Einleitung
Die sich zuspitzende Krisensituation in Europa in den Jahren 1922 bis 1923 (österreichischer Staatsbankrott, ungarische und deutsche Hyperinflation, Ruhrbesatzung) sowie die darauf folgende Periode politischer Verständigungsoffensiven zwischen der Londoner Reparationskonferenz und Locarno förderte auch – vordergründig "unpolitische" – Verständigungsbemühungen im kulturellen Bereich. Die dem Umfang nach bedeutendste Initiative auf diesem Gebiet war die Gründung des Europäischen Kulturbundes (1922) in Wien und, darauf aufbauend, der Fédération internationale des Unions intellectuelles (1924) durch den Österreicher Karl Anton Rohan (bis 1918 Prinz Rohan, 1898–1975)[].1
Strenggenommen handelte es sich bei diesem europäischen Verband weniger um ein Europanetzwerk als vielmehr um ein Kulturnetzwerk. Seine europäische Orientierung blieb diffus, denn die Verständigungsrhetorik und der vordergründig gepflegte Meinungspluralismus wurden bald überschattet von konservativen, antidemokratischen und nationalistisch-antieuropäischen Tendenzen. Diese sind der zunächst verhaltenen, dann offenen Unterstützung des italienischen Faschismus durch Rohan geschuldet, der als einer der intellektuellen Wegbereiter einer "konservativen Revolution" innerhalb der Bewegung betrachtet werden muss.2 1935 trat Rohan in die Nationalsozialistische Partei Österreichs ein. 1922 war diese Entwicklung freilich noch nicht zwingend absehbar, denn zu dieser Zeit waren für Rohan vor allem die Erfahrung des Ersten Weltkrieges und die persönliche Geschichte seiner Familie prägend.
Karl Anton Rohan und die Sehnsucht nach einer konservativen "Elite des Geistes"
Der 1898 geborene Rohan stammte aus einer alten französischen Adelsfamilie, die aufgrund der Französischen Revolution zur Auswanderung gezwungen war und in die Habsburger Monarchie flüchtete, wo sie sich in Böhmen niederließ. Ihre männlichen Angehörigen stiegen schon bald in hohe Verwaltungs- und Regierungsämter auf. Durch die Familiengeschichte und den habsburgischen Konservatismus geprägt, lehnte Rohan die "Ideen von 1789" – Parlamentarismus, Demokratie, Gleichheit und Freiheit – rigoros ab. Die Werte der westlichen Demokratie betrachtete er als veraltet; sie seien im Ersten Weltkrieg gescheitert.3 Die Auflösung der Habsburger Monarchie und ihre Aufspaltung in kleine Republiken am Ende des Ersten Weltkriegs erschütterten die Identität des Adligen in ihren Grundfesten und veranlassten ihn, nach neuen, Identität stiftenden Projekten Ausschau zu halten. Das Denken müsse durch Intellektuelle erneuert, der Verlust der Werte durch den Krieg behoben und das geistige Chaos sowie die Intoleranz bekämpft werden, so Rohan 1924 in einem an die französische Öffentlichkeit gerichteten Appell.4
Wie eine programmatische Schrift5 Rohans von 1923 deutlich macht, sehnte er sich nach einer Rekatholisierung Europas oder wenigstens der Einrichtung einer Ökumene sowie nach der Umkehr des antireligiösen Rationalismus der Aufklärung. Außerdem strebte er die Wiederherstellung einer transnationalen Adelsherrschaft an. Letztere konnte seiner Auffassung nach nicht mehr auf dem 1918 gescheiterten, alten Geburtsadel beruhen, sondern nur auf einer Allianz der Eliten des Geistes, der Großindustrie und der Großfinanz. Sich selbst zählte Rohan zur Elite des Geistes. In diesem Kontext wurden "Europa" und "Kultur" für ihn zu Chiffren einer Zukunft, in der Altes mit Neuem verbunden sei, in der eine neue Elite den Liberalismus zurückdrängen, eine neue ständisch-hierarchische Ordnung nach faschistischem Vorbild hergestellt werden, die den Frieden von oben antiliberal sichern würde.6 Auf diese Weise stellte Rohans Denkgebäude eine seltsame Symbiose aus Fürst Klemens von Metternich (1773–1859) und Benito Mussolini (1883–1945)[] dar, die ihn zu einer zentralen Figur des katholischen Flügels der neukonservativen Bewegung macht.7
Europa aus den deutschen "Ideen von 1914"?
Die Europavorstellungen Rohans enthielten Widersprüche: Den bürgerlichen Internationalismus und Pazifismus sah der Österreicher als gescheitert an. Vordergründig als Weltbürger agierend, doch im Grunde deutschnational denkend, lehnte Rohan auch den Völkerbund als "rein angelsächsische Konzeption" ab.8 Ein geeintes Europa schwebte ihm primär als intellektuelles Ersatzvaterland vor, das aber fest in autonomen Nationalkulturen wurzeln müsse.9 Der Einfluss der deutschen "Ideen von 1914" – die Forderung nach nationaler Einheit, die seiner Auffassung nach durch die Parteiendemokratie unterminiert werde, sowie die Besinnung auf "deutsche" Werte und Kultur – treten bei ihm als Gegenpol zu den französischen "Ideen von 1789" hervor. Die Einheit Europas erwuchs für ihn aus der sakralen Reichstradition, die Rohan wiederbeleben wollte. Damit einherging seine Forderung, den Vorrang der Religion und des Mystischen gegenüber der rationalistischen Wissenschaftlichkeit, der Maschine und dem Materialismus wiederherzustellen. Die geistige Einheit Europas – hier kamen fremdenfeindliche Elemente hinzu – sei auch gegen die islamische Welt und China erforderlich, zugleich bilde sie gleichermaßen eine Alternative zur westlichen Zivilisation sowie zum Bolschewismus.10
Die Widersprüche in Rohans Konzeptionen – Fortschritt ja, Technik nein; Verständigung ja, aber bitte ohne Internationalismus, ohne Politik und Rationalismus; Europa ja, aber national – fielen in der von Demokratieskepsis, Unsicherheit und Chauvinismus geprägten Oberschicht der zwanziger Jahre nicht sonderlich auf. Selbst liberale Konservative wie der deutsche Romancier Thomas Mann (1875–1955)[] verwechselten Anfang der zwanziger Jahre die Verantwortungsträger mit den Verführten und glaubten, der Nationalismus der Massen sei für den Weltkrieg verantwortlich gewesen.11 Außerdem drängte Rohan als gewandter, anpassungsfähiger Salonlöwe seine politischen Auffassungen niemandem auf. Im Gegenteil, er vermarktete seine Initiative für Verständigung unter den kulturellen Eliten gezielt als unpolitisch, suchte Unterstützung gleichermaßen bei Liberalen und Rechtskonservativen wie bei Demokraten und Sozialisten, insbesondere im republikanischen Frankreich.
Vom Wert sozialen Kapitals
Ohne wissenschaftliche Ausbildung, aber belesen und modischen Trends gegenüber aufgeschlossen, verschaffte Rohan vor allem sein soziales Kapital – seine adlige Herkunft und Lebensweise, kultivierte Umgangsformen, familiäre Verbindungen sowie finanzielle Unabhängigkeit – den Zugang zur geistigen Elite. Zu seinen frühen und treuen Weggefährten gehörte der österreichische Dichter Hugo von Hofmannsthal (1874–1929)[], der in seiner Rede an der Münchener Universität 1927 den bereits 1923 von Rohan geprägten Begriff der "konservativen Revolution" zum Programm erhob.12 Dank Hofmannsthal gelang es Rohan 1922, die Unterstützung des Prälaten, Theologieprofessors und österreichischen Bundeskanzlers Ignaz Seipel (1876–1932)[] zu gewinnen und den Kulturbund zunächst auf österreichischer Basis in Wien zu begründen. Die österreichische Regierung versuchte damit ebenso wie mit der Förderung der Paneuropa-Initiative von Richard Coudenhove-Kalergi (1894–1972)[], Wien als Zentrum für transnationale, europäische Verständigungsbemühungen zu etablieren und zum Gegenpol Genfs, der "westlichen" Hauptstadt der internationalen Kooperation, zu stilisieren.
Zum Förderkreis Rohans außerhalb Österreichs gesellten sich Verleger wie Charles Hayet in Frankreich und Kurt Wolff (1887–1963) in Deutschland, die an intellektuellem Austausch und Übersetzungen interessiert waren.13 Einflussreiche Frauen halfen bei der gesellschaftlichen Einführung des Adligen: In Frankreich öffneten die Gräfin Eugénie d'Harcourt (1859–1918), eine Schwester des Germanisten Robert d'Harcourt (1881–1965), in Deutschland die Frankfurter Kunstmäzenin Lilly von Schnitzler (1889–1981), Gattin des Direktors der I.G.-Farbenindustrie Georg von Schnitzler (1884–1962), ihm die Türen der Salons.14 Rohan nutzte diese und andere Kontakte, um mit Unterstützung des Mathematikers und Menschenrechtlers Paul Painlevé (1863–1933)[] eine französische Kulturbund-Sektion und ein von Frankreich ausgehendes, für die Zwischenkriegszeit einmaliges europäisches Netzwerk von Kulturschaffenden, führenden Wissenschaftlern, Industriellen und Finanziers mit etwa einem Dutzend nationaler Gruppen aufzubauen. 1924 folgte eine italienische Sektion, der der italienische Diktator Mussolini und, ihm nachfolgend, auch eine Reihe faschistischer Hochschullehrer ihr Wohlwollen schenkten.15 1926 wurde eine deutsche Sektion gegründet wurde, die sich wiederum bald in zahlreiche städtische Zentren untergliederte, welche teils von liberalen, von katholischen oder konservativen Persönlichkeiten organisiert wurden (so in Heidelberg/Frankfurt, Hamburg, Berlin, Dresden/Leipzig, München und Köln, dort um den damaligen Oberbürgermeister Konrad Adenauer (1876–1967)[]). Mit anderen Gesellschaften, beispielsweise dem Deutsch-Französischen Studienkomitee, pflegte Rohan enge Verbindungen. Den Paneuropa-Verband lehnte er jedoch als anti-national ab.16
Aktivitäten des Kulturbunds
Die primär von 1924 bis 1934 andauernden Aktivitäten des Europäischen Kulturbunds und seines europäischen Dachverbands umfassten auf lokaler Ebene die Organisation von Vortragsabenden, bei denen vorwiegend ausländische Gäste als Vortragende eingeladen wurden, sowie europäische Kongresse (1924 in Paris, 1925 in Mailand, 1926 in Wien, 1927 in Heidelberg und Frankfurt, 1928 in Prag, 1929 im Rahmen der Weltausstellung in Barcelona, 1930 in Krakau, 1932 in Zürich und 1934 in Budapest). Zu diesen Kongressen jeweils führende Vertreter der verschiedenen nationalen Eliten eingeladen, um gemeinsam über ein übergreifendes Thema zu debattieren. Wirtschaftskapitäne waren Rohan bei der Finanzierung solcher Unternehmungen behilflich, so der Hamburger Direktor der Hamburg-Amerika-Linie und vormalige Reichskanzler Wilhelm Cuno (1876–1933)[] und von französischer Seite Henri de Peyerimhoff (1871–1953) und Jean Hennessy (1874–1944)[].17 Als Organ zur Veröffentlichung von Beiträgen, zur Wiedergabe von Redebeiträgen auf den Kulturbund-Kongressen sowie von Berichten über die Veranstaltungen des Kulturbundes diente die Zeitschrift "Europäische Revue" (1925–1944). Zu ihren Förderern zählten Mitte der zwanziger Jahre neben Lilly von Schnitzler die deutschen Industriellen Robert Bosch (1861–1942), Richard Merton (1881–1960) und der Luxemburger Emil Mayrisch (1862–1928). Während die Zeitschrift anfangs bewusst eine große Meinungsvielfalt pflegte und sich dadurch einen bedeutenden Ruf erwarb, machten sich doch zu Beginn der dreißiger Jahre die profaschistischen Tendenzen Rohans stark bemerkbar und führten im Juli 1932 zur Kündigung des langjährigen Redaktionsleiters Max Clauss.18
Die Teilnehmerlisten zu den Kulturbund-Kongressen, die ein Brennglas der Netzwerk-Aktivitäten darstellen, lesen sich wie ein Who's Who der europäischen Wissenschafts-, Kultur-, Wirtschafts- und Finanzelite der Zeit, wobei politische und diplomatische Vertreter diesen Großereignissen seltener beiwohnten. Neben von Hofmannsthal, Rohan und Painlevé nahmen u.a. eine aktiv fördernde Rolle ein: der Physiker und radikalsozialistische französische Abgeordnete Paul Langevin (1872–1946), der zugleich eine der führenden Figuren der französischen Liga für Menschenrechte war und sich für die Wiederaufnahme der Wissenschaftskontakte zu deutschen Kollegen einsetzte, der bereits in der Paneuropa-Bewegung engagierte Mathematikprofessor und Industrielle Emile Borel (1871–1956), der Begründer und Leiter des Berliner Büros des Deutsch-Französischen Studienkomitees und späterer Widerstandskämpfer Pierre Viénot (1897–1944), der Germanist Robert d'Harcourt und der Schriftsteller Paul Valéry (1871–1945). Von deutscher Seite spielten wichtige Rollen: der rechtsliberale Heidelberger Soziologe Alfred Weber (1868–1958), der auf dem Mailänder Kongress den Faschismus noch als neuen "rinascimento" deutete und wie Rohan Coudenhoves föderative Europavorstellungen als antinational ablehnte,19 der Heidelberger Archäologe Ludwig Curtius (1874–1954), der bis 1928 Präsident der deutschen Sektion war, Arnold Bergsträsser (1896–1964) als dessen Sekretär der spätere "Kronjurist" des Dritten Reiches Carl Schmitt (1888–1985), der Physiker Friedrich Dessauer (1881–1963) sowie seit 1928 der ehemalige Diplomat Richard von Kühlmann (1873–1948, ab 1928 Präsident der deutschen Sektion). Zu den Teilnehmern an Kongressen zählten auch der Künstler Max Beckmann (1884–1950), Thomas Mann und Hermann Graf Keyserling (1880–1946), ein seinerzeit höchst populärer, von den Nationalsozialisten verbotener, inzwischen weitgehend vergessener Philosoph. Aus England kamen nur wenige Teilnehmer, darunter u.a. Professor Gilbert Murray (1866–1957) aus Oxford, aus der Schweiz der Publizist Robert de Traz (1884–1951), der Historiker und Diplomat Carl Jakob Burckhardt (1891–1974) sowie der konservative Schriftsteller und Historiker Gonzague de Reynold (1880–1970). Auch aus Polen, der Tschechoslowakei, Bulgarien, Ungarn, Rumänien, Spanien und Skandinavien reisten Delegierte an. Von italienischer Seite war der wohl bekannteste Teilnehmer der Sozialminister Giuseppe Bottai (1895–1959), einer der Architekten des faschistischen Korporatismus, der die Arbeitnehmer in Zwangsorganisationen eingliederte.
Von der Verständigung mit Hindernissen zur faschistischen Versuchung
Wichtigstes Ziel der Kongresse war es, kulturelle "Brücken zwischen den Völkern" zu errichten.20 Themen bildeten etwa "Die Rolle des geistigen Menschen beim Aufbau Europas" (1926), "Die Rolle der Geschichte im Bewusstsein der Völker" (1927), "Elemente der europäischen Zivilisation" (1928) oder "Kultur als soziales Problem" (1929). Die Aufmerksamkeit auf diesen Kongressen galt nicht der Gestalt eines geeinten Europas, sondern vielmehr der Betonung nationaler Standpunkte, der Austragung nationaler Gegensätze im Geistigen, der Gegenüberstellung demokratischer und antidemokratischer Gesellschaftsvorstellungen sowie hin und wieder der Definition dessen, was "Europa" ausmache. Bereits auf dem Schlusstag des Frankfurter Kongresses 1927 kam es zu einem ersten Eklat, als ein Wiener Universitätsprofessor die italienische Annexion Südtirols sowie die Verträge von St. Germain und Versailles unter Beifall anprangerte, worauf die italienischen Faschisten und die französischen Demokraten den Saal verließen. In Prag, wo u.a. der Architekt Le Corbusier (1887–1965) und der Kulturpsychologe Carl Gustav Jung (1875–1961) über Elemente europäischer Zivilisation diskutierten, erreichte das Netzwerk einen intellektuellen Höhepunkt, danach ging es steil bergab. Die Züricher Tagung 1932 stand unter dem Motto "Europäische Kultur in Gefahr", womit Rohan aber nicht den Aufstieg der Nationalsozialisten, sondern dem Programm nach die sozialen und kulturellen Folgen der Wirtschaftskrise meinte. Rohans politische Vorstellungen hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits weit an faschistische Vorbilder angenähert. 1927/1928 forderte er eine "Führerauslese", Heldentum ohne Mitleid sowie eine strenge Trennung von Ethik und Politik.21 1928 spielte Rohan mit dem Gedanken, eine großdeutsch-mitteleuropäische Zeitschrift zu gründen.22 Die "konservative Revolution" war in vollem Gang und führte zur Annäherung der Leitung des Kulturbunds an den Nationalsozialismus.
So verwundert es nicht, dass die faschistische Regierung Italiens im Herbst 1932 mit Billigung Rohans in Rom einen eigenen Europa-Kongress in der Tradition des Kulturbunds veranstaltete, zu dem von deutscher Seite neben dem Nationalökonomen Werner Sombart (1863–1941) aus Berlin und dem liberalen Völkerrechtler und Leiter des Hamburger Instituts für Auswärtige Angelegenheiten Albrecht Mendelssohn-Bartholdy (1874–1936), der 1933 aufgrund seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten in den Ruhestand versetzt wurde, u.a. auch Hermann Göring (1893–1946) und der Nazi-Ideologe Alfred Rosenberg (1893–1946) anreisten.23 Während des römischen Kongresses 1932 hatte der Irrationalismus längst auch die Liberalen erfasst. So betonte der einstige Linksliberale und Mediziner Willy Hellpach (1877–1955) in seinem Redebeitrag die weiße "Rasse" als Grundlage europäischer Identität. Alfred Weber entwickelte dort mit seiner Forderung nach einer "Umwertung der Werte" Ideen,24 die die nationalsozialistische Terrorherrschaft schon bald in allerdings nicht von ihm vorhergesehener Radikalität umsetzte. Weber verteidigte immerhin noch gegenüber Rosenberg einen Teil der Entwicklungen, die 1789 und damit im Kontext der Aufklärung ihren Ausgang nahmen.
Rohan widmete anlässlich des römischen Kongresses ein ganzes Heft der Europäischen Revue dem italienischen Faschismus, bald darauf erschien ein weiteres Heft zur angeblichen "Judenfrage". Dabei passte er sein Vokabular dem biologistisch-rassistischen Sprachgebrauch der Nazis an, wandte sich aber gegen eine gewaltsame "Lösung".25 Den letzten Kulturbund-Kongress in Budapest 1934, der unter dem Motto "Europa zwischen Tradition und Revolution" stand, eröffnete Rohan mit Ausführungen über die Zusammenführung der Begriffe "Konservatismus" und "Revolution". Doch zu diesem Zeitpunkt waren die Nationalsozialisten im Dritten Reich bereits damit beschäftigt, die Zusammenarbeit mit den Konservativen zu beenden und sich ihrer zu entledigen. Damit und mit der Negation jeglicher Verständigung und jeglichen Respekts vor dem menschlichen Individuum durch den Nationalsozialismus erlosch die Basis für weitere intellektuelle Annäherungen in Europa unter deutscher Beteiligung.
Fazit
Der Kulturbund diente zwar Mitte der zwanziger Jahre einer vorübergehenden Annäherung der Intellektuellen untereinander. Es gelang diesem Netzwerk jedoch nicht, auch nur eine einzige zukunftsweisende, gestalterische Konzeption zu erarbeiten, die Europa den Weg zu einem dauerhaften Frieden gewiesen hätte. Der Kulturbund scheiterte somit an den unüberbrückbaren intellektuellen Widersprüchen seiner Protagonisten, allen voran Rohan selbst, und bot "keine Anknüpfungspunkte für einen europäischen Neuanfang" in der zweiten Nachkriegszeit, im Gegensatz zur innovativen, föderativen Europakonzeption Coudenhove-Kalerghis oder zu wirtschaftlichen Integrationskonzepten".26