Einleitung
Es ist unglaublich, wie schön es ist, wenn man Ruhe findet für sein Gewissen, wo das Wort Gottes rein verkündigt wird und die Sakramente korrekt verwaltet werden, und auch, wenn man die schönen Psalmen und Wunder des Herren singen hört. Ich war hier erst fünf oder sechs Tage, als ich den Gesang erstmals hörte, und ich konnte nur weinen vor Freude. Keine Stimme übertönt die andere. Jeder hat sein Musikbuch in der Hand, sowohl die Männer als auch die Frauen. Jeder preist den Herrn. ... Es ist nicht zu glauben, welche Freude man beim Singen des Lobes des Herrn in der eigenen Muttersprache spürt, so wie es hier geschieht.1
Mit diesen Worten beschrieb ein wallonischer Student 1545 den Eindruck, den der Psalmengesang bei ihm auslöste, als er ihn in der Gemeinde französischsprachiger Glaubensflüchtlinge in Straßburg kennenlernte. Abgesehen davon, dass er – wissentlich oder nicht – Philipp Melanchthons (1497–1560) Definition der Kirche aus der Confessio Augustana2 als Auslöser für die Beruhigung seines Gewissens anführte, erweiterte er die Definition noch um einen wichtigen dritten Faktor, der tatsächlich für die reformierten Kirchen in Europa kennzeichnend werden sollte: In reformierten Kirchen wurden als Lieder Bereimungen der biblischen Psalmen in der jeweiligen Volkssprache gesungen. Dieses Phänomen, das einen Ausgangspunkt in der Straßburger Gemeinde hatte, lässt sich als ein europaweiter Kulturtransfer in der Frühen Neuzeit beschreiben. Dabei gilt es, den Transferprozess grenzüberschreitend und mehrperspektivisch zu betrachten, wie es die besonderen Gegebenheiten der Frühmoderne erfordern,3 in der sich konfessionelle und nationale Faktoren teils überlagern und verstärken, teils abschwächen.4
Diese Besonderheiten kommen beim Thema Genfer Psalter in vielfacher Hinsicht zum Tragen. Denn einerseits gehört das biblische Buch der Psalmen Davids mit seiner mehr als zwei Jahrtausende umfassenden Geschichte zu den Grundbestandteilen der jüdisch-christlichen Tradition des Abendlands, andererseits erfuhr es in der besonderen Form des Genfer Psalters eine eigene konfessionelle Ausprägung und entwickelte in der Folge eine Wirkung, die weithin nationale und zum Teil auch konfessionelle Grenzen übersprang.5 Der Erfolgsgeschichte des Genfer Psalters soll im Folgenden nachgegangen werden. Denn mit der Bereimung der biblischen Psalmen in französischer Sprache, mit der Ergänzung um Melodien und vierstimmige Sätze und mit ihrer Zusammenfassung zu einem Psalmengesangbuch für die Benutzung in den Gottesdiensten reformierter Gemeinden wurde nicht nur eine Übersetzung in sprachlicher Hinsicht, sondern auch eine Transformation in eine neue pragmatische Funktion des Psalters sowie eine Neudefinition der Rolle der Musik im christlichen Gottesdienst, getragen durch das neue Medium des Psalmengesangbuchs, vorgenommen.6 In dieser konkreten Form entwickelte sich der Genfer Psalter zu einem Exportschlager der Genfer Druckereien. Aber auch das Modell der Psalmbereimungen wurde in zahlreiche andere Sprachen und Länder transferiert, die identitätsstiftende Wirkung prägte sich besonders unter Glaubensflüchtlingen und verfolgten Protestanten Westeuropas aus und führte zur besonderen Auslegung der Psalmen unter den "singenden Asylanten",7 die Melodien und ihre vierstimmigen Sätze fanden Eingang auch in die Kirchenmusik lutherischer und sogar katholischer Kirchen und wurden dort weiterentwickelt, die ausschließliche Nutzung für den Gesang im Gottesdienst wurde auch außerhalb von Genf gebräuchlich und zu einem Identitätsmerkmal der Reformierten. Mit den Genfer Psalmen als literarischem Muster setzte sich in den Literaturen Europas eine neue Form der Lyrik durch, die Modernisierungen oder Versuche der Modernisierung der Zielsprachen nach sich zog. Bis in die Zeit der Aufklärung hinein blieb der Genfer Psalter der prägende Maßstab für den reformierten Gemeindegesang – und seine Melodien werden bis heute gesungen.
Im Folgenden sollen die Transferprozesse, die zur Entstehung des Genfer Psalters führten, untersucht werden. Anschließend werden die Aufnahme, Verbreitung, Umformung und Übersetzung des Psalters in Mitteleuropa behandelt.
"Ein Gesamtkunstwerk von eindrücklicher Geschlossenheit" – die Entstehungsgeschichte des Genfer Psalters
Der Entstehung des Genfer Psalters ging ebenfalls ein Transferprozess voraus, der seinen Anfang in Wittenberg nahm.8 Um Weihnachten 1523 schrieb Martin Luther (1483–1546) einen Rundbrief an verschiedene Freunde, in dem er den Gedanken formulierte, die biblischen Psalmen in volkssprachige Lieder zu übertragen.9 Damit kann er als "der Erfinder des Psalmlieds"10 gelten. Luther begann selbst mit der Übertragung einiger Bußpsalmen, die als Einzelblätter und seit 1524 auch zusammen mit anderen Liedern als Gesangbücher im Druck erschienen11 und für die Ausbreitung der reformatorischen Ideen von kaum zu überschätzender Bedeutung waren.12 Zwar entstammten die Psalmen der jüdischen liturgischen Tradition und waren schon seit dem 4. Jahrhundert – in meist christologischer Deutung – der wichtigste Bestandteil der lateinischsprachigen christlichen Liturgie sowie als Gebets- und Andachtstexte weithin genutzt.13 Die Bereimung der Psalmen in Liedform jedoch und die damit verbundene Öffnung für eine gesungene Verwendung auch außerhalb von liturgischen Kontexten und durch Laien stellte eine entscheidende Neuerung dar. Schnell griffen andere Liederdichter den Gedanken auf, und zahlreiche Psalmlieder entstanden. Schon 1524 erschienen die ersten unter anderem auch in Straßburg, von Autoren und Komponisten wie Matthäus Greiter (1495–1550) und Wolfgang Dachstein (1487–1553). Bis 1538 waren zu sämtlichen 150 Psalmen Bereimungen entstanden. Das erste vollständige Psalmengesangbuch erschien in Augsburg.14 Teils stützten sich die Lieder auf vorhandene geistliche oder weltliche Melodien, nahmen etwa bekannte Chansons auf, teils wurden die Melodien eigens für die neuen Psalmlieder komponiert. In einigen Fällen verwendeten mehrere Psalmlieder dieselbe Melodie.
Die neu geschaffenen Lieder nahmen wiederum eine wichtige Rolle in den neuen Gottesdienstformen ein, die in der reformatorischen Bewegung entwickelt wurden und als Gemeindegesang den liturgischen Gesang eines Chores ersetzten oder ergänzten. In den Gottesdienstordnungen der Orte unter Einfluss der Wittenberger Reformation bildete sich eine Praxis des Gemeindegesangs heraus, bei dem sich die Gemeinde auch an liturgischen Gesängen beteiligte und von einem – teilweise vierstimmigem – Chor angeleitet wurde.15
Einen anderen Weg ging man in Zürich: Der dortige reformierte Gottesdienst entwickelte sich aus dem Prädikantengottesdienst, der schon in spätmittelalterlicher Zeit ohne Gesang gefeiert wurde. Nach Abschaffung der Messe blieb folglich auch der neue Zürcher Gottesdienst ohne Musik – auch wenn sich daraus nicht, wie Andreas Marti betont, eine generell musikfeindliche Haltung Ulrich Zwinglis (1484–1531) ableiten lässt. Gleichwohl dauerte es bis 1598, ehe man in Zürich den Gemeindegesang einführte und ein eigenes Psaltergesangbuch druckte.16 Eigenständig verlief die Entwicklung in Basel, St. Gallen und in den oberdeutschen Städten Konstanz und Straßburg. In Basel wurde schon 1526 der Psalmengesang im Gottesdienst eingeführt, in St. Gallen ein Jahr später. In Konstanz erschien ein umfangreiches Gesangbuch, das neben Liedern Luthers und anderer Autoren auch zahlreiche Psalmlieder enthielt und dessen Bestand an "Psalmen und Gesängen" vorbildhaft für viele Deutschschweizer Gesangbücher wurde.17
Die Einführung der Reformation brachte also in den oberdeutschen Zentren eine grundlegende Transformation der Gesangspraxis im Gottesdienst und die Entstehung des neuen Mediums Gesangbuch mit sich. Diese Veränderung wurde in einem recht genau nachvollziehbaren Prozess nach Genf transferiert und dort fortgeschrieben durch den Genfer Psalter: Entscheidende Bedeutung für die Entstehung des Psalters kommt Straßburg zu.18 Vermutlich hat Johannes Calvin (1509–1564), der sich als französischer Glaubensflüchtling 1535 in Straßburg und Basel aufhielt, dort die Praxis des gemeindlichen Psalmengesangs im Gottesdienst kennengelernt, die in der Gottesdienstordnung Martin Bucers (1491–1551) vorgesehen war.19 Während Calvins anschließender erster Tätigkeitsperiode in Genf verlangten die Genfer Prediger in einem Schreiben an den Genfer Rat vom 16. Januar 1537 die Einführung des Psalmengesangs in Genf.20 Unklar ist, ob die Einführung schon vollzogen war oder noch bevorstand, als Calvin und sein Mitarbeiter Guillaume Farel (1489–1565) 1538 Genf verlassen mussten.21 Calvin ging, sozusagen als doppelter Konfessionsmigrant, zurück nach Straßburg und übernahm dort im Oktober 1538 die Leitung der Gemeinde der französischsprachigen Flüchtlinge in der Stadt.22
Für den Gottesdienst in dieser Gemeinde erschien 1539 ein erstes Psalmengesangbuch mit 22 Liedern, 19 Psalmen und drei weiteren Gesängen, die Aulcuns pseaulmes et cantiques mys en chant.23 Dreizehn der Psalmenbereimungen stammten von dem französischen Dichter Clément Marot (1496–1544), die übrigen werden Calvin selbst zugeschrieben. Die Herkunft der Melodien ist größtenteils unbekannt, aber sechs gehen auf die Straßburger Kantoren Wolfgang Dachstein und Matthias Greiter und eine auf Martin Luther zurück.24 Zudem enthielt das Büchlein eine Vertonung des Credos und mit dem Canticum Simeonis und einem Zehngebotelied zwei weitere Stücke, die sich in allen folgenden Psalmengesangbüchern finden sollten und die neben den Psalmliedern die einzigen für den Gottesdienst verwendeten Gesänge wurden. Die liturgische Funktion der Psalmen in der französischen Gemeinde stimmte, wie Jan Luth nachgewiesen hat,25 mit deren Verwendung in der Gottesdienstordnung der deutschen Gemeinde Straßburgs überein.
Am Beispiel der Straßburger Flüchtlingsgemeinde zeigt sich erneut die enorme Bedeutung von Migranten als Mittler des Kulturtransfers.26 Durch diese Gemeinde und Calvins Tätigkeit in ihr wurde die Praxis, ausschließlich bereimte Psalmlieder als gottesdienstlichen Gesang zu verwenden, in den französischen Sprachraum transferiert und verband sich mit der Dichtung Marots.27 Dieser hatte – wohl unter Aufnahme des Straßburger Vorbilds – ab 1531 mit der Bereimung von Psalmen begonnen und diese im Umfeld der französischen evangelischen Bewegung am Hof der Marguerite d'Angoulême (1492–1549) publiziert. Auch Marot musste aus Glaubensgründen mehrfach aus Frankreich fliehen und lebte zeitweilig in Genf.
Waren die Aulcuns pseaulmes noch das Gesangbuch einer Migrantengemeinde außerhalb Frankreichs, so begann mit der Rückkehr Johannes Calvins nach Genf 1541 die Zeit der planmäßigen Übertragung der Psalmengesangspraxis in das fortan strahlkräftigste Zentrum des französischsprachigen Protestantismus. Calvin führte nun endgültig die Psalmen als alleinigen Gottesdienstgesang ein, bei dem die einstimmig singende Gemeinde durch einen Chor unter Führung eines Kantors (Chantre) angeleitet wurde. Die somit überflüssigen Orgeln wurden in Genf 1562 abgebaut.28 1542 erschien in Genf das Gottesdienst- und Gesangbuch La forme de prières et chantz ecclesiastique, das die 13 Straßburger Psalmbereimungen um 17 weitere Psalmlieder Marots ergänzte, deren neue Melodien vermutlich aus der Feder von Guillaume Franc (1515–1570) stammten. Schon im folgenden Jahr lag mit den Cinquante psaumes ein Drittel aller Psalmen bereimt vor. Alle Texte stammten von Marot. Dessen Tod im folgenden Jahr verzögerte das Projekt einer vollständigen Bereimung. 1551 erschienen die Pseaumes Octantetrois (83 Psalmen) in Genf. Die 33 neuen Psalmen hatte Theodor Beza (1519–1605) in Reime gebracht; neue Melodien hatte Loys Bourgeois (ca. 1510–ca. 1561) komponiert, der wie sein Vorgänger Franc in Genf als Chantre, Kantor und Musiklehrer, tätig war.29
Mit dieser Fortschreibung der anfänglichen Bereimungen Marots vollzog sich auch die Profilierung der französischen Psalmengesänge als calvinistische Praxis. Die ersten Bereimungen Marots wurden auch am französischen Hof hochgeschätzt und gesungen. König Franz I. (1494–1547) soll eine Abschrift der ersten 30 Psalmen für Karl V. (1500–1558) in Auftrag gegeben haben und die Druckausgabe 1541 erschien in Paris mit königlichem Privileg. Doch ab 1543 waren die Psalmen, zusammen mit der Genfer Gottesdienstordnung, auf der Liste der verbotenen Bücher der Sorbonne verzeichnet – wenn auch ohne große Auswirkungen auf die Zahl der Drucke. Die Psalmenbereimungen waren zu einem als häretisch wahrgenommenen protestantischen Phänomen geworden.30
Wie sehr die Verbreitung des Modells Psalmengesangbuch ein von Calvin und Beza mit höchstem Nachdruck betriebenes, planmäßiges Unternehmen war,31 zeigt sich deutlich bei der Veröffentlichung des vollständigen Genfer Psalters Les Pseaumes en vers français 1562, der alle 150 Psalmen mit 125 verschiedenen Melodien enthielt.32 In einem beispiellosen drucktechnischen Kraftakt wurde das Gesangbuch von einem Syndikat von rund 40 Druckereien in Genf, Lyon und anderen französischen Orten gleichzeitig gedruckt und in einer Gesamtauflage von knapp 30.000 Exemplaren verbreitet.33 Druckorte und Auflagenhöhe machen deutlich, dass der Psalter von vornherein nicht nur für die Verwendung in Genf, sondern in allen hugenottischen Gemeinden Frankreichs intendiert war. Schlagartig stellte dieses Unternehmen zudem die materielle Voraussetzung dafür sicher, dass der Genfer Psalter auch im Gottesdienst verwendet werden konnte. Denn viele der einzelnen Lieder, umso mehr der komplette Psalter, waren zu umfangreich, um ihn ohne Hilfsmittel im Gemeindegesang zu verwenden.34 Erst die Gesangbücher ermöglichten den Gemeinden, die neue Praxis des Gesangs umzusetzen. Die vollständige Ausgabe enthielt dementsprechend ein Schema, das die Aufteilung der Psalmen auf 25 Wochen festlegte, um die konsekutive Verwendung aller Psalmen in den zwei Sonntags- und den Wochengottesdiensten zu ordnen.35 Die weite Verbreitung des Gesangbuchs eröffnete außerdem die Gelegenheit zur Verwendung außerhalb der Gottesdienste.36
Die formale Geschlossenheit des neuen Psalterbuchs – die Dichtungen stammten von nur zwei, die Kompositionen von drei Autoren37 –, die eingängigen Melodien, die Verankerung in der Theologie Calvins38 und die Festlegung auf die ausschließliche Nutzung der Psalmen im Gottesdienst machten den Genfer Psalter tatsächlich zu einem Gesamtkunstwerk des 16. Jahrhunderts. Bei seiner Konzeption nahm Calvin Anregungen und Vorbilder aus dem Bereich des deutschsprachigen reformatorischen Liedes, der Straßburger Gottesdienstordnung, aber auch der französischen Musikpraxis der Renaissance auf und verband alles zu einem homogenen Ganzen von enormer Wirksamkeit. Dabei ließ er in gewisser Weise die Vorbilder hinter sich, verengte die Tradition des evangelischen geistlichen Liedes im Gottesdienst allein auf die Psalmlieder und schuf so eine Fokussierung, die zugleich dem Psalter ein eindeutiges, auch konfessionell geprägtes Profil verlieh. In dieser präzise definierten Gestalt, als das Psalmengesangbuch der Genfer Gemeinde, die das alles überstrahlende Zentrum des reformierten Protestantismus in Europa wurde,39 sollte der Genfer Psalter wiederum zum Ausgangspunkt zahlreicher Transfervorgänge werden.
"Ein reformiertes Erfolgs- und Exportprodukt erster Klasse" – Die Verbreitung des Genfer Psalters
War die Entstehungsgeschichte des Genfer Psalters eng verbunden mit der Geschichte der französischen Glaubensmigration und der Flüchtlingsgemeinde in Straßburg, so erfolgte die Ausbreitung des Genfer Psalters über das ganze nicht-französischsprachige Europa wiederum in besonderer Weise durch die Migranten.40 Neben anderen Faktoren, auf die im Folgenden detailliert einzugehen sein wird, spielte hierfür auch eine inhaltliche Affinität der Situation der verfolgten und bedrückten Protestanten zu den Aussagen des Psalters eine wichtige Rolle: Die Psalmen boten – und Calvin trug dazu mit Auslegungen in seinem umfangreichen Kommentar zu den biblischen Psalmen bei41 – eine Identifikationsmöglichkeit und eine quasi seelsorgerliche Unterstützung. Viele Psalmen berichten von der Vertreibungssituation und von der Bedrohung durch Feinde, klagen über Not oder jubeln über die Errettung aus ihr. Eigentümliche Aktualität erhielten diese Inhalte der Psalmen in den sogenannten Chanterien in Frankreich oder den spanischen Niederlanden: Bei diesen Gottesdiensten unter freiem Himmel, zu denen tausende Gläubige erschienen, gewann das gemeinsame Singen der Psalmen auch eine politische Dimension.42 In den Hugenottenkriegen verwendeten die protestantischen Heere die Psalmen als Schlachtgesänge. Dieser Bedeutung ist es sicher auch geschuldet, dass der Genfer Psalter im französischen Sprachraum als Psautier Huguenot bezeichnet wird.43
Die Strahlkraft und identifikatorische Wirkung des Genfer Psalters machte an den europäischen Sprachgrenzen nicht halt.44 Viele Migranten, die sich zeitweilig aus Glaubensgründen in Genf aufhielten, übertrugen das Konzept des Genfer Psalters in andere Sprachen. In Genf selbst erschien 1556 die erste Ausgabe englischer Psalmen, die sich an dem Vorbild des Genfer Psalters orientierte, ohne eine vollständige Übernahme darzustellen. Sie diente einer englischsprachigen Gemeinde von Protestanten, die vor der Herrschaft Maria Tudors (1516–1558) geflohen waren und in Genf Aufnahme gefunden hatten. Die 51 Psalmen dieser Ausgabe wurden in den folgenden Jahren ergänzt, so dass 1562, schon unter der Regentschaft Elisabeths I. (1533–1603), die 1559 den Psalmengesang auch im Gottesdienst der anglikanischen Kirche zugelassen hatte, ein vollständiger Psalter in London erscheinen konnte.45 Wichtiger noch wurde der Psalter in Schottland. Der Reformator John Knox (1514–1572), ebenfalls als Glaubensflüchtling in Genf und Pfarrer der englischsprachigen Flüchtlingsgemeinde, orientierte sich an der Genfer Gottesdienstpraxis. Der 1564 in Edinburgh erschienene vollständige Reimpsalter übernahm ein Drittel seiner Melodien aus dem Genfer Psalter und wurde zur Grundlage des Gemeindegesangs in der Kirk of Scotland. Damit wurden das Konzept des alleinigen Psalmengesangs und das stilistische Muster des Genfer Psalters übernommen, doch das Psalmengesangbuch selbst zeigte eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem Genfer Vorbild.
Überragende Bedeutung als Zufluchtsort hatte Genf auch für die evangelischen Flüchtlinge aus Italien. So ist es wenig überraschend, dass für die dortigen Flüchtlinge, aber auch für die Weiterverbreitung in Italien, gleichfalls italienische Psalmenbereimungen gedruckt wurden. Eine erste Ausgabe mit 20 Liedern sowie dem Canticum Simeonis und einem Zehngebotelied erschien schon 1554 bei Jean Crespin (1520–1572). Eine auf 60 Psalmlieder erweiterte Fassung wurde, ebenfalls in Genf, 1566 bei Giovanni Pinerolio (ca. 1519–1585) gedruckt. 1603 widmete Francesco Perotto (ca. 1530–1612) seine Bereimungen der Psalmi di David, tradotti in lingua volgare Italiana, e accommodati al canto de i Francesi der englischen Königin Elisabeth. Druckort war wiederum Genf. Die Strahlkraft, die das Zentrum Genf für die Reformierten in Ostmitteleuropa besaß, manifestierte sich auch in Übertragungen der Genfer Psalmen ins Polnische (durch Maciej Rybinski (1556–1666), Danzig 1608) und Ungarische (durch Albert Szenci Molnar (1574–1634), Herborn 1607).46
Von den Souterliedekens zur Statenberijming – Psalmengesang in den Niederlanden
Die wohl größte und vielfältigste Tradition des Psalmengesangs weisen die flämischsprachigen Niederlande auf. Schon 1540 war in Antwerpen ein erstes Gesangbuch mit Psalmliedern über alle 150 Psalmen, die Souterliedekens, erschienen.47 Diesen Psalmbereimungen lagen bekannte weltliche Melodien zugrunde. Sie waren damit den erwähnten deutschen Reimpsaltern aus Augsburg oder Straßburg vergleichbar; die Lieder wurden zur privaten Andacht oder Geselligkeit gesungen.48 Doch auch für den Psalmengesang als Gemeindegesang im Gottesdienst gab es im niederländischen Sprachraum einen Ansatz, wiederum im Kontext einer Flüchtlingsgemeinde: In der Londoner niederländischen Flüchtlingsgemeinde unter Leitung des polnischen Reformators Johannes a Lasco (1499–1560)49 wurde der Psalmengesang als alleiniger liturgischer Gesang praktiziert. A Lasco hatte sich bei seiner Konzeption der Gemeindeordnung auf die Ordnungen Martin Bucers für Straßburg und für die sogenannte Kölner Reformation des Bischofs Hermann von Wied (1477–1552), aber auch auf Calvins Genfer Vorbild bezogen.50 Einer der Ältesten dieser Gemeinde, Jan Utenhove (1520–1565) aus Gent, verfasste für die Londoner Gemeinde niederländische Psalmbereimungen. Utenhove hatte, bevor er 1549 nach London kam, drei Jahre in Straßburg gelebt und dort den Psalmengesang in der deutschen und der französischen Gemeinde kennengelernt. Eine erste Ausgabe mit zehn Psalmen erschien in London 1551. Nur zwei dieser Psalmen griffen dabei auf Melodien zurück, die schon in den Gesangbüchern der französischen Flüchtlingsgemeinde in Straßburg verwendet worden waren. Die ersten Ansätze Utenhoves sind also als durchaus eigenständige Übertragungen des Konzepts des Psalmlieds ins Niederländische zu betrachten. Schon im darauffolgenden Jahr erschien ein zweites Psalmengesangbuch Utenhoves in London, mit 25 Psalmen. Hierin fanden elf Straßburger Melodien Verwendung.51 Hatten den ersten Bereimungen vor allem deutsche Vorbilder zugrunde gelegen, begann Utenhove nun, sich an den Genfer Psalmen zu orientieren: Drei waren Bearbeitungen, zwei weitere Übersetzungen von Bereimungen Marots.
Der Londoner Gemeinde war keine lange Dauer beschieden. Drei Jahre nach ihrer offiziellen Gründung unter König Edward VI. (1537–1553) wurden infolge der scharfen Rekatholisierungspolitik Maria Tudors die protestantischen Flüchtlinge des Landes verwiesen und die Gemeinden lösten sich auf. Auch viele Engländer verließen das Land und fanden, wie oben erwähnt, u.a. in Genf Aufnahme. Utenhove verließ mit dem Superintendenten Johannes a Lasco und einer Gruppe von 175 Gemeindegliedern London und gelangte nach einer abenteuerlichen Reise über die winterliche Nordsee letztlich nach Emden. Hier fanden zahlreiche niederländische Glaubensflüchtlinge Asyl, und hier erschienen 1558 und 1559 weitere Drucke mit neuen Psalmliedern. Die Emder Ausgaben zeigen einen immer weiter zunehmenden Einfluss des Genfer Psalters auf Utenhove, der Texte Marots und Bezas übersetzte oder als Vorlage verwendete, bei den Melodien jedoch eigentümlicherweise häufig auf Straßburger Weisen zurückgriff, die im Genfer Psalter schon durch Neukompositionen ersetzt waren.52
Aber auch eine polnische Melodie, die Utenhove bei seiner Reise mit a Lasco nach Polen kennengelernt hatte, fand Verwendung. Erst in den beiden letzten Psalmengesangbüchern, die er nach seiner Rückkehr wieder in London veröffentlichte, orientierte Utenhove sich deutlich am Genfer Psalter. Die vollständige, 1566 posthum erschienene Ausgabe hat zu rund 60 Prozent Genfer Melodien und Texte Marots und Bezas zur Grundlage. Eine Besonderheit der eigenständigen und "eigenwilligen" Bereimungen Utenhoves war, dass er mit ihnen zugleich auf eine Modernisierung und Vereinheitlichung der niederländischen Schriftsprache abzielte – was allerdings der Rezeption seiner Übertragungen eher hinderlich war.53 Überhaupt blieb die Verbreitung der vollständigen Bereimung Utenhoves dadurch eingeschränkt, dass fast gleichzeitig eine Übertragung erschien, die für die nächsten zwei Jahrhunderte das dominante Psalmengesangbuch der niederländischen Sprache werden sollte: der Psalter Datheens.
An der Person Pieter Datheens (1531/32–1588/90) zeigt sich wiederum die enge Verbindung, die zwischen der Verbreitung des Genfer Psalters in die europäischen reformierten Kirchen und den Glaubensflüchtlingen bestand. Datheen (Petrus Dathenus) stammte aus Flandern, schloss sich als junger Mönch der Reformation an und musste deshalb 1550 nach England fliehen, wo er ebenfalls Mitglied der Londoner Flüchtlingsgemeinde wurde. Nach deren Vertreibung wurde er auf Vermittlung Johannes a Lascos 1555 Prediger der Frankfurter Flüchtlingsgemeinde und zog mit Teilen dieser Gemeinde 1561 weiter nach Frankenthal in der Pfalz, wo ihnen Kurfürst Friedrich III. (1515–1576) Asyl gewährte.54 Schon bald nach dem Erscheinen des vollständigen Psalters 1562 in Genf begann Datheen mit einer Übersetzung dieser Vorlage ins Niederländische. 1566 erschien eine erste Ausgabe, zusammen mit einer Übersetzung des Heidelberger Katechismus, unter dem Titel: De Psalmen Davids, ende ander Lofsanghen, wt den francoyschen Dichte In Nederlandschen ouerghesett, Doer Petrvm Dathenvm. Metgaeders den Christelicken Catechismo, Ceremonien ende Ghebeden.55 Bis zum folgenden Jahr erfuhr der Psalter Datheens schon neun Nachdrucke in Städten wie Deventer und Delft im Norden, aber auch Gent im Süden der Niederlande.56 Datheen hatte sich offenbar darum bemüht, noch vor Utenhove sein vollständiges Psalmengesangbuch vorlegen zu können. Wie der Titel es formuliert, übersetzte er nicht die biblischen Psalmen, sondern die Bereimungen Marots und Bezas, und bediente sich auch ausschließlich der Genfer Melodien. Erklärtes Ziel Datheens war die Übernahme des Genfer Vorbilds, "dewyle dat wy met den Euangelischen kercken in Vranckryck, in der leere, ende ceremonien eendrachtigh syn".57 Im sogenannten Wonderjaar 1566, dem Beginn des niederländischen Aufstands, war damit nicht nur der Funke des Aufstands von den Hugenotten Frankreichs auf die habsburgischen Niederlande übergesprungen, sondern auch der Anspruch der Übereinstimmung mit den Gemeinden in Genf und Frankreich formuliert. Datheen selber bemühte sich um eine "Kanonisierung" seines Psalmengesangbuchs: Obwohl mit dem im selben Jahr vollständig veröffentlichten Gesangbuch Utenhoves und einer Bereimung von immerhin 37 Psalmen auf Basis der Genfer Melodien durch Lukas de Heere (1534–1584) konkurrierende Alternativen vorlagen, beschloss der Konvent von Wesel 1568, eine Zusammenkunft von Vertretern der niederländischen Untergrundkirchen, die ausschließliche Verwendung der Datheenschen Psalmen in liturgischen Kontexten. Präses des Konvents war Pieter Datheen. Auf der Synode in Dordrecht 1574 wurde der Beschluss, wiederum unter Vorsitz Datheens, erneuert. Die zweite Dordrechter Synode 1618/1619 bestätigte den Psalter Datheens als einzige im Gottesdienst zugelassene Übertragung. Erst mit der sogenannten Staatenberijming 1773 wurde dieser Beschluss aufgehoben.58 Obwohl – oder gerade weil – sich Datheens Bereimung als die von der publieke kerk, der privilegierten niederländischen-reformierten Kirche approbierte Fassung durchsetzte, kam es zu einer Vielzahl weiterer niederländischer Psalmbereimungen.59
Dazu trug nicht unerheblich bei, dass man schon bald Kritik an der Sprachgestalt der Fassung Datheens äußerte. Wegen einiger ausgesprochen derber Ausdrücke, vor allem aber wegen des schlechten Wort-Ton-Verhältnisses wurden die Übertragungen gerügt; denn Datheen hatte den Wortlaut, nicht aber in jedem Fall die Silbenzahl und den natürlichen Akzent des Genfer Vorbilds übernommen.
Die zahlreichen Lückenbüßer-Wörter und Verstöße gegen das Metrum der Melodien veranlassten viele niederländische Dichter dazu, verbesserte oder eigenständige Bereimungen vorzulegen. Unter ihnen befand sich als einer der ersten Philip van Marnix van St. Aldegonde (1538–1598) [], der für sich auch – nicht ganz zu Recht – in Anspruch nahm, seiner Übersetzung die hebräischen Psalmen zugrunde gelegt zu haben und Datheen wegen theologischer Ungenauigkeiten kritisierte.60 Die Reaktionen auf die Bereimungen des Genfer Psalters und die Unzulänglichkeiten der Übersetzung Datheens können somit als Phänomen des Transfers und als Modernisierung der niederländischen Dichtung am Vorbild der französischen Reime Marots verstanden werden.61
Als mit dem Ende des 18. Jahrhunderts die Zeit gekommen war, die endgültig als überholt betrachtete Alleingültigkeit der Psalmen Datheens zu beenden,62 konnte die mit der Auswahl einer neuen Bereimung beauftragte Kommission aus einer Vielzahl von möglichen Vorlagen wählen.63 Sie stellten mit der Statenberijming 1773 ein neues Gesangbuch zusammen, das die gelungensten Texte nach bestimmten, vorher festgelegten Kriterien versammelt.64 Dabei kamen auch Psalmen zur Verwendung, deren Autoren nicht der reformierten Kirche entstammten, sondern Mennoniten waren oder der remonstrantischen Minderheit angehörten. Die Statenberijming als von der politischen Obrigkeit am Ende des 18. Jahrhunderts als alleiniges in der niederländischen publieke kerk initiiertes Gesangbuch macht damit deutlich, wie vielfältig und konfessionelle Grenzen überschreitend der Transfer des Genfer Psalters in den niederländischen Sprach- und Kulturraum verlaufen war.65
"Psalterium Davidis ex Gallico rhythmis Germanicis redditum" – Der Genfer Psalter im deutschen Sprachraum
So wie die Übertragung des Genfer Psalters für Datheen, den Leiter einer Flüchtlingsgemeinde, ein Ausdruck der Verbundenheit der niederländischen Protestanten mit den Hugenotten war, so steht am Anfang des Transfers in den deutschen Sprachraum die Bedeutung des Genfer Psalters als Symbol der Zusammengehörigkeit der europäischen reformierten Kirchen.66 Natürlich existierte die eingangs geschilderte Praxis des Singens von bereimten Psalmen im deutschen Sprachraum fort und entfaltete sich auch in der lutherischen Choraltradition zu weiterer Blüte.67 Aber das europaweit erfolgreiche Psalmengesangbuch der Genfer Gemeinde wurde eben auch als genuin reformiertes Projekt wahrgenommen. So nimmt es nicht wunder, dass die Anfänge des Transfers ins Deutsche im Zusammenhang stehen mit der planmäßig vollzogenen Umgestaltung des pfälzischen Kirchenwesens unter Kurfürst Friedrich III. Auf dem Reichstag in Speyer 1570 erteilte der Kurfürst dem humanistischen Dichter und poeta laureatus Paul Schede Melissus (1539–1602) den Auftrag, den vollständigen Genfer Psalter ins Deutsche zu übertragen.68 Der Kurfürst wollte durch diesen gezielt in Auftrag gegebenen Transfer auch die kirchliche Gesangspraxis in seinem Territorium an die als Vorbild verstandene Genfer Praxis und das internationale Reformiertentum anschließen. Die niederländische Bereimung Datheens, die denselben Anspruch erhob, war – bezeichnenderweise zusammen mit einer Übersetzung des Heidelberger Katechismus – ebenfalls erstmals in Heidelberg erschienen.
Schede Melissus schien in vieler Hinsicht für diesen Auftrag geeignet: Er hatte seit 1568 in Genf gelebt, dort die französische Dichtkunst kennengelernt, war mit Theodor Beza und Claude Goudimel (1514–1572) befreundet und hatte die Bekanntschaft Christophs (1551–1574), eines Sohns des Kurfürsten, während dessen Aufenthalt in Genf gemacht. Zudem war er als Dichter, der gleichermaßen auf Deutsch, Französisch und Latein schrieb, in der gelehrten Welt angesehen.69 Der Auftrag war ein doppelter: Zum einen sollte er die Genfer Psalmen unter Beibehaltung der Melodien in eine deutsche Fassung bringen, was natürlich angesichts von 125 Melodien und fast ebenso vielen Strophenformen eine erhebliche Einschränkung in der Freiheit der künstlerischen Gestaltung darstellte. Diese Fassung war für den Gemeindegebrauch bestimmt, sollte also ein Pendant zum Genfer Gesangbuch schaffen. Zum anderen sollte er eine Prosaübertragung der Psalmen leisten. Hierfür beschloss Schede, auf den hebräischen Urtext zurückzugreifen und die vorliegenden, als konfessionell geprägt empfundenen Übersetzungen, vor allem die Vulgata und die Lutherübersetzung, zu meiden. Da er des Hebräischen nicht ausreichend mächtig war, bat er den führenden Hebraisten seiner Zeit, Immanuel Tremellius (1510–1580), um Mithilfe. Die Arbeit an beiden Psalmenfassungen ging nur langsam voran, so dass, auf Drängen des Kurfürsten, Anfang September 1572 in Heidelberg bei Michael Schirat (um 1563/1575) eine Teilausgabe mit den ersten 50 Psalmen in Bereimung und Prosaübertragung sowie dem Zehngebotelied und dem Canticum Simeonis erschien .70
Bei dem Übersetzungsversuch des Schede Melissus kam es zu einer erstaunlichen Parallele zu der niederländischen Übersetzung durch Jan Utenhove im vorangegangenen Jahrzehnt. Wie dieser verband auch Schede seine neue Übertragung mit dem Versuch einer Sprach- und Orthographiereform,71 wohl in der Hoffnung, die zu erwartende weite Verbreitung des Psalters werde seinem Ansatz zum Durchbruch verhelfen. Auch bei der Übertragung in die deutsche Sprache sollten die Genfer Psalmen also, wie bei Utenhove, einen sprachlichen Vereinheitlichungs- und damit Modernisierungsprozess auslösen. Und wie bei Utenhove, dessen Sprachformen als zu deutsch und altmodisch empfunden wurden, scheiterte auch bei Schede Melissus dieser Versuch. Zum einen griff er, mit dem Ziel der Vereinheitlichung, auf altertümliche Schreibweisen zurück, ohne diese selbst konsequent durchzuhalten. Zum anderen verwendete er ungebräuchliche Worte und Neologismen.72 Zudem wiesen die Psalmlieder Schedes in ihrer strengen Orientierung an den Metren und Versformen des französischen Vorbilds Füllwörter und die Anfügung von ungebräuchlichen Endsilben auf, so dass ihre Sprachmelodie häufig dem intendierten Gebrauch als Gemeindegesang entgegenstand. Der Kurfürst kritisierte die Verknüpfung der Psalmenübertragung mit dem Versuch einer Sprachreform, doch Schede Melissus ließ sich nicht davon abbringen, sondern verteidigte sein Vorgehen in Gedichten.73 Auch bei der Übertragung der folgenden fünfzig Psalmen setzte Schede Melissus seine Reformversuche fort, allerdings wurden diese schon nicht mehr gedruckt.74 Denn eine weitere Parallele zur Übertragung ins Niederländische liegt bei der deutschen Übersetzung Schedes darin, dass auch sie von einem vollständigen Psalter "überholt" wurde. Während man bei Datheen und Utenhove von einer direkten Konkurrenz, vielleicht sogar einem Wettrennen ausgehen kann, das nur knapp zugunsten Datheens ausging und zu zwei kompletten Bereimungen führte,75 entstand die konkurrierende deutsche Übersetzung am Rand des deutschen Sprachraums, scheinbar ohne einen unmittelbaren calvinistischen Kontext, nämlich im lutherischen Königsberg. Der humanistisch gebildete Jurist und Juraprofessor der Königsberger Albertina Ambrosius Lobwasser (1515-1585) veröffentlichte 1573 in Leipzig eine vollständige Übersetzung des Genfer Psalters mit den vierstimmigen Sätzen Goudimels.
Der Umstand, dass ein Lutheraner die calvinistischen Psalmen übersetzt habe, wird seitdem in vielen Untersuchungen zu Lobwasser hervorgehoben, beruht jedoch auf einer späteren Fehlzuschreibung.76 Vielmehr entzog sich Lobwasser zeitlebens einer allzu engen konfessionellen Festlegung. Nach seinem Studium und einer Tätigkeit als Professor und Dekan der Artistenfakultät in Leipzig verließ er 1549 das Reich für Jurastudien in Löwen, Paris und Südfrankreich. Seine Psalmenübersetzung verdankt sich in ihren Anfängen diesem langjährigen Studienaufenthalt in Bourges und im Anjou, wo er das calvinistische Psalmensingen kennengelernt und mit seiner Übersetzung ins Deutsche begonnen hatte. Ende der fünfziger Jahre waren anscheinend schon alle bis dahin vorliegenden 83 Psalmen übersetzt. Nach kurzer Rückkehr ins Reich krönte Lobwasser seine Studien 1562 mit dem juristischen Doktortitel an der Universität Bologna. Anschließend wurde er von Herzog Albrecht (1490–1568) nach Königsberg berufen, wo er als Juraprofessor und mehrfacher Rektor der Universität höchstes Ansehen genoss. Nachdem der vollständige Genfer Psalter ab 1562 vorlag, nahm sich Lobwasser, wohl auf Anregung des französischen Adligen Jacob Gaurier, der Übersetzung der übrigen Psalmen an,77 wozu ihm die Unterbrechung des Lehrbetriebs an der Albertina wegen des Ausbruchs einer Seuche die Muße gab. Eine erste Widmungsvorrede an seinen – lutherischen – Landesherren Albrecht verfasste Lobwasser am 15. Februar 1565. Durch dessen Krankheit und Tod verzögerte sich der Druck des kompletten Psalters um acht Jahre, so dass Lobwasser eine neue Vorrede an Albrechts Sohn und Nachfolger Albert Friedrich (1553–1618) hinzufügte. Der ersten Ausgabe ließ Lobwasser 1576 eine zweite, von vielen Fehlern bereinigte folgen, die Grundlage für alle weiteren Ausgaben wurde.78 Noch vor Erscheinen dieser zweiten Auflage war 1574 ein Nachdruck in Heidelberg veröffentlicht worden, den Pfalzgraf Friedrich als Gesangbuch in seinem Territorium einführte.79
Mit dieser offiziellen Einsetzung war nicht nur das Übersetzungsprojekt des Schede Melissus obsolet geworden,80 sondern der Startschuss gegeben für eine überaus erfolgreiche Verbreitung des Psalters. Der Lobwasser wurde im deutschen Sprachraum – und darüber hinaus81 – zum Synonym für die Genfer Psalmen. Noch zu Lebzeiten Lobwassers erfuhr sein Psalter acht weitere Ausgaben, bis zum Jahrhundertende waren es mehr als 40 Nachdrucke und Neuauflagen,82 und bis zum Ende des 18. Jahrhunderts führten mehr als 800 Drucke im deutschen Sprachraum Lobwassers Namen im Titel.83
Lobwassers Psalmenübertragung hatte nicht nur, wie sein Pendant auf niederländischer Seite, den Vorteil, von einer wichtigen Territorialkirche als Gesangbuch eingeführt worden zu sein. Lobwasser hatte es auch verstanden, seinen Text in gewisser Weise an die deutsche Choraltradition zurückzubinden. Zwar bemühte auch er (wie Schede) sich, die vielfältigen Vers- und Strophenformen der französischen Vorlage nachzubilden, zumal ja die Singbarkeit der Melodien gewährleistet werden sollte. Doch indem Lobwasser anders als Schede keine weitergehenden modernisierenden Ambitionen mit seiner Übersetzung verband, sondern sich erklärtermaßen in die Tradition der Psalmlieder Luthers stellte,84 dessen Wortwahl und Syntax aufnahm und sie in Strophenbau, Metrum und Reimschema der Vorlage goss,85 gelang ihm eine Verbindung, die der pragmatischen Funktion eines Psalmengesangbuchs im deutschen Sprachraum sehr entgegenkam: Zur Nutzung im Gemeindegesang und zur privaten Devotion war das Lobwassersche Gesangbuch ideal geeignet.86 Auf diese Weise vollzog sich der kulturelle Transfer des Genfer Psalters in den deutschen Sprachraum im Rückgriff auf dieselbe Tradition, aus der auch die Straßburger Anfänge des Genfer Psalters hervorgegangen waren.87 Bezeichnenderweise stützte sich Lobwasser beim Druck seiner Ausgabe nicht nur auf die Genfer Melodien, sondern auch auf die vierstimmigen Sätze Claude Goudimels, die in Genf nicht für den Gottesdienstgesang zugelassen waren und auch in der Heidelberger Ausgabe 1574 fehlten. Im Kontext lutherischer Gottesdienste waren hingegen vierstimmige Sätze nicht ungewöhnlich.88
Die Psalter im konfessionellen Kontext
Zugleich aber geriet Lobwassers Übertragung – vermutlich gegen seine Absicht – trotz ihrer großen Popularität, die auch zu Nachdrucken in zweifellos lutherischen Orten wie Eisleben führte, zwischen die sich verhärtenden konfessionellen Fronten. Denn die Wahrnehmung als eindeutig von seiner Herkunft aus Genf geprägtes Gesangbuch hatte den Transfer in den deutschen und niederländischen Sprachraum befördert. Sowohl Datheen mit dem Anspruch auf Übereinstimmung mit den Hugenotten als auch Friedrich III. von der Pfalz und sein Projekt einer Zweiten Reformation übernahmen den Psalter ausdrücklich als calvinistischen Genfer Psalter. Damit einher ging auch eine zunehmende Identifikation des Singens von Psalmen als genuin reformierter Usus. So wurde der Lobwasser-Psalter, das "unbestrittene Gesangbuch der reformierten Kirche in Deutschland und der deutschsprachigen Schweiz",89 mit Gegenentwürfen aus dem lutherischen Lager konfrontiert, die verhindern sollten, dass die Genfer Psalmen auch in lutherische Gottesdienste Eingang fanden.90 Der sich verschärfende konfessionelle Gegensatz zwischen Lutheranern und Reformierten erschwerte den Transfer des Psalters in der einen Richtung, wo er ihn in der anderen gefördert hatte.
Der Leipziger Thomaskirchenpastor Cornelius Becker (1561–1604) verfasste etwa das Gesangbuch Der Psalter Davids Gesangsweis, Auff die in Lutherischen Kirchen gewöhnliche Melodeyen zugerichtet,91 das eindeutig gegen den Genfer Psalter und seine Melodien zielte.92 Noch deutlicher als Konkurrenzunternehmen zeigte sich das Werk von Johann Wüstholz (gest. 1626), der seinen Psalter unter den Titel Der Lutherisch Lobwasser93 stellte. Wüstholz folgte in seinen Texten dem Vorbild Beckers, legte aber die Genfer Melodien zugrunde. Der Untertitel bei Wüstholz macht deutlich, worin der theologische Anstoß am Lobwasser-Psalter bestand: Das ist: Der gantze Psalter Davids / auff Christum den rechten Scopum oder Zweck der heiligen Göttlichen Schrifft / sonderlich auff das Newe Testament unnd diese letzte Zeit gerichtet. Nach D. Ambrosii Lobwassers art Reimen unnd Melodeyen zu singen. Mit kurtzen Summarien über alle Psalmen. Becker, Wüstholz und andere lutherische Theologen störten sich daran, dass mit dem Gesangbuch Lobwassers auch die Psalmenauslegungstradition Calvins verbreitet wurde, nämlich eine streng auf den Literalsinn oder historischen Sinn beschränkte Interpretation der Psalmen. Luther dagegen hatte die Psalmen weithin typologisch auf Christus hin gedeutet.94 Besonderen Anstoß nahmen Becker und Wüstholz nicht an den Psalmen selbst, sondern an den arguments, kurzen Einleitungssätzen, die den Psalmen beim Genfer Psalter vorangestellt waren und eine Interpretation des jeweiligen Psalms vornahmen. In diesen arguments war die inkriminierte Genfer exegetische Tradition viel deutlicher als in den nah am biblischen Text bleibenden Psalmen zu greifen. Entsprechend stellten Becker und Wüstholz ihnen eigene "kurtze Summarien" entgegen.
Zwar erreichten beide konkurrierenden lutherischen Psalmenbereimungen mehrere Auflagen, doch konnten sie weder verhindern, dass Lobwassers Psalmlieder und damit die Genfer Melodien in die lutherische Choraltradition Aufnahme fanden,95 – geschweige denn den Siegeszug Lobwassers in den reformierten Kirchen im deutschsprachigen Raum aufhalten –, noch war ihnen selbst eine langanhaltende Rezeption vergönnt. Denn schon bald sollten ihre Bereimungen nicht mehr dem Zeitgeschmack und den Ansprüchen an poetische Werke entsprechen, die in dem einflussreichsten literarischen Reformwerk dieser Zeit formuliert waren: der Deutschen Poeterey des Martin Opitz (1597–1639) [].96 Und wieder verknüpfte sich ein – diesmal überaus erfolgreicher – literarischer Reformansatz mit einer Rezeption des Genfer Psalters: Auch Opitz wählte die Bereimung von Psalmen nach den Genfer Melodien als Gegenstand, an dem er seine zuvor formulierten Prinzipien anwenden und sie damit verbreiten konnte. In dem Buch von der Deutschen Poeterey hatte Opitz 1624 ein strenges Regelwerk bezüglich Metrik und Rhythmik aufgestellt, in dem er das Zusammenfallen von Wortakzent und Versakzent sowie die Reinheit der Reime postulierte. Zur Erläuterung zog er Beispiele für nicht mehr tolerierbare Reimgestaltung auch aus dem Lobwasser-Psalter heran.97
Mit seiner vollständigen Psalmenbereimung98 verfolgte Opitz zugleich auch weitergehende Absichten. In der Vorrede zu seinem Psalter referierte er die Geschichte der Versifikationen der Psalmen, stellte sich also in eine lange Tradition, beginnend bei der griechischen des Apollinaris von Laodicea (ca. 310–390), und zählte nicht weniger als 38 verschiedene Versionen auf. Er setzte sich kritisch mit Marot und Beza auseinander,99 lobte die Melodien Goudimels und widmete sich ausgiebig Lobwasser,100 wobei er – genüsslich? – die Kritik von Schede Melissus wiedergab, um Lobwasser gleich darauf zu entschuldigen, "weil damals jetzige manir Poëtisch zu schreiben / vnd den thon der syllaben in acht zu nemen vnbekandt gewesen." Dagegen rügte er die Übertragung von Schede Melissus für ihre "Seltsame art zu reden / gedrungenen reime vnd was dergleichen ist". Nach weiteren Seitenhieben unter anderem gegen Cornelius Becker, dem er Auslegung statt Übersetzung des Textes vorwarf, erklärte er, für seine Psalmen alle alten und neuen "Poetischen Dolmetscher" nebeneinandergestellt, die gelehrtesten Hebraisten herangezogen und sich so genau wie möglich an den Text im buchstäblichen Sinn gehalten zu haben. Nichts weniger als eine wortgetreue Bereimung unter kritischer Würdigung der gesamten Bereimungsgeschichte ging Opitz also an, und dies in überkonfessioneller Absicht:
Vnd weil ich also von den worten des heiligen Königs [sc. David, den Opitz als Autor des Psalters ansieht] nirgend abgewichen bin / so wird auch hoffentlich mit warheit mich niemand beschuldigen können / als ob ich diß vnd in ansehung einer oder der anderen Religion so vnd so gegeben / vnd einiger zuneigung stat gelassen hette. Wie es auch wider meinem Stande gemeß / noch meinem Gemüte jemals einkommen ist / mich in der Geistlichen bei jetzigem mißlichen zustande sehr vnzeitige streitigkeiten ein zu mengen, also wird man mich nicht verdencken / daß ich lieber in den Fußstapffen des Textes geblieben / als auf diese oder jene seite außgeschritten bin.101
Opitz bemühte sich also, den Psalter aus dem konfessionellen Streit herauszuholen, indem er auf den hebräischen Text zurückging, alle ihm zugänglichen Bereimungen heranzog und Interpretationen mied, die eine konfessionelle Färbung gehabt hätten. Entsprechend übertrug er auch nicht die Genfer arguments und Gebete. Indem er den Genfer Psalter nur in seinen Melodien und Strophenformen rezipierte und sich im Vorwort sogar recht deutlich von ihm absetzte, versuchte Opitz, den Psalter von dessen konfessionellen Konnotationen zu befreien.102
Mit seinem Psalter hatte Opitz zwar einigen Erfolg, er erfuhr mehrere Nachdrucke, doch gelang es seiner Übersetzung nicht, den Lobwasser-Psalter als Gesangbuch der Reformierten zu ersetzen.103 Auch wenn Lobwassers Übersetzung in der Folge der Opitz’schen Poetikreform mehr und mehr als veraltet wahrgenommen wurde, dauerte es auch im deutschen Sprachraum, wie in den Niederlanden, bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, ehe er ganz durch eine andere Übersetzung verdrängt wurde.104 Allerdings wurden die Lobwasser-Psalmen in deutschen reformierten Gemeinden nicht wie in Genf und den Niederlanden als alleinige Kirchengesänge verwendet. In vielen reformierten Gesangbüchern wurde der Psalter um Luther-Lieder ergänzt, etwa bei den populären vierstimmigen Chorsätzen, die Johann Crüger (1598–1662) für die reformierte Domgemeinde in Berlin in einer Sammlung unter dem Titel Psalmodia sacra herausgab.105
Während der Transfer des Genfer Psalters in die protestantischen Kirchen des Reichs – zwar unter den genannten konfessionellen Vorzeichen und Friktionen, aber doch überaus erfolgreich – gelang, war die Scheidelinie zu den Kirchen des tridentinischen Katholizismus ungleich schwerer zu überwinden. Doch auch auf katholischer Seite kam es, als Reaktion auf die Erfolge Lobwassers und bezeichnenderweise durch einen konvertierten ehemaligen Lutheraner, 1582 zu einer kompletten Psalmenbereimung:106 Der Kaiserswerther Priester und Kanoniker Caspar Ulenberg (1549–1617) verfasste nicht nur die Texte, sondern komponierte auch eigene Melodien, wobei er die direkte Übernahme von Genfer Melodien vermied, aber seine eigenen dem Genfer Stil anpasste.107 In seinem Vorwort bezog sich Ulenberg sogar direkt auf Schede Melissus, Lobwasser und Datheen:
Was dieses fals die Sectarien bei vnsern zeiten vorgenommen / wie sie die Psalmen Dauids gesangsweiß für das gemeine Volck zugericht / vnd jhre Jrtthumben hin und wider behendiglich eingeschoben ... / daß ist aller welt genůgsamb kündig. ... Hab derwegen die Psalmen Dauids fürgenommen / vnd dieselben nach jhrem rechten wahren verstand / so viel mir dem nachzuforschen möglich gewesen / in allerley Teutsche Reimen bracht / hab auff ein jedes genus Carminis oder art reimen besondere Melodeyen zugerichtet vnd verordnet. Darunter auch etliche / fast die beste und lieblichste Melodeyen auß dem Marotischen oder Caluinischen Psalter gebraucht worden: Jnmassen vor alters der H. Ephraim des obgedachten Ketzers Harmonij liebliche Melodeyen behalten / vnd andern / reinen Catholischen Text vnter denselben den Catholischen in Syria zusingen verordnet.108
Ulenberg versuchte also, die Gefahr der Verbreitung ketzerischer Gedanken zu bannen, die vom offenkundig effektiven Transportmedium Genfer Psalter ausging, indem er eine rein katholische Fassung dagegenstellte oder sogar darüberlegte. Damit war er sehr erfolgreich: Sein Psalmengesangbuch erfuhr zahlreiche Auflagen, einiger seiner Lieder sind bis heute im Gotteslob vertreten.109 Der Transfer des Genfer Psalters führte auf katholischer Seite so zu einer Gegenreaktion, ja einer aktiven Umprägung der als gefährlich empfundenen Übersetzungen und Melodien, die ihrerseits eine langanhaltende Tradition begründete.110
Resümee
Der Transfer des Genfer Psalters in die verschiedenen Sprachen des europäischen Kontinents macht das komplexe Wechselspiel von sprachlichen, nationalen und konfessionellen Dimensionen im kulturellen Transfer der europäischen Frühneuzeit deutlich. Dies ließe sich noch an zahlreichen weiteren Beispielen zeigen und wird besonders im deutschen Sprachraum mit seinen vielfältigen konfessionellen Gemengelagen und Grenzsituationen sichtbar. Der Transfer des Psalters fungierte dabei auch als Katalysator für vielfältige Veränderungen und sprachliche Modernisierungsvorgänge. Vermittelt häufig von Grenzgängern, die territoriale, sprachliche und konfessionelle Grenzen überschritten oder ignorierten, transportierte er einerseits ein calvinistisches Identitätsmoment, verbreitete aber auch eine gemeinchristliche Frömmigkeitspraxis in einer bestimmten, erfolgreichen Form durch einen Transferprozess von tatsächlich europäischer Dimension.
Die enorme Wirksamkeit der Genfer Psalmen, die je nach konfessioneller Ausrichtung als identitätsstiftend oder gefährlich empfunden werden konnte, spiegelt auch das Gedicht aus der Mitte des 17. Jahrhunderts am Orgelkasten der lutherischen Frauenberger Kirche in Nordhausen am Harz:
Klingt wohl ihr Pfeiffen all / Doch Gott allein zu Ehren /Erfüllt mit eurem Schall / Die Kirch, das Haus des Herren / Ermuntert auch mit Fleiß / Der Leute Mund und Zungen, / Daß sie auff solche Weiß / Von Grund des Hertzens singen / Die Psalmen Davids schon, / Die geistlichen Gesänge / Nach Doctor Luthers Ton / Einfältig ohn Gepränge. / Für fremder Melodey, / Für aller falschen Lahr, / Für Calvini Geschrey / Allzeit Herr uns bewahr.111