren. 1827–1829 erschien die afroamerikanische Zeitung Freedom's Journal und 1829 veröffentlichte der Afroamerikaner David Walker (1785–1830) aus Massachusetts Walker's Appeal, das zum Widerstand gegen die Sklaverei und gegen die Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung aufrief.61
Ein beliebtes Werbemittel der Abolitionisten waren die ab den 1830er Jahren erscheinenden Selbstzeugnisse entflohener Sklavinnen und Sklaven (slave narratives). Diese Texte richteten sich an ein "weißes" Lesepublikum, das für die Sache des Abolitionismus gewonnen werden sollte. Bekannt wurde die 1845 veröffentlichte eindrucksvolle Autobiographie Narrative of the Life of Frederick Douglass, an American Slave, die Frederick Augustus Douglass (ca. 1817–1895) auch auf einer erfolgreichen Vortragstour in Großbritannien vorstellte und später in zwei stark umgearbeiteten Fassungen erneut herausbrachte.62 Nur ein geringer Teil dieser Selbstzeugnisse wurden von Frauen geschrieben. Eines der bekanntesten war The History of Mary Prince, A West Indian Slave. Related by Herself (1831),63 wobei Mary Prince (ca. 1788–nach 1833) allerdings wie die meisten Sklaven und Sklavinnen Analphabetin war und ihre Geschichte daher einer anonymen englischen Abolitionistin diktiert hatte.
Wie in Großbritannien sollte sich auch in den Vereinigten Staaten eine Kluft zwischen Abolitionisten, die sich für die völlige Aufhebung der Sklaverei (immediatists) aussprachen, und jenen, die die schrittweise Abschaffung (gradualists) befürworteten, auftun. Es war vor allem William Lloyd Garrison (1805–1879), der die Richtung der Immediatisten vertrat. Anfang 1831 brachte er erstmals die Zeitschrift The Liberator in Boston heraus und 1832 gründete er die New England (später Massachusetts) Anti-Slavery Society. 1833 reiste Garrison nach London, um britische Unterstützung für seine Strategie zu gewinnen, aber auch um zu verhindern, dass die American Colonization Society finanzielle Unterstützung erhielt. Er berichtete begeistert über die Massenbewegung, die der britische Abolitionismus auf die Beine gestellt hatte.64 Der Brite George Thompson (1804–1878) kam als Redner und Organisator mit zurück in die Vereinigten Staaten, um hier für die Sache des Abolitionismus zu werben und zahlreiche neue Zweigvereine zu gründen. Die Verbindung zu England erreichte in den 1830er Jahren ihren Höhepunkt. So unterstützten britische Abolitionisten etwa die Bemühungen der amerikanischen Abolitionisten, im unabhängigen Texas (von 1836 bis 1845) die Sklaverei zu verhindern.65
Ende 1833 wurde in den USA die American Antislavery Society als Dachverband gegründet und u.a. vom britischen Quäker Joseph Sturge (1793–1859) finanziert. Neben Garrison waren viele bekannte Abolitionisten wie Frederick Douglass, Angelina Grimké (1805–1879), Lucretia Mott, Wendell Phillips (1811–1884) und Theodore Dwight Weld (1803–1895) in dieser Organisation aktiv. Anfang der 1840er Jahre trennte sich jedoch Lewis Tappan (1788–1873) aufgrund der zunehmenden egalitären Radikalität Garrisons – so wurde eine Frau in den Vorstand der American Antislavery Society aufgenommen – von der Organisation und gründete die American and Foreign Antislavery Society, die sich auf internationale Zusammenarbeit konzentrierte. Auch die Liberty Party spaltete sich 1839 von der American Antislavery Society ab und stellte, mit Abolitionismus als Programm, im Verlauf der 1840er Jahre eigene Präsidentschaftskandidaten auf.
Im Gegensatz zu Großbritannien wurden die Abolitionisten in den Vereinigten Staaten nicht überwiegend positiv aufgenommen. Aufgrund der wiederholten politischen Krisen um die Frage der Einführung der Sklaverei in neu in die Union aufzunehmenden Staaten heizte sich die Stimmung auf. Feindselige Mobs empfingen Vortragsreisende und es kam zu Aufruhr, etwa 1835 in Boston, wo Garrison beinahe ein Opfer der Lynchjustiz wurde.66 Die Versendung abolitionistischer Broschüren wurde nicht nur von den Südstaaten abgelehnt, so dass ein Gesetz jedem Staat schließlich erlaubte, die Veröffentlichungen nicht zu verteilen, wenn sie als Anstiftung zu Aufruhr verstanden wurden. Aufgrund der Petitionsflut verbot der Bundeskongress von 1840 bis 1844 die Annahme abolitionistischer Petitionen (gag rule). Schließlich entlud sich der Konflikt zwischen Nord- und Südstaaten 1861 in einem Bürgerkrieg, in dessen Verlauf aber die Sklavenemanzipation zum erklärten Kriegsziel der Nordstaaten und schließlich 1865 mit dem 13. Bundesverfassungszusatz erreicht wurde. Die britische Abolitionsbewegung hatte die Nordstaaten während des Krieges unterstützt.
Bereits 1833 hatte das britische Parlament die Sklaverei in den Kolonien Großbritanniens abgeschafft. Im Gegensatz zu den USA hatten die Pflanzer hier eine finanzielle Kompensation erhalten. Unfreie Arbeitsformen waren damit aber nicht beendet worden; als Übergangsform zur freien Lohnarbeit war die Zwangsarbeit (apprenticeship) vorgesehen, 1838 jedoch wurde schließlich jegliche Einschränkung freier Arbeit für ehemalige Sklaven verboten.
In der Folge gingen die 1837 gegründete Aborigines Protection Society und die von Joseph Sturge 1839 mitbegründete British and Foreign Anti-Slavery Society über den transatlantischen Sklavenhandel hinaus und prangerten weltweite Formen der Zwangsarbeit, insbesondere unter den Indigenen Indiens,67 des Kongo, Südafrikas, Australiens und Kanadas an.68 Ab Ende der 1830er Jahre nahm in Großbritannien die Unterstützung für die Antisklavereibewegung jedoch aufgrund der Aktualität anderer Themen (Anti-Corn Law, Chartisten, Wahlreform) und der Wirtschaftsrezession ab.69
Abolitionistische Aktivitäten auf dem europäischen Kontinent ab den 1820er Jahren
Auch in Frankreich begann in den 1820er Jahren eine neue Welle der Aktivität. Die Société de la morale chrétienne, der viele Protestanten angehörten, u.a. auch der spätere französische Außenminister und Ministerpräsident Victor Duc de Broglie (1785–1870), gründete 1822 auf Initiative des englischen Quäkers Joseph Price das Comité pour l'abolition de la traite des Nègres. 1834 entstand die Société française pour l'abolition de l'esclavage, der wieder Broglie und auch die Politiker Victor Schœlcher (1804–1893) sowie Alexis de Tocqueville (1805–1859) angehörten.70 Beide Organisationen waren auf starke britische Unterstützung angewiesen. Die Société de la morale chrétienne musste zudem in einem politisch repressiven Klima arbeiten und Rücksicht auf die Zensur nehmen. Sie erreichte keine größere Basis. Auch die Société française pour l'abolition de l'esclavage war eine elitäre, aus Notabeln zusammengesetzte Organisation, der viele Abgeordnete mit allerdings ganz unterschiedlicher politischer Ausrichtung angehörten. Informell war der freie afrokaribische Kaufmann aus Martinique Cyrille Bissette (1795–1858) mit der Société française verbunden. Er gehörte zu den Befürwortern einer sofortigen Abschaffung der Sklaverei. Wie in den Vereinigten Staaten und England gab es allerdings auch in Frankreich Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Frage der graduellen oder der sofortigen Sklavenemanzipation. Nicht zuletzt die Publikation Emancipation immédiate (1846) des Schweizer protestantischen Theologen Guillaume de Félice (1803–1871)71 lenkte die Politik der Société française ab 1847 endgültig in die Richtung der sofortigen Aufhebung. Ab Mitte der 1840er Jahre zeigte sich in der Zunahme der Zahl von Petitionen, u.a. von Pariser Arbeitern und Frauen, die wachsende Akzeptanz des Abolitionismus in Frankreich, wenn auch, verglichen mit Großbritannien, in einem moderateren Rahmen.72 Die Sklaverei wurde schließlich in der Revolution von 1848 generell verboten und auch hier in den Kolonien in Zwangsarbeit übergeleitet.
Die Übergangsregelung der Zwangsarbeit wurde von anderen Ländern ebenfalls bei der Abschaffung der Sklaverei angewandt, so Anfang der 1860er Jahre in den niederländischen und später auch den spanischen Kolonien. In Spanien begann die abolitionistische Diskussion mit der amerikanischen Sklavenemanzipation. Im spanischen Lateinamerika hatte es keine abolitionistische Bewegung gegeben, da auf Druck der Briten alle Länder bis Mitte der 1820er Jahre Sklavenimporte verboten und vielfach auch die Sklaverei schrittweise abgeschafft hatten.73 1865 wurde nun in Madrid von Puertorikanern ein Antisklaverei-Verein nach angloamerikanischem Vorbild gegründet (Sociedad Abolicionista Española), in dem das liberale, antiklerikal ausgerichtete Bürgertum vertreten war. Nach Petitionen und Demonstrationen wurde die Sklaverei schließlich 1873 in Puerto Rico aufgehoben, in Kuba kam es zu einer schrittweisen Emanzipation mit einer Periode der Zwangsarbeit (ab 1880).74 In Portugal und Brasilien hingegen bewirkte die Verbreitung abolitionistischer Literatur durch die Briten ab den 1820er Jahren vorerst nichts.75 Zwar beendeten Verträge den Sklavenimport, Antisklaverei-Vereine entstanden in Brasilien aber erst ab den 1870er Jahren. In den 1880er Jahren wurde die Bevölkerung durch aktive Vereine (z.B. Sociedade Brasileira Contra a Escravidão 1880) und eine eigene, von Demonstrationen und Festen geprägte Abolitionskultur mobilisiert.76 Die Emanzipation kam 1888, ohne Abfindungen, aber auch ohne Zwangsarbeitsregelungen. Eine große Migrationsbewegung aus Europa sorgte hier für den Zustrom von Arbeitskräften.
Die abolitionistische Bewegung und Afrika
Um 1870 war der transatlantische Sklavenhandel zu großen Teilen beendet. Nun kam Afrika verstärkt in den Fokus der Abolitionisten. In den britischen Antisklaverei-Vereinen führten ab den 1870er Jahren vor allem Missionare die Kampagne gegen Zwangsarbeit und den Transfer von Zwangsarbeitern weiter, etwa den bereits seit Ende der 1830er Jahre praktizierten indischen coolie labor in Südafrika.77 Vorrangig waren sie aber an der Missionierung der ihrer Überzeugung nach kulturell inferioren Afrikaner interessiert. Die Bemühungen der britischen Regierung um ein Verbot des Sklavenhandels in Afrika, etwa auf der Berliner Kongokonferenz von 1884/1885, wurden von den abolitionistischen Vereinen mitgetragen.
1888 begann der Erzbischof von Algier, Charles Martial Allemand Lavigerie (1825–1892), den Feldzug gegen den muslimischen Sklavenhandel in Afrika. Vor allem in katholischen Ländern Europas entstanden Vereine, die seine Arbeit im Sinne der Durchsetzung des Christentums in Afrika unterstützten. 1889/1890 fand schließlich in Brüssel eine internationale Konferenz über afrikanische Sklaverei statt. Die Brüsseler Konvention verpflichtete die Signatarstaaten, den Sklavenhandel innerhalb ihres Reichsgebietes zu unterbinden und auf die Abschaffung der Sklaverei hinzuarbeiten.78
Nach dem Ersten Weltkrieg sah sich die britische Regierung weiterhin als hauptverantwortlich für die Beendigung von Sklaverei und Zwangsarbeit im Sinne einer Treuhandschaft (trusteeship) für das Wohl der kolonialisierten "Eingeborenen". Dieser Verantwortung kam sie, nicht ohne dabei auch imperiale Staatsziele zu verfolgen, im Rahmen des Völkerbundes nach.79 Hier entwarfen die Briten eine Konvention gegen die Sklaverei, die 1926 angenommen wurde und die Aktivitäten gegen Sklaverei und Sklavenhandel finalisieren und ausweiten sollte. Zwangsarbeit durfte nun nur mehr für öffentliche Zwecke eingesetzt werden, die Arbeiter mussten gerecht entlohnt werden, und es durfte dabei nicht zu einer Versendung von Arbeitskräften in andere Kolonien kommen.80
Schluss: Internationale Vernetzungen und kultureller Transfer
Die Interaktionen der Abolitionisten erfolgten sowohl auf der Ebene des Ideentransfers als auch in Form persönlicher Kontakte. Begonnen hatten diese im transatlantischen Netzwerk der Quäker, fortgesetzt wurden sie besonders durch das britische Engagement in ideeller und finanzieller Form in Europa, hier vor allem in Frankreich, aber auch global. Anfang der 1840er Jahre hatte es einen Versuch gegeben, die informellen Beziehungen zu institutionalisieren. Auf amerikanische Initiative hin fanden 1840 und 1843 in London Weltversammlungen gegen die Sklaverei statt, die den Zweck hatten, nach der Aufhebung der Sklaverei in den britischen Kolonien der Karibik die Sklaverei weltweit ins Visier zu nehmen.81 Weiter ging die organisatorische Internationalisierung zwar nicht. Die Vernetzungen manifestierten sich aber in der Verbreitung abolitionistischer Literatur, Symbolik und Argumentation.
Zum erfolgreichsten literarischen Transfer gehörte wohl Harriet Beecher Stowes Uncle Tom's Cabin. Der Roman erschien erstmals 1851, kurz nach Erlass des Fugitive Slave Act, der die Rückführung entflohener Sklaven aus den sklavenfreien Staaten im Norden der USA in die Sklaverei des Südens vorschrieb. Er wurde zuerst in mehreren Folgen in der abolitionistischen Zeitung The National Era veröffentlicht und dann 1852 in gebundener Form, mit wesentlich höheren Auflagen als die slave narratives erreicht hatten, gedruckt (im ersten Jahr waren es 300.000 Exemplare in den Vereinigten Staaten und 200.000 in Großbritannien). Übersetzungen in zahlreiche Sprachen sicherten dem Band eine globale Verbreitung. Auch als Theaterstück wurde die Anklage gegen die Brutalität der Sklaverei – verwoben mit der Vermittlung christlicher Werte – aufgeführt.82
Hinsichtlich der Symbolik fand das Motiv des in Bittstellung knieenden, mit Ketten gefesselten Sklaven, überschrieben mit dem Spruch Am I Not a Man and a Brother?, internationale Verbreitung. Es war 1787 von Josiah Wedgwood (1730–1795) entworfen und in seiner Steingutmanufaktur produziert worden. Die Société des Amis des Noirs übernahm das Motiv sofort (1788), ferner wurde es z.B. auch von der spanischen Antisklavereiorganisation in den 1860er Jahren verwendet. Das Motiv kam in ganz unterschiedlichen Formen vor, als Medaillon und auf Flugschriften sowie abolitionistischen Aufrufen, aber auch auf Modeartikeln wie Armbändern, Haarschmuck oder Schnupftabakdosen. Ab 1828 fand zusätzlich eine weibliche Form Verbreitung, mit dem Spruch Am I Not a Woman and a Sister? versehen. Ähnlich bekannt wurde die von den britischen Abolitionisten 1789 verfertigte Abbildung des Sklavenschiffes Brookes, das die unmenschlichen Verhältnisse, insbesondere die große Enge (tightpacking) beim Sklaventransport illustrieren sollte. Wilberforce verwendete ein Holzmodell dieses Schiffes bei seinen Vorträgen und Thomas Clarkson schenkte ein weiteres Mirabeau bei seinem Besuch in Frankreich 1789.
Gegen die Sklaverei wurde vor allem mit moralisch-humanitären Argumenten protestiert. Immer wieder wurde die besondere Brutalität der Sklaverei hervorgehoben. Der Appell an angeborene Freiheitsrechte und Gleichheit spielte insbesondere in den Vereinigten Staaten in Bezugnahme auf die Unabhängigkeitserklärung eine Rolle. Gegen das Argument der wirtschaftlichen Notwendigkeit des Sklavensystems für die Plantagen brachte die abolitionistische Bewegung Adam Smiths These – vertreten in seiner Wealth of Nations (1776) – vor, dass freie Lohnarbeit wesentlich produktiver sei als die Sklavenarbeit.83 Aufgrund fehlender Anreize arbeiteten die Sklaven ineffizient und mussten zudem versorgt werden. Vermieden wurden hingegen meist Verweise auf Sklavenaufstände, insbesondere auf den erfolgreichen Aufstand in Sainte Domingue/Haiti, wegen der blutigen Konsequenzen für die "weiße" Bevölkerung.84 Einen radikalen Umsturz der moralischen und sozialen Ordnung strebten die Antisklaverei-Vereine mit ihren abolitionistischen Forderungen in der Regel nicht an, wenn es auch unter den Immediatisten Vorstellungen einer egalitären Gesellschaft, insbesondere hinsichtlich der Stellung der Frau, gab.85