Europäische Medien
Freiheit der Presse, kolorierte Radierung, Frankreich 1796, Quelle: Prometheus-Bildarchiv JLU Gießen
Neben Menschen waren und sind Medien – verstanden als Techniken, die zu einer massenhaften Verbreitung von Informationen an eine große Zahl von Empfängern dienen – die bedeutendsten Träger von Kommunikation und Transfer. Mehr als dies – Medien haben die direkte Kommunikation zwischen einzelnen Individuen und den Transfer über Reisende oder Migranten nicht nur ergänzt, sondern zusehends überformt. Die Beiträge dieses Themenstrangs untersuchen die Rolle, die Medien als Vermittler von Inhalten in den vielfältigen Austauschprozessen zwischen nationalen, regionalen und sozialen Sphären spielten, und wie sie diese Inhalte veränderten. Sie stellen dazu unterschiedliche Medientypen als Transmitter in Transferprozessen und in ihrer historischen Entwicklung vor. Einen Schwerpunkt des Themenstrangs bilden europäische Medienereignisse, das heißt Schlüsselereignisse, die eine gesamtgesellschaftliche und (mehr oder weniger) europaweite Debatte auslösten. Diese Ereignisse finden in fast allen Medien statt und weisen eine Tendenz zur "Berichterstattung über die Berichterstattung" auf. Als Knotenpunkte einer verdichteten Kommunikation ermöglichen sie Einblicke in Formen und Strategien von Kommunikation und damit in die Mechanismen interkultureller Transfers sowie die Formierung transnationaler Kommunikationsräume. Beiträge zu Medienereignissen von der Wittenberger Reformation bis zum Zweiten Weltkrieg, von der Naturkatastrophe bis zur Revolution zeigen, wie sich die Kommunikation entwickelte und veränderte. Nicht zuletzt fördern sie neue Erkenntnisse darüber zutage, wie "europäisch" diese Medienereignisse tatsächlich waren.
Einen Einstieg bietet der Überblick Europäische Medienereignisse. Er definiert das Konzept "Medienereignis" und schildert dessen Entwicklung von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart. Gleichzeitig wird untersucht, wie sich politische Gegebenheiten und die Entwicklung neuer Techniken auf die mediale Verarbeitung von Geschehnissen ausgewirkt haben – so waren zum Beispiel die medialen Auswirkungen der Reformation unter anderem wesentlich von der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern bestimmt. Eine diesen Thread durchziehende Leitfrage ist außerdem, wie sich die kollektive Erfahrung von Medienereignissen auf die Bildung eines Europabewusstseins ausgewirkt hat. Basiselemente beschäftigen sich mit einzelnen Medienereignissen. Zum Beispiel wird die Französische Revolution, ein Schlüsselereignis der europäischen Geschichte, in doppelter Hinsicht als medial geprägt dargestellt: Zum einen war sie ein Resultat einer nie dagewesenen Explosion im Aufkommen von Text-, Bild- und oralen Medien, zum anderen wurden die spektakulären Ereignisse der Revolution durch Zeitungen, Karikaturen, aber auch Lieder in rasanter Weise in Europa verbreitet. Der Beitrag untersucht, welche Transferprozesse sich bei und durch diese mediale Verbreitung ergaben: wie zum Beispiel in mehreren deutschen Städten durch öffentliche Feiern und Theateraufführungen der erste Jahrestag der Erstürmung der Bastille begangen wurde – mit dem Ziel, deutschen Patriotismus nach französischem Vorbild zu stärken.