Einleitung
Die Kommunikation der christlichen Botschaft in der hier darzustellenden historischen Periode beginnt gleichsam mit einer irenischen und einer martialischen Antwort auf eine Bedrohung Europas, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts von einer gegenläufigen Konfliktlinie zwischen Christentum und Islam herrührte. Im Osten schreckte im Jahr 1453 die Eroberung des christlichen Konstantinopel (heute Istanbul) durch Sultan Mehmed II. (1432–1481) und der Untergang des byzantinischen Reiches Europa auf und veranlasste den Universalgelehrten und Kardinal Nikolaus Cusanus (1401–1464), mit seiner Schrift De pace fidei (1453) einen fiktionalen Religionsdialog der damals bekannten Religionen zu verfassen, um der Gefahr eines Religionskriegs vorzubeugen und auf der Grundlage der "einen Religion in der Vielfalt der Riten" (religio una in rituum varietate) interreligiösen Frieden zu stiften. Andererseits gelang es den "Katholischen Königen", Isabella I. von Kastilien (1451–1504) und Ferdinand II. von Aragón (1452–1516), nach jahrhundertelanger Reconquista, mit der Eroberung von Granada im Jahr 1492 die muslimische Herrschaft auf der iberischen Halbinsel zu beenden.
Im gleichen Jahr setzten sie eine folgenreiche Expansion ihrer Herrschaft ins Werk, indem sie den Genuesen Christoph Kolumbus (1451–1506) den westlichen Seeweg nach Asien erkunden ließen, um den islamischen Gürtel zu umgehen und die portugiesische Ostroute um Afrika herum zu meiden, die Päpste in verschiedenen Bullen den Portugiesen "exklusiv" anvertraut hatten. Dieses Unternehmen war religiös-missionarisch und politisch-ökonomisch motiviert. Nach dem königlichen Schutzbrief (Capitulación) vom 17. April 1492 sollte Kolumbus aufbrechen "um des Dienstes an Gott und der Verbreitung des rechten Glaubens willen sowie auch zu unserem Nutzen und Vorteil."1 Ikonographisch prägend stilisierte der protestantische Kupferstecher Theodor de Bry (1528–1598) die Entdeckung des Kolumbus ein Jahrhundert später mit einer Bildpolitik, die martialische Zivilisation mit paradiesischer Nacktheit kontrastiert und die Ankunft des Christentums (Kreuz) mit der Suche nach Reichtum (Gold) verknüpft.
Zur selben Zeit verfolgte die andere iberische Seemacht Portugal mit ihren Vorstößen an den Küsten Afrikas Eroberungs- und Handelsinteressen (Gold, Pfeffer, Elfenbein, Sklaven), die durch päpstliche Bullen wie Romanus Pontifex (1455) legitimiert und zugleich mit dem kirchlichen Patronat in den portugiesischen Einflusssphären verbunden wurden.
Als Diogo Cão (gest. nach 1486) bei den Afrikaexpeditionen die Mündung des Kongo und Angola (1482) entdeckt hatte und es zu Kontakten mit den einheimischen Herrschern gekommen war, begann 1490 ein einzigartiges Missionsexperiment. König Nzinga Nkuwu = João I. (gest. 1506) ließ sich taufen, sein Sohn König Nzinga Mvemba = Afonso I. (reg. 1506–1543) betrieb mit den Portugiesen die Entwicklung und Christianisierung des Landes. Dessen Sohn Dom Henrique (ca. 1495–1526) wiederum studierte in Portugal und wurde 1521 zum ersten schwarzafrikanischen Bischof geweiht. Doch verhinderten aufkommende Kommunikationsprobleme zwischen der portugiesischen Krone und dem afrikanischen Mani-Kongo, kulturelle Differenzen sowie die Unvereinbarkeit von Mission und Sklavenhandel letztlich eine nachhaltige Entwicklung dieses überstürzten Projekts europäisch-afrikanischer Partnerschaft und einer afrikanisierten Kirche. Artefakte dieser Zeit jedoch zeigen in der künstlerischen Rezeption des Kreuzes schon afrikanisierte Züge, bis hin zu doppelgeschlechtlichen Darstellungen entsprechend der matrilinealen Kultur und der dortigen Mythologie.2
Nach der Ankunft Vasco da Gamas (1469–1524) im indischen Calicut, dem heutigen Kozhikode, im Jahr 1499 auf der Suche nach "Christen und Gewürzen" und der Eroberung Goas war die Grundlage für das portugiesische maritime Handelsreich gelegt, in dem die Christianisierung stattfand. Damit waren die drei wichtigsten geographischen Räume eröffnet, in denen die katholischen Missionsunternehmen im Rahmen der europäischen Expansion stattfanden. Bis ins 18. Jahrhundert beherrschten Spanien und Portugal aufgrund des Patronats fast ausschließlich das Feld der Mission. Ein entpolitisierendes Gegengewicht stellte die Gründung einer kirchlichen Zentralbehörde dar, der römischen Congregatio de propaganda fide (1622). Sie vertrat zugleich eine neue Konzeption, welche den religiösen Charakter der Mission, die wissenschaftliche und sprachliche Ausbildung der Missionare, den Aufbau eines einheimischen Klerus und eine Ent-Europäisierung der Mission forderte.3
Im 18. Jahrhundert erfuhr die katholische Mission aus verschiedenen Gründen eine Schwächung. Dazu zählten der Niedergang Spaniens und das Aufkommen neuer (protestantischer) Seemächte wie Holland und England; die Auflösung des Jesuitenordens (1773), die einen Verlust von etwa 3.000 Missionaren nach sich zog, die Schwächung durch Aufklärung, Französische Revolution und napoleonische Wirren. Doch im folgenden 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte die katholische Mission eine neue Blütezeit, die finanziell vornehmlich vom Volk getragen wurde (Missionsvereine), personell von den (zum Teil für Missionsarbeit neu gegründeten) Orden und zahlreichen Missionsgesellschaften getragen und von Rom zentral koordiniert wurde (ius commissionis). Starke Impulse kamen von Papst Gregor XVI. (1765–1846), in dessen Pontifikat die Sklaverei verurteilt wurde, die Entwicklung der Missionsgebiete zu eigenständigen Bistümern, der einheimische Klerus sowie die Verknüpfung der Mission mit Bildung und Gesundheit gefördert wurden. In dieser Epoche kam es nach Erstarken der protestantischen Mission vor allem in Afrika zu konfessionellen Parallelaktionen, so dass sich das Feld pluralisierte. Auch in diesem Zeitraum waren vor allem ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die christlichen Missionen eng mit dem Ziel der Zivilisierung verbunden und vielfach in die kolonialen Bestrebungen der europäischen Mächte in Afrika und Asien eingebunden. Erst die Dekolonisation in der Mitte des 20. Jahrhunderts beendete diese Allianz. Um 1920 wies die katholische Missionsstatistik beeindruckende Zahlen auf, da sie auf allen Kontinenten, mehrheitlich in Afrika, 12.700 Missionare (Priester) und über 24.000 Missionarinnen (Schwestern) zählte.4
Amerika
Die Christianisierung der "Neuen Welt" begann auf der zweiten Reise des Kolumbus zu den kleinen und großen Antilleninseln (1493–1496), als Ramón Pané (gest. 1571), ein Angehöriger des Hieronymiten-Ordens, unter den einheimischen Taino missionarisch tätig wurde und darüber in seinem auch ethnographisch bedeutsamen Buch berichtete (Relación acerca de las antigüedades de los indios, 1498).
Nach der spanischen Eroberung der altamerikanischen Reiche der Azteken in Mexiko und der Inka in Peru begann unter dem Patronat der Krone ab den 1520er Jahren eine planmäßige Christianisierung der indigenen Bevölkerungen. Beteiligt daran waren zu Tausenden die humanistisch gebildeten und spirituell motivierten Ordensleute, vor allem die Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner, aber auch Kapuziner, Augustiner, Merzedarier oder Karmeliter, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schon über 250 Konvente gegründet hatten, die zugleich Zentren der Bildung waren. Eine Stadt wie Lima hatte um 1600 fünf Männer- und sieben Frauenklöster, dazu noch fünf von Kongregationen und Bruderschaften geführte Spitäler. Die Missionsunternehmen wurden oft als conquista espiritual bezeichnet,5 wobei eine sanfte Evangelisation intendiert und die martialische Terminologie spirituell gemeint war. Man denke nur an die franziskanische Gruppe der "doce frailes", die am Beginn des 16. Jahrhunderts als "Apostel" unter Leitung von Martín de Valencia (ca. 1473–1534) nach Mexiko kamen und deren Missionserfolge auf der im strengen Geist der Frömmigkeit, der Armut und der Demut gelebten Konvivenz mit den Indios beruhten, aber auch auf ihren linguistischen Leistungen. Millenaristische Dringlichkeit sowie der politische Augustinismus des orbis christianus verführten aber nicht selten zur Legitimierung von Zwangsmaßnahmen. Ein Jahrhundert später begann das antikolonialistische Experiment der Jesuitenreduktionen6 in Paraguay, das in der Blütezeit um 1700 etwa 30 Ansiedlungen umfasste und in Anknüpfung an die jeweiligen autochthonen Kulturen neue indianisch-christliche Synthesen hervorbrachte. Das Missionsprojekt, das als "Jesuitenstaat" in die Geschichte eingegangen ist, hat vielfach künstlerische Darstellungen hervorgerufen, wie etwa Alfred Döblins (1878–1957) Romantrilogie Amazonas (1937) oder Roland Joffés (*1945) Verfilmung Mission (1986) auf der Grundlage des Schauspiels Das heilige Experiment (1942) von Fritz Hochwälder (1911–1986).
Die Conquista Amerikas brachte für die indigenen Bevölkerungen einen erheblichen demographischen Aderlass mit sich, nicht nur durch von Europäern eingeschleppte neue Krankheiten, sondern auch durch Institutionen der wirtschaftlichen Ausbeutung wie das System der encomienda (span. encomendar = anvertrauen), eine Zuteilung von Indianern an die Siedler zur Nutzung der Arbeitskraft und zur Christianisierung. Gegen dieses System und die Gewalt der Conquista wandten sich mit pastoralen, politischen und publizistischen Mitteln Protagonisten wie der Dominikaner und Bischof Bartolomé de Las Casas (1484–1566)[], der Freiheit und Menschenrechte (derechos humanos) für die Indianer forderte. So stieß er kolonialethische Diskurse an und bewegte die Krone zu gesetzgeberischen Maßnahmen wie die Nuevas Leyes (1542).7 Auch Papst Paul III. (1468–1549) erließ die Bulle Sublimis Deus (1537), die das Recht der Indianer auf Freiheit und Besitz betonte. Allgemein kann gesagt werden, dass die Schutzgesetze für die Indianer (Recopilación de las Leyes de Indias) auf die Vorschläge von Missionaren zurückgingen, die die Missstände vor Ort am besten kannten und mit konstruktiven Vorschlägen zur Anklage brachten.
Die Mission in Spanisch-Amerika erstreckte sich von den heutigen amerikanischen Bundesstaaten Kalifornien, Arizona und Neumexiko bis zu den Mapuche im Süden des heutigen Chile. Aus der Mission ging der systematische Aufbau einer Kirchenorganisation hervor, die in der Kolonialzeit über 30 Bistümer in den vier Kirchenprovinzen Santo Domingo, Mexiko, Lima und La Plata umfasste.
Zum spanischen Kolonialreich gehörten seit Mitte des 16. Jahrhunderts auch die Philippinen, die zeitweise durch eine Schiffsverbindung mit Amerika verbunden waren (Manila-Galeone). Relativ schnell christianisiert, sollte die Inselgruppe nach illusorischer Vorstellung einiger Missionare als Sprungbrett für die Eroberung Chinas dienen.
Auch in Brasilien, das zum portugiesischen Patronatsbereich gehörte, kam es im Rahmen der Landnahme zu zahlreichen Missionsunternehmen, die sich ebenfalls mit dem Kolonialsystem und dem damit verbundenen Sklavenhandel auseinanderzusetzen hatten. Als "Kirchenvater" Brasiliens ragt José de Anchieta (1534–1597) hervor, der seine Sprachbegabung zur Abfassung von Epen und mehrsprachigen Theaterstücken nutzte. In Hispano- und Luso-Amerika entstanden im Dienst der Missionsarbeit zahlreiche ethnographische Werke und linguistische Arbeiten wie Grammatiken und Wörterbücher der indigenen Sprachen, aber auch bilinguale pastorale Publikationen wie Katechismen (Doctrina) und Beichthandbücher (Confesionario), die, in Mexiko und Lima gedruckt, weite Verbreitung fanden.
Im Norden des amerikanischen Kontinents standen die Missionsaktivitäten zwar nicht unter dem Patronat, aber auch in kolonialen, von Frankreich und England dominierten Zusammenhängen. In Nouvelle France im heutigen Kanada stießen die Missionare auf indianische Völker wie die Montagnais, Huronen und Irokesen, deren Siedlungsgebiete, Sprachen und Kulturen sie erforschten, wie etwa Jean de Brébeuf (1593–1649), Jacques Marquette (1637–1675) oder Jean Baptiste de la Brosse (1724–1782). Bemerkenswert ist auch der Einsatz von Ordensfrauen (Ursulinen) in Quebec (ab 1639). Einen guten Einblick in ethnographische, linguistische und interreligiöse Zusammenhänge dieser Mission im Norden gibt eine 73-bändige Sammlung von Berichten und Briefen, die eine interdisziplinär wertvolle Quelle darstellt.8 In Englisch-Amerika beschränkten konfessionelle Rahmenbedingungen die katholische Mission vor allem auf Maryland, wo später John Carroll (1735–1815)[] in Baltimore als erster katholischer Bischof der Vereinigten Staaten amtierte und der katholischen Minderheit einen Platz in der amerikanischen Demokratie verschaffte.
Asien
Der missionarische Aufbruch nach Asien begann mit der Entsendung von Francisco Javier (Franz Xaver, 1506–1552) aus dem Freundeskreis der frühen Gesellschaft Jesu, der 1540 nach Asien aufbrach, in Südindien, Südostasien und Japan einen interkulturellen und -religiösen Lernprozess durchmachte und durch seine Briefe9 unter der gebildeten Jugend Europas Missionsbegeisterung weckte.
Gleichzeitig entwickelten die in Mexiko tätigen Bettelorden Pläne zur Missionierung der Philippinen und Asiens und entsandten entsprechende Expeditionen, um dort das apostolische Ideal einer friedlichen Evangelisierung zu verwirklichen.
Im Untrschied zu Amerika stießen die Missionare im asiatischen Raum auf zahlreiche Hochkulturen, die andere Methoden der Mission erforderten. Daher spielte für den Kultur- und Religionskontakt die Methode der "Akkomodation" eine entscheidende Rolle. Dieser Paradigmenwechsel, den der Visitator der fernöstlichen Missionen, der Italiener Alessandro Valignano (1539–1606), herbeiführte, sah eine "Anpassung" an die andere Kultur vor, die neben guten Sprachkenntnissen mit Wertschätzung und möglichst umfänglicher Rezeption einherging und die Ausbildung einheimischer Kräfte vorsah. Die missionarische Tätigkeit im feudalen Japan10 führte über zahlreiche Konversionen, auch von Lokalfürsten (daimyo), zu einer Blütezeit des Christentums: Es gab in Japan ca. 300.000 Christen und Institutionen wie Kollegien, Sprach- und Kunstschulen sowie Druckereien für linguistische und geistliche Literatur. Unter der zentralisierten Herrschaft der Shogune jedoch kam es seit 1614 zum Verbot des Christentums und blutigen Verfolgungen seiner Anhänger.
Der Strategie der Akkomodation folgten auch die Missionare im Reich der Mitte, wo in den großen Städten wie Nanjing, Shanghai, Hangzhou, vor allem aber in Beijing Christengemeinden entstanden. Die Strategie beinhaltete einen Weg "von oben", so dass die gebildete konfuzianische Elite, die höheren Beamten des Reiches und letztlich der Kaiser auf dem indirekten Weg über Wissenschaft, Kunst, Technologie und Handwerk westlicher Provenienz für das Christentum interessiert und gewonnen werden sollten.
Zu den hervorragenden Missionaren in der Spätzeit der Ming-Kaiser und der Frühzeit der Quing-Kaiser gehörten neben dem Protagonisten Matteo Ricci (1552–1610)[], der gelehrte chinesische Freunde sammelte, weitere Missionare aus verschiedenen europäischen Ländern: der Kölner Astronom Adam Schall von Bell (1592–1666) erlangte die Würde eines Mandarins; der Flame Ferdinand Verbiest (1623–1688) leitete das Astronomische Amt und förderte den chinesisch-europäischen Wissensaustausch auch auf technologischen Gebieten; der französische Künstler Jean-Denis Attiret (1702–1768) malte für den Kaiser. Die römische Politik der Zugeständnisse an eine kulturelle Akkomodation, die bis zur chinesischen Liturgie reichten, endete allerdings mit dem "Ritenstreit", in dem es um die Frage der zivilen oder religiösen Natur der Ahnenverehrung (d.h. um die Übernahme von "konfuzianisch" geprägten Bräuchen) ging und der 1704 negativ entschieden wurde.11 Im 19. Jahrhundert schwächten Niedergang, Verfolgung und Xenophobie aufgrund der kolonialen Behandlung Chinas die Mission unter französischem Protektorat.
Weitere wichtige Felder der katholischen Mission in Asien lagen auf dem indischen Subkontinent, wo im heutigen Madurai der italienische Missionar Roberto de Nobili (1577–1656) sich in einem Projekt teilnehmender Beobachtung an die Brahmanen-Kultur anpasste, als christlicher Sannyasin (Wanderasket) lebte und Traktate in Tamil schrieb.12
Im Mogulreich im Norden Indiens kam es am Hof des toleranten Herrschers Akbar I. (1542–1605) und seiner Nachfolger zu Religionsgesprächen und zu missionarischen Unternehmungen, bei denen die Kunst (Miniaturmalerei) und die in Persisch verfassten Bücher christlichen Inhalts von Jerónimo Xavier (1549–1617) eine wichtige Rolle spielten. Kleinere Missionsreisen führten nach Afghanistan und Tibet. Französische Missionare und die Pariser Missionsgesellschaft Société des Missions Etrangères de Paris wirkten erfolgreich im Gebiet des heutigen Vietnam, aber auch im alten Siam (Thailand), wo in wissenschaftlicher und religiöser Mission unter anderen Guy Tachard (1648–1712) tätig war und die Kultur beschrieb. Korea war insofern ein Sonderfall, als die dortige Verbreitung des Christentums nicht auf professionelle europäische Missionare zurückging, sondern von interessierten Koreanern betrieben wurde, die in China mit der neuen Lehre bekannt geworden waren. Im 19. Jahrhundert begann eine planmäßige Christianisierung in Südostasien, Neuseeland und auf den verstreuten Archipelen Ozeaniens (Melanesien, Mikronesien, Polynesien), die mit starker konfessioneller Konkurrenz einherging. Katholische Missionare begannen in Hawaii und drangen dann weiter nach Westen vor. In China und Korea kam es zu Verfolgungen, in Japan wurden bei der erzwungenen Öffnung durch die Vereinigten Staaten (1853) Altchristen entdeckt, die trotz Verbot und Verfolgung über mehr als zwei Jahrhunderte ihren Glauben klandestin bewahrt hatten.
Afrika
In Nordafrika war das in der Spätantike blühende Christentum durch die arabische Islamisierung weitgehend verschwunden. Nur in Ägypten konnte sich die koptische Kirche behaupten. In der Frühen Neuzeit gab es in Afrika nur wenige missionarische Vorstöße, die jedoch nicht erfolgreich waren. Das gilt für die Versuche, im schon lange christlichen Äthiopien einen Konfessionswechsel herbeizuführen, im Kongo ein christliches Königreich zu errichten oder in Simbabwe (Monomotapa) den König zur Konversion zu bewegen. Auch auf der Insel Madagaskar gab es vereinzelte missionarische Unternehmen. Die planmäßige Mission auf dem schwarzen Kontinent, d.h. im subsaharischen Afrika, begann erst im 19. Jahrhundert, wobei katholische Orden und protestantische Missionsgesellschaften in Parallelaktionen miteinander konkurrierten.13 Katholischerseits wurden zahlreiche alte und neue Orden missionarisch tätig, nicht wenige davon eigens für die Arbeit in Afrika gegründet, so zum Beispiel die italienischen Comboni-Missionare (Sudan). Tätig wurden auch die deutschen Pallotiner (Kamerun), die Missionsbenediktiner (Tansania), die Spiritaner (West- und Ostafrika), die Kapuziner (Ostafrika), die Oblaten und österreichische Trappisten (Südafrika), Jesuiten, Steyler und Salesianer, Maristen und Lazaristen. Auch zahlreiche Frauengenossenschaften wie die von Marie-Anne Javouhey (1779–1851) gegründeten französischen Sœurs de Saint-Joseph de Cluny wurden in Afrika aktiv. Eine führende Rolle spielte der Franzose Charles Lavigerie (1825–1892), der als Bischof von Algier die Evangelisierung Afrikas ins Auge fasste und zu diesem Zweck eine Gesellschaft der Missionare Afrikas gründete, die sich später "Weiße Väter" und "Weiße Schwestern" nannten. Im muslimischen Nordafrika sorgte er für karitative Präsenz, wandte sich den Berbern zu und entsandte Missionare an den Niger, den Sambesi und die großen Seen Ostafrikas. Der spätere Kardinal und "Primas von Afrika" war – ebenso wie Bischof Daniel Comboni (1831–1881) – überzeugt, dass eine afrikanische Kirche nur durch Afrikaner selbst entstehen könne. Nachdem die Berliner Kongo-Konferenz (1885) Afrika unter den europäischen Kolonialmächten, vor allem Frankreich und England, aufgeteilt hatte, prägten die kolonialpolitischen Kontexte auch die Missionsunternehmen, wobei die katholischen Mächte wie Frankreich, Italien und Belgien die katholischen Missionen förderten und allgemein der Dreiklang von Kolonisierung, Zivilisierung und Missionierung vorherrschte, der sich schwerpunktmäßig in Einrichtungen des Bildungs- und Gesundheitswesens niederschlug.
Unter dem Eindruck dieser Vorgänge wurden um die Zeit des europäischen Imperialismus erstmals in Deutschland universitäre Lehrstühle für Missionswissenschaft installiert sowie missionswissenschaftliche Zeitschriften gegründet. Nach dem Vorbild einer "evangelischen Missionslehre" (1892) von Gustav Warneck (1834–1910) in Halle, entwickelte Joseph Schmidlin (1876–1944) in Münster eine "katholische Missionslehre" (1919); auch begründete er 1911 die bis heute erscheinende Zeitschrift für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft.
Der lange Prozess der Kommunikation des katholischen Glaubens war mit einem Transfer spezifischer Inhalte verbunden, der sich wiederum verschiedener Medien bediente. Exemplarisch seien drei Kommunikationsweisen vorgestellt.
Lehre
Zentraler Inhalt der Mission war die christliche Glaubenslehre, die für die religiöse Unterweisung in Missionskatechismen zusammengefasst wurde. Diese knüpften inhaltlich und formal an die europäische Katechismustradition an, kannten aber auch eigenständige Formen zur Vermittlung des Glaubenswissens. Meist waren sie in einer europäischen Sprache, v.a. Spanisch oder Portugiesisch, oder ausschließlich in der indigenen Landessprache verfasst. Oft waren sie aber auch zweisprachig, bisweilen sogar dreisprachig angelegt, d.h. mit Übersetzungen in die Zielsprachen versehen. Diese Bücher, die schon in der Frühen Neuzeit nicht in Europa, sondern vor Ort gedruckt wurden – zum Beispiel in México und Lima (Amerika), Manila (Philippinen), Funai (Japan) und Macao (China) – richteten sich an Missionare und Taufbewerber gleichermaßen. Die Inhalte kreisten wie die europäischen Vorbilder meist um eine Auslegung der klassischen katechetischen Stücke wie Glaubensbekenntnis (Credo), Gebet (Vaterunser), Rituale (Sakramente), Ethik (Dekalog) und Kataloge (meist Septenare wie Tugenden und Todsünden oder Werke der Barmherzigkeit). Nicht selten aber entwickelten sie kontextuell eigene Entwürfe und knüpften dabei an christliche Motive an oder adaptiv an Gegebenheiten der außereuropäischen Kulturen und Religionen. Bei schriftlosen Kulturen wie in Amerika und Afrika mussten überdies zuerst eine Verschriftung der Sprachen vorgenommen und die sprachlichen Hilfsmittel (Grammatiken, Wörterbücher) geschaffen werden.
Insgesamt rechnet man allein in der Frühen Neuzeit mit über zweihundert erlernten und studierten Sprachen, in welche die christlichen Inhalte übersetzt wurden, davon die Hälfte allein in Nord- und Südamerika.
Nach Projekten piktographischer Katechismen, die an die aztekische Bilderschrift anknüpften, führte der erste Erzbischof von Mexiko, Fray Juan de Zumárraga (1468–1548), den Buchdruck in der Neuen Welt ein. Das erste dort gedruckte Buch war ein zweisprachiger Katechismus in Spanisch und Nahuatl: Breve y más compendiosa Doctrina Christiana en lengua mexicana y castellana (México 1539). Er war der erste einer langen Reihe von frühen mexikanischen Katechismen, von denen der ebenfalls zweisprachige des Dominikaners Pedro de Córdoba (ca. 1482–1521) Doctrina christiana para instrucción e información de los indios (México 1544) hervorragt, der heilsgeschichtlich aufgebaut ist (por manera de hystoria). Der schon an den oben erwähnten Bilderkatechismen beteiligte Flame Pedro de Gante (ca. 1479–1572) schrieb später einen einfühlsamen Katechismus in Nahuatl (Doctrina Christiana en lengua mexicana), der die christliche Terminologie (etwa cruz, yglesia) entweder aus der Quellsprache entlehnt, Äquivalente aus der Zielsprache übernimmt (Dios=teotl) oder beide Sprachen kombiniert (Gott Vater=Dios tetatzin).14
Im asiatischen Raum entstanden anders konzipierte Werke wie etwa der Catechismus Sinicus von Matteo Ricci mit dem Titel Die wahre Lehre des Herrn des Himmels (Tianzhu Shiyi, 1603). In Dialogform und im Vertrauen auf die universale Vernunft werden hier Fragen der philosophischen Gotteslehre (Existenz Gottes, Einzigkeit, Ewigkeit) und der Anthropologie (Seele, Wiedergeburt, Tugendethik, Religionspluralismus) mit Blick auf die drei Religionen Chinas behandelt. "Diese Lehre über den Herrn des Himmels ist nicht die Lehre eines Menschen, einer Familie oder eines Staates. Alle großen Nationen vom Westen bis zum Osten sind darin bewandert und halten sie hoch."15 Der lateinisch-vietnamesische, durch die Propaganda in Rom gedruckte Cathechismus (1651) von Alexandre de Rhodes (1591–1660) ist in "acht Tage" strukturiert, die zunächst induktiv auf den religiösen Kontext des Landes eingehen und dann die christlichen Heilsgeheimnisse erläutern.16Der zweisprachige Katechismus (Spanisch/Tagalog), der 1593 nach der chinesischen xylographischen Methode in Manila gedruckt wurde, ist, geringfügig korrigiert, von den Franziskanern auf den Philippinen bis ins 20. Jahrhundert hinein benutzt worden.
Kunst
Begleitende und nicht selten entscheidende Medien, die den zentralen Inhalten der Glaubenskommunikation anschauliche Gestalt geben, sind die Künste, die auch im Dienst der Mission ihren Eigensinn und ihre Autonomie nicht verlieren. Welche Rolle beispielsweise der Barock in Architektur und bildender Kunst gespielt hat, ist heute noch in Lateinamerika,17 aber auch auf den Philippinen oder in Goa zu besichtigen. Dazu kommen die weniger sichtbaren barocken Hervorbringungen in Literatur, Theater und Musik. Zwei Beispiele aus West und Ost mögen die Rolle der Kunst belegen und zugleich die Bedeutung, die Marien-Bilder im missionarischen Transferprozess haben.
In Amerika ist das Bild der "Virgen de Guadalupe" ein Ausdruck künstlerischer und religiöser mestizaje (Mischung), insofern es nach europäischem und aztekischem Code entschlüsselt werden kann. Es geht auf das legendäre Ereignis einer Erscheinung am Hügel von Tepeyac zurück, das 1531 vor den Toren der damaligen mexikanischen Hauptstadt stattgefunden haben soll (heute in Mexiko-Stadt gelegen). Von den damaligen Franziskanern als indianische Camouflage abgetan, ist die Entstehung des Bildes in die spätere Erscheinungslegende eingewoben, die in der Landessprache aufgezeichnet wurde (Nican mopohua, 1649). Da am Ort der Erscheinung vorher eine aztekische Erdgöttin verehrt wurde, deren Beiname "Tonantzin" auf Maria überging, handelt es sich um eine typische Kultsukzession. Das Bild wurde zum nachhaltigen Symbol der Integration von Europäern, Indianern und Mestizen im Zeichen der Religion, das bis heute die Volksreligion prägt.18
Das künstlerisch hochrangige Beispiel der chinesischen Madonna ist zwar kein Kultbild, geht aber auf ein solches zurück und zeigt ebenfalls hybride Züge. Es stammt aus der späten Ming-Dynastie und ist mit Wasserfarben auf Seide gemalt. Ikonographisch nimmt es das in der Borghese-Kapelle von Santa Maria Maggiore in Rom verehrte Kultbild Salus populi romani auf, eine wohl spätantike Ikone, die Maria mit dem auf dem linken Arm sitzenden Jesusknaben darstellt, der seinerseits ein Buch in der Hand hält und einen segnenden Gestus ausführt. Dieses Brustbild, das nach legendärer Überlieferung der Evangelist Lukas gemalt haben soll, hat der chinesische Künstler zu einer Vollfigur verlängert und in Gesichtszügen, Faltenwurf, Farben und Haartracht im chinesischen Stil so umgeformt, dass Madonna und Jesuskind an das traditionelle Bild des Bodhisatva des Mitgefühls (Guanyin) erinnern, das bisweilen mit Kind dargestellt wird.
Wissen
Mission war immer mit der Erfahrung neuer Wissenswelten und dem Austausch von Weltwissen verbunden. Das gilt insbesondere für die Neuzeit, in der Europa im Zuge der Verdichtung von Raum und Zeit die Vielzahl der Kulturen wahrnahm und sein Verhältnis zu ihnen reflektierte. Durch europäischen Wissenstransfer, wie ihn die Missionare vornahmen, lernten aber auch andere Gesellschaften die Größe und Gestalt der Erde und die Mannigfaltigkeit der Kulturen kennen. Zwei Beispiele mögen das missionarisch vermittelte Wissen aufzeigen. In Mexiko erstellte der franziskanische Missionar Bernardino de Sahagún (1499–1590) mit Hilfe indigener Informanten und Mitarbeiter eine Enzyklopädie der Náhua-Kultur, die ihresgleichen sucht. Diese Allgemeine Geschichte der Dinge Neuspaniens (Historia general de las cosas de Nueva España), die auf systematische Befragungen zurückgeht, behandelt in zwölf Büchern die aztekische Religion (Götterwelt, Sakralkalender, Theogonie), die Beziehungen zu den Göttern (Astrologie, Wahrsagerei, Moralphilosophie, Theologie), die Kultur (Staatswesen, Recht, Berufe), die unbelebte und belebte Natur sowie die Geschichte (Eroberung). Das zweisprachige und illustrierte Werk, dessen Handschrift in der Florentiner Bibliothek Medicea Laurenziana (Ms. 218–20) liegt und deshalb Codex Florentinus heißt, ist überdies mit kolorierten Bildern versehen, so dass sich eine umfassende Deskription und Abbildung der Neuen Welt ergibt, eine Weltkenntnis, die der Mission nützlich sein sollte.19
An der Kartographie waren die Missionare nicht nur aus praktischen Gründen (Reiserouten) interessiert, sondern auch um eine bessere Kenntnis des Erdglobus zu bekommen, der sich in seinen Dimensionen erst in der Frühen Neuzeit erschloss. Neben zahlreichen Länder- und Regionalkarten entstanden auch Weltkarten und Globen. Insbesondere die Chinamissionare haben solche globalen Karten nicht zuletzt deshalb erstellt, um die indigenen Herrscher und Gelehrten über die wahren Dimensionen der Welt aufzuklären, während gleichzeitig das sinozentrische Weltbild beibehalten wurde. So verfertigte Matteo Ricci eine Weltkarte, deren dritte Fassung 1602 in Beijing gedruckt wurde. Sie unterschied sich erheblich vom eurozentrischen Standardmodell der Weltkarte. Denn in diesem Typ, den Abraham Ortelius (1527–1598) in seinem Theatrum orbis terrarum (1570) darstellte und der bis heute dominiert, liegt Europa in der Mitte und der amerikanische Kontinent westlich, während China an der östlichen Peripherie erscheint. Ricci nun verlegte den amerikanischen Kontinent auf die östliche Kartenseite, so dass China in der Mitte erscheint und damit seinem Namen als "Reich der Mitte" alle Ehre macht, während Europa an die westliche Peripherie verschoben wird.20 Diese Darstellung übernahm auch der italienische Chinamissionar Giulio Aleni (1583–1649), der seiner umfassenden Beschreibung aller Länder in Chinesisch eine xylographische kolorierte Weltkarte (Wanguo quantu) beifügt, auf der China im Zentrum liegt.21
Solche Weltkarten sind nur eines der augenfälligen Medien, welche den Globalisierungsprozess der Neuzeit veranschaulichen, an dem die Mission einen vielfältigen und wesentlichen Anteil hatte.