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Einleitung
In den letzten Jahren ist in der historischen Forschung ein Trend zu beobachten, die Beziehungen zwischen Personen, innerhalb von Gruppen, Institutionen, aber auch virtuelle Verbindungen mit Hilfe von Netzwerkanalysen zu untersuchen.1 Der Vorteil der Netzwerkanalyse besteht u.a. darin, Beziehungen im historischen Kontext systematisch kontrolliert zu erfassen und darzustellen. So ist in der Regel rasch erkennbar, welche Personen untereinander in welchen Räumen und im Kontext welcher Regelgefüge interagierten und welche Funktion und Bedeutung Individuen im Zusammenhang dieses Beziehungsgeflechts hatten. Darüber hinaus allerdings, und darin ist der methodische Mehrwert der historischen Netzwerkanalyse zu erblicken, wird sichtbar, dass ein Netzwerk sich nicht allein aus der Summe der individuellen Beiträge konstituiert, sondern systematisch eigene Potentiale entfaltet, welche die Attraktivität und Bedeutung des Netzwerks per se ausmachen. Es versteht sich von selbst, dass derartige Beschreibungen nicht statisch, sondern dynamisch erfolgen. Netzwerke unterliegen sowohl in ihrer Zusammensetzung als auch in ihrer eigenen Potentialität permanenten Entwicklungen, die einerseits durch äußere Faktoren, andererseits aber auch systemimmanent zu beschreiben sind. Zurzeit ist allerdings noch umstritten, in welchem Ausmaß die Netzwerkanalyse in der historischen Forschung Anwendung finden wird und kann. Denn hinter der vermeintlichen Einfachheit der Darstellung verbirgt sich ein beträchtlicher methodischer Aufwand, der auf seine Validität und Effizienz hin evaluiert werden muss. Weiterhin sind die hermeneutischen Voraussetzungen und Folgen der mit der Netzwerkanalyse verbundenen Vorgehensweisen noch nicht hinreichend diskutiert. Dies wird nur durch detaillierte Einzelstudien beurteilt werden können. Von einer in der historischen Forschung bewährten und etablierten Methode kann jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht die Rede sein.
Die folgenden Überlegungen bewegen sich auf der Schwelle zwischen dem verbreiteten Gebrauch des Netzwerks als Schlüsselmetapher und einer systematischen, regelgeleiteten und quantitativen Netzwerkanalyse. Insofern noch keine konsensfähige Definition vorliegt, wird im Folgenden davon ausgegangen, dass Netzwerke die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Agenten – seien es einzelne Personen oder die durch sie vertretenen Gruppen, Institutionen, etc. – begründen, befördern, bewahren, sichern und optimieren. Sie können durchaus als Systeme oder Organisationsformen verstanden werden, wobei der Begriff auch jene Netzwerke miteinschließt, die bewusst sozial, wirtschaftlich, kulturell oder religiös gebotene Institutionalisierungs- und Organisationsnormen umgehen bzw. vermeiden.2
Weder inhaltlich noch methodisch kann von vornherein ein dezidiert unter christlichen, kirchlichen oder theologischen Perspektiven stehender Zugang zum Thema vorausgesetzt werden. Kirchen- und Theologiegeschichte versteht sich als theologisch verantwortete und von den konfessionellen Glaubenslehren systematisch bestimmte Erforschung und Beschreibung der Inanspruchnahme des Christlichen – dies zumeist im deutschen und europäischen Kontext.3 Daraus ergibt sich in Bezug auf die Ver- und Anwendung des Netzwerkbegriffes quantitativ die Dominanz der Beschäftigung mit christlichen Netzwerken. Freilich wird sowohl der Blick auf andersreligiöse Kommunikationszusammenhänge und über die engen Grenzen Europas hinaus zu beachten sein.
Für den hier zu behandelnden Untersuchungszeitraum ist ein gleichsam "netzwerkfreies" Kommunikationsverhalten kaum denkbar. Insofern wird man informelle Kommunikationszusammenhänge, die schwer erfassbar sind und dennoch sozial, kulturell, religiös und wirtschaftlich bemerkenswerte Effekte freisetzen, überall finden.
Mit den Mitteln traditioneller historischer Erzählung kann gezeigt werden, dass die Netzwerkforschung in hervorragender Weise die vielfältigen Beziehungen zwischen handelnden Personen, kommunikativen Strukturen, Medien und Räumen und die sich aus ihren Verbindungen ergebenden Effekten zu erfassen erlaubt. In den Blick genommen werden Netzwerke der Frühen Neuzeit. Insofern in dieser Epoche und bis zur Sattelzeit um 18004 die Gesellschaften Europas weitgehend christlich bestimmt sind, können die für sie zu beschreibenden Netzwerke zu einem überwiegenden Teil als christliche Netzwerke verstanden werden. Inhaltlich stehen dabei, auch bedingt durch die Quellenlage, Eliten im Mittelpunkt.
Gelehrtennetzwerke
Die Gelehrtennetzwerke der Frühen Neuzeit unterschieden sich von denen des ausgehenden Mittelalters und früherer Epochen vor allem durch ihre dezidiert konfessionelle Ausrichtung und seit dem späten 17. Jahrhundert zunehmend auch durch ihre Versuche, die konfessionellen Begrenzungen und Engführungen zu überwinden. Zunächst ist hierbei an die um die "Reformatoren" in Wittenberg (Martin Luther (1483–1546), Melanchthon (1497–1560)),5 Zürich (Ulrich Zwingli (1484–1531), Heinrich Bullinger (1504–1575))6 und Genf (Johannes Calvin (1509–1564), Theodor von Beza (1519–1605))7 sich sammelnden Schüler und Vermittler des reformatorischen Ansatzes zu denken, später auch an die anderen Zentren konfessionell dominierter akademischer Elitenbildung wie etwa Straßburg (Martin Bucer (1491–1551), Johannes Sturm (1507–1589)).8 Leicht phasenverschoben, jedoch inhaltlich und strukturell parallel entwickelten sich die Netzwerke der katholischen Reform, die insbesondere durch die Gründung der diese Reform forcierenden Orden, wie etwa den der Jesuiten, eine erhebliche institutionelle Festigung erfuhren.9
Allen diesen Netzwerken war die regelmäßige gesicherte Kommunikation zur Stärkung konfessioneller Identität und kontroverstheologischer Polemik gemeinsam. Letztere war mit dem erneuten Effekt der konfessionellen Identitätsstiftung verbunden. Das Medium der in diesen Netzwerken vollzogenen Kommunikation war der Brief, durchaus vergleichbar mit den im Folgenden abzuhandelnden humanistischen Netzwerken.10 Dieser Brief war häufig für die Veröffentlichung bestimmt, und so kamen Briefsammlungen in den Druck.11 Die Agenten der Netzwerke lassen sich über die vielfach edierten, zu einem großen Teil aber auch unveröffentlichten Korrespondenzen erschließen. Lohnend ist es hierbei, die Verknüpfungen der unterschiedlichen Netzwerke durch mehrfache Mitgliedschaften herauszufinden. So handelte Melanchthon etwa im Auftrag der Wittenberger Reformatoren, war aber zugleich Mitglied in zahlreichen diesem Reformationstyp kritisch oder gar oppositionell gegenüberstehenden Netzwerken der romtreuen Humanisten (Erasmus von Rotterdam (1469–1536)) oder auch in Verbindungen, die der oberdeutschen und der Genfer Reformation zuneigten.
Der kommunikationsspezifische Mehrwert dieser Netzwerke lag zum einen in der konzentrierten Nachrichtenvermittlung, zum anderen aber auch in der Wissensakkumulation sowie in der für die jeweilige Situation einzelner Mitglieder erforderlichen Wissensdiffusion. Dies lässt sich exemplarisch an der Abendmahlsdebatte mit Zwingli, die zunächst durch einen als Brief veröffentlichten Traktat des niederländischen Humanisten Cornelius Honius (Hoen, gest. 1524) präfiguriert worden war, zeigen. Darauf reagierte der Humanistenkreis um Erasmus, so dass schließlich der gelehrte Kollege Luthers, Andreas Bodenstein von Karlstadt (1480–1541), in Wittenberg die signifikative Deutung der Gegenwart Christi im Abendmahl vortragen konnte. Als diese Deutung erneut von Zwingli in einem Brief an Matthäus Alber (1495–1570), einen der oberdeutschen Reformation zuneigenden Humanisten aus Reutlingen, verteidigt wurde und dieser sich auch gegen die Wittenberger Betonung der Realpräsenz Christi im Altarsakrament wandte, sah sich Luther zum öffentlichen Protest veranlasst. Die Kontroverse war sowohl politisch wie auch theologisch von großer Bedeutung, klärte sie doch nicht nur elementare Grundlagen des Sakramentsverständnisses und der Christologie, sondern führte auch zu inneren Präzisierungen dieser Lehrstücke in den sich langsam herausbildenden konfessionellen Lagern. Gleiches kann von den vorbereitenden Kontakten zum Augsburger Reichstag und dessen kommunikative Vermittlung zu den nicht beteiligten Reformatorengruppen gesagt werden.
Während der Austausch von Briefen zunächst dem durch persönlichen Kontakt bekannten Korrespondenzpartner vorbehalten war, konnte er die persönliche Bekanntschaft ersetzen und so auch der Erweiterung des Netzwerkes bzw. dem durch das Netzwerk autorisierten Leumund dienen. Empfehlungsschreiben für Schüler und Freunde der Reformatoren, aber auch Stellengesuche und Bitten wurden auf diese Weise effektiv bearbeitet bzw. weitergeleitet. Damit diente das reformatorische Netzwerk besonders dem Aufbau konfessionsspezifischer Institutionen (Kirche, Schulen, Gemeindeordnungen etc.) und damit auch der Verbreitung spezifischer Elemente der Wittenberger, oberdeutschen, Genfer oder römisch-katholischen Konfessionskultur.
Damit gingen diese Netzwerke aus dem Raum des vormals Akademischen in den Bereich der institutionalisierten kirchlichen Leitungseliten über. Es waren nicht mehr nur Professoren und hauptamtlich mit der Erarbeitung einer konfessionsspezifischen Theologie im akademischen Raum Befasste, sondern zunehmend auch die akademisch gebildeten Vertreter der kirchlichen Leitungselite, welche den ihnen anvertrauten Verband (Sprengel, Superintendentur, Propstei, Bistum etc.) konfessionell zu bewahren versuchten.
Zugleich erhöhte sich der Druck auf die Professionalisierung der konfessionellen, kirchlichen Leitungseliten. Die Zahl nicht akademisch gebildeter Mitglieder nahm zunehmend ab und verkam zum kontroverstheologisch häufig missbrauchten Topos der konfessionellen Polemik. Mit fortschreitender Akademisierung wurden die Schnittmengen zwischen konfessionell geprägten, akademischen, d.h. vor allem im Raum der Universität begründeten Netzwerken und den Angehörigen kirchlicher Leitungseliten verhältnismäßig groß. Dies lag auch an dem häufigen Wechsel zwischen dem Lehr- und kirchenleitenden Amt (Magisterium), soweit es nicht, wie in der Frühzeit der Reformation in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, ohnehin in Personalunion wahrgenommen wurde. Noch Melanchthon ordnete das Magisterium den Professoren der Wittenberger theologischen Fakultät zu. Spätestens mit der Gründung der Konsistorien und ihrer kirchenleitenden und lehrüberwachenden Funktion kam es zu einer institutionellen Verknüpfung der vorher zeitweise auch getrennt operierenden Netzwerke.
Eine Besonderheit der protestantischen Gelehrtennetzwerke stellten im ausgehenden 16., dann aber vor allem im 17. und 18. Jahrhundert die durch (bluts-) verwandtschaftliche Beziehungen konstituierten Kommunikationsverbindungen dar. Während sich einerseits der Typus der "Familienuniversität" herausbildete, suchten die nicht im universitären Raum verbliebenen Mitglieder einer protestantischen Familie andererseits in verschiedenen Funktionen ihren individuellen Leitungsfunktionen nachzukommen, oder aber auch die verwandtschaftliche Vernetzung für ein effektiveres Professionalitätsideal zu nutzen. Exemplarisch sei dafür auf die Tübinger Familie Bidembach12 oder die Hamburger Pastoren- und Gelehrtenfamilie Moller13 verwiesen. Auf katholischer Seite war zwar das Instrumentalisieren von Familienbeziehungen bei der Besetzung hochrangiger Bischofssitze oder gar des Papstthrones nicht ausgeschlossen, freilich konnte es nicht in der dem protestantischen Verfahren eigenen Öffentlichkeit durchgeführt werden.14 Das durch die Depravation des Renaissancepapsttums beschädigte Amt und der Druck öffentlicher Kritik ließen die konfessionell-katholischen Netzwerke ohnehin stärker im Verborgenen agieren, als dies bei protestantischen Gelehrtenfamilien üblich – und gesellschaftlich möglich – war. An die Stelle der verwandtschaftlichen Beziehungen traten verstärkt Kommunikationsbeziehungen, die sich aus der landsmannschaftlichen Herkunft im Zug von Universitätsbesuchen ergeben hatten, oder aber auch die in den Orden gewachsenen Verbindungen (siehe unten).
Der Raum, in dem sich gelehrte christliche Netzwerke konstituierten, war fast immer die Universität oder eine Einrichtung des höheren Bildungswesens (Lateinschulen, Fürstenschulen, Ritterakademien etc.). Bei der Weiterentwicklung akademischer Netzwerke ist im Verlauf der Frühen Neuzeit neben den Differenzierungen der Einzugsbereiche von Universitätsangehörigen (Landesuniversität, Regionaluniversität, Stadtschule, Universität oder Gymnasium mit überregionalem Einzugsbereich) vor allem auf die gegenüber dem späten Mittelalter stark erweiterte akademische Migration zu achten. So wie sich im Adel und im höheren Bürgertum die sogenannte Kavalierstour zum standesgemäßen Element der Ausbildung entwickelte, gehörte der Besuch einer entfernten Universität ebenfalls zum "Bildungsprogramm" jüngerer Gelehrter.15 Netzwerke konstituierten sich vor diesem Hintergrund nicht mehr allein aufgrund medialer oder personaler Vermittlung (Briefe, Empfehlungen bereits miteinander verbundener Agenten des Netzwerkes), sondern – gleichsam der zuvor genannten Tendenz entgegen – erneut durch persönliche Bekanntschaften, die durch den Besuch einer Universität oder höheren Ausbildungsstätte entstanden waren. Neben den disziplinären Netzwerken, die sich vor allem durch die fachlichen Informationsaustauschprozesse definierten, entstanden nun auch landsmannschaftliche Beziehungen, die weniger fachdisziplinäre als sprachlich-kulturelle, vor allem aber konfessionskulturelle Identität vermittelten und prägten.
Humanismus – Humanistische Sodalitates
Zahlreiche der vorstehend genannten Eigenschaften gelehrter, konfessionell geprägter Netzwerke lassen sich auch im Bereich des spätmittelalterlichen Humanismus und seiner weiteren Entwicklung, die gemeinhin als Späthumanismus bezeichnet wird und in die Frühe Neuzeit hineinreicht, beobachten. Der Epochenbegriff "Späthumanismus" ist im interdisziplinären Diskurs freilich umstritten.16
Zunächst sei darum auf die kulturelle Praxis des ausgehenden Mittelalters hingewiesen. Sie schlug sich in den Korrespondenzen und Publikationen der Kreise um Erasmus, Ulrich von Hutten (1488–1523) und Johannes Reuchlin (1455–1522) etwa im sogenannten "Dunkelmännerstreit", später aber auch in den zahlreichen Stellungnahmen zu konfessionell intendierten, gleichwohl massiv auf humanistische Antikenrezeption im pädagogischen Bereich rekurrierenden Bildungsreformansätzen nieder.17
Eine Sonderform dieser humanistischen Gelehrsamkeit hatte sich in den so genannten Sodalitates litteraria, Zirkeln zum Studium der studia humaniora, der spätmittelalterlichen, bürgerlichen Bildungskultur, herausgebildet.18 Hierbei handelte es sich um mehr oder weniger fest bestimmte Korrespondenzzirkel, die sich in unregelmäßigen Abständen austauschten. Ob ihre Mitglieder auch physisch regelmäßig zusammenkamen, ist umstritten. Gelehrte wie Konrad Celtis (1459–1508)[], Johannes Reuchlin, Conrad Mutian (1471–1526) oder Urbanus Rhegius (1489–1541), Ordensgeistliche wie Johann von Staupitz (1465–1524), Patrizier wie Willibald Pirckheimer (1470–1530) oder Conrad Peutinger (1465–1547), allerdings auch Adlige wie Ulrich von Hutten, Hartmuth von Cronberg (1488–1549), später aber auch konfessionell geprägte, gleichsam charismatische Führungspersönlichkeiten sammelten vorzugsweise durch Briefkorrespondenzen interessierte Gesinnungsgenossen um sich und tauschten sich mit ihnen über kirchliche, gesellschaftliche und politische Themen ihrer Gegenwart aus. Auch für einzelne herausragende Vertreterinnen des reichstädtischen Patriziats wie Caritas Pirckheimer (1467–1532) können derartige gelehrte Kreise nachgewiesen werden. Sie sind strukturell, aber nicht inhaltlich Vorläufer späterer pietistischer und bürgerlich-emanzipatorischer Konventikel und Kleingemeinschaften; freilich nicht mit deren teilweise exklusiv verstandener Mitgliedschaft.
Celtis hatte seine Freundeskreise als lose, zwanglose Vereinigung zum Zweck humanistischer Studien gegründet.19 Als Vorbild dürften die wiederbegründete Academia Platonica Marsilio Ficinos (1433–1499) in Florenz und die Academia Romana Pomponio Letos (1428–1497) in Rom gedient haben. Die der humanistischen Bildungsinitiative eigene anti-scholastische Spitze fand auch in diesen Gruppen ihren Widerhall. Voraussetzung für die Kooptation in den Kreis der Sodalen waren die Kenntnisse der alten Sprachen, ein tadelloser Leumund – möglichst durch bereits vorhandene Mitglieder der Sodalitas bestätigt – und die Bereitschaft zur selbständigen humanistischen Beteiligung an den zeitgenössischen akademischen Diskursen – freilich in einem zumindest im 15. Jahrhundert noch weitgehend außeruniversitären Raum. Das äußere Kennzeichen der Mitgliedschaft war häufig die gräzisierte oder latinisierte Namensform der Sodalen.
Ob und in welchem Maß die Sodalitäten förmlich institutionalisiert wurden, ist umstritten. Nachgewiesen sind allerdings für einige dieser Gemeinschaften Präsidenten und Sekretäre. Sodalitäten konstituierten sich über den freien Meinungsaustausch in ihren Korrespondenzen, andere waren lokal organisiert, kooptierten allerdings auch weiter entfernt lebende Mitglieder. Für sie wurde in von den Sodalitäten mitfinanzierten Hospizen oder anderweitig Quartier und Verpflegung besorgt. Der dafür zuständige Sodale diente mithin als Hospes und organisierte das contubernium sodalium (Bewirtung und Beherbergung) für die jeweilige Sektion.
In dem Maß, wie die im Zuge der spätmittelalterlichen Gründungswelle neu geschaffenen Universitäten im Alten Reich Mitglieder der Sodalitäten aufnahmen, wurden die Sodalitäten Teil der universitären akademischen Standeskultur. Gleichwohl blieben sie noch im 16. Jahrhundert teilweise auch außerhalb des akademischen Raums. Mit der zunehmenden staatlichen Unterstützung wandelten sie sich zu Akademien der Wissenschaften, wie etwa der von Celtis begründeten sodalitas litteraris Vistulana, die als polnische Gesellschaft für Wissenschaft ihren Sitz in Krakau hatte. Oder die sodalitas litteraria Hungarorum, die ungarische Gesellschaft für Wissenschaft mit Sitz in Pressburg (Bratislava), und die Donauländische Gesellschaft für Wissenschaft, societas Danubiana, mit Sitz in Wien. Die oben erwähnte anti-scholastische Spitze ließ die Sodalitäten eine Zeitlang durchaus als Medium reformatorischer Gelehrsamkeit agieren.20 Freilich führte die innere Spaltung der Humanisten in pro-reformatorische und pro-römische Fraktionen bei einigen Gesellschaften auch zu einem raschen Verfall, wie etwa bei der sodalitas litteraria Rhenania mit wechselndem Sitz in Heidelberg, Oppenheim und Mainz:21 Sie verband sich mit vorhandenen bürgerlichen Sodalitäten in Augsburg und Nürnberg. Allerdings zerbrachen auch diese Verbindungen im Zuge der Durchsetzung der oberdeutschen Reformation in den Reichsstädten Süddeutschlands.
Auf eine eigentümliche Verbindung von humanistischer Gelehrsamkeit und reformorientiertem benediktinischem Mönchtum ist in letzter Zeit verstärkt hingewiesen worden.22 Es lässt sich für das ausgehende 15. und das 16. Jahrhundert an einigen Beispielen humanistisch interessierter Benediktinermönche zeigen, wie die Verbindung zu gelehrten Kreisen trotz der strengen Klausur und stabilitas loci möglich war. Für das Eindringen humanistischer Gelehrsamkeit und ihrer Kommunikationsformen in die Kreise der Bettelorden (Mendikanten) und der Reformgemeinschaften des 15. und 16. Jahrhunderts liegen, mit Ausnahme der deutschen Ausprägung der niederländischen devotio moderna in Gestalt der "Brüder vom gemeinsamen Leben" und ihres herausragenden Vertreters Gabriel Biel (1418–1495), noch keine Erkenntnisse vor.23
Die zweite Hälfte des 16. und das beginnende 17. Jahrhundert sind in universitäts- und bildungsgeschichtlicher Hinsicht durch die Genese eines sozial exklusiven, von (spät)humanistischen Normen geprägten Gelehrtenstandes gekennzeichnet. Unter dem Einfluss verbesserter Kommunikationsverbindungen (Buchdruck und wachsende akademische Mobilität) und einer Erweiterung der akademischen Tätigkeitsfelder waren Humanisten – oder solche, die sich dazu zählten – nicht mehr ausschließlich auf ein gesellschaftlich hochstehendes, häufig adliges Mäzenatentum angewiesen. Mit der bürgerlichen Emanzipation dieses Gelehrtenstandes verband sich auch die Lösung von den durch ihre Mäzene ermöglichten und zur Verfügung gestellten Netzwerken. Diese Kreise bemühten sich um die Wahrung ihres identitätsstiftenden Verhältnisses zur klassischen Bildung und verhielten sich nicht zuletzt dadurch vielfach widerständig angesichts der massiven Prozesse von Konfessionsbildung und Konfessionalisierung. Freilich waren auch vielfältige Ausprägungen des Späthumanismus den konfessionellen Frontstellungen unterworfen. Allerdings blieben sie gegenüber den konfessionellen Homogenisierungsbemühungen widerständig und werden im Folgenden als sich zur konfessionellen Überformung komplementär verhaltend verstanden. Diese gelehrte Kultur beinhaltete stets zwei Dimensionen: eine literarisch-ästhetische sowie eine sozial- und kulturhistorische. Dennoch können an der Kontinuität humanistisch-gelehrter Bildung und der Tradierung ihrer zentralen Wissensbestände kaum Zweifel bestehen.24 Offen ist jedoch die Bewertung des Verhältnisses von Späthumanismus und gesamtgesellschaftlich wirksamen, gegenläufigen Prozessen der Konfessionalisierung und Säkularisierung.25 Die neuere Späthumanismus-Forschung betont einerseits die Akzentverschiebung bei den gelehrten Bildungsinhalten und Wissensbeständen.26 Sie verweist andererseits auf die Entfaltung eines exklusiven, humanistisch gebildeten Gelehrtenstandes mit spezifischen Kulturpraktiken und Habitusformen.27 Außer Frage stand dabei die – ungeachtet aller konfessionellen Spaltungen gültige – gemeinsame christliche Grundlage, welche auch die paganen Elemente der Antike-Rezeption integrierte. Dies stellt eine wichtige sozial- und kulturhistorische Konsequenz von Humanismus, Reformation und Konfessionsbildung dar. In diesem Zusammenhang wurde schon früh betont, dass die praktisch-anwendungsbezogene und politische Ausprägung des Späthumanismus einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung der religiösen und staatlichen Krisenhaftigkeit des Konfessionellen Zeitalters geleistet habe.28
An der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert begannen die Obrigkeiten, ihre höheren Bildungsanstalten humanistischen Reformen zu unterziehen. Diese bezweckten die Ausbildung von Leistungseliten, kirchliche Reformen und, nach der Reformation, die Formierung konfessioneller Homogenität. Zu diesem Zweck setzten die Obrigkeiten seit den späteren 1520er Jahren die bereits von der älteren Humanistengeneration um 1500 geforderten pädagogisch-didaktischen Reformkonzepte konsequent um. Die Ergebnisse dieser Reformprozesse können mit den Begriffen Bildungsexpansion und -diffusion sowie bildungsinstitutionelle Diversifizierung umschrieben werden. Dabei sollten die höheren Bildungseinrichtungen als Instrumente obrigkeitlicher Konfessionalisierung in den jeweiligen Trägerterritorien dienen. Dieses geschah durchaus im Sinn einer Legitimation für die Elitenbildung in den Territorien und Städten, aber auch für die Vereinheitlichung von dogmatischer Lehre sowie für die sittlich-moralische Formung der Untertanen. Gleichwohl war das in konfessioneller und institutioneller Hinsicht differenzierte Universitäts- und Gelehrtenschulwesen des 16. und 17. Jahrhunderts von ähnlichen Grundmustern geprägt. Die späthumanistische Gelehrtenkultur um 1600 – mit ihrer literarischen Produktion, ihren personellen und institutionellen Netzwerken, ihren spezifischen Kommunikationsformen sowie den vielfältigen Migrationswegen der Professoren und Studenten – wird als eine "Komplementärkultur" zur konfessionalisierten Gesellschaft verstanden. Der Späthumanismus erweist sich dabei weniger als Antithese zur epochalen Dominanz des Konfessionellen, sondern als eine komplementäre kulturelle Praxis, durch die Grenzen der Konfessionalisierung und der Konfessionalisierbarkeit sichtbar werden.
Ein besonderes Medium, das die Zugehörigkeit zu Gelehrtennetzwerken wenn denn nicht nachweist, so doch durch sekundäre Quellenergänzungen hoch wahrscheinlich macht, sind die Alba Amicorum ("Stammbücher"). Diese Alben, in denen sich die Lehrer der wandernden Studenten mit spezifischen Anmerkungen, ihre Kommilitonen meist mit gelehrten Versen in Latein, seltener in Griechisch oder Hebräisch – zuweilen sogar mit der Wiedergabe ihrer Adelszeichen (Wappen) – ein andauerndes Gedenken sicherten, sind erst in den letzten Jahren im Kontext der Erforschung von Gelegenheitsschriften29 wieder stärker in das historische Bewusstsein gedrungen. Stammbucheinträge vermögen gleichermaßen die akademische Migration zu erhellen wie auch die in späterer Korrespondenz nur erwähnte Verbindung zu bestimmten Knotenpunkten akademischer Wissensdiffusion offenzulegen.30
Orden – religiöse Gemeinschaften
Eine konfessionell zunächst charakteristische Eigenentwicklung stellen im Kontext der hier abzuhandelnden christlichen Netzwerke Ordensgründungen dar. Hatte zunächst die reformatorische Kritik die weitere Entwicklung des aus frühester Zeit des Christentums und insbesondere des Mittelalters hoch ausdifferenzierten Mönchtums als genuin römisch-katholisch desavouiert, entstanden im Zuge der katholischen Konfessionalisierung gerade aus diesen überkommenen, sodann aber auch aus den auf die spezifischen Anforderungen im Zeitalter der Glaubensspaltung reagierenden Neugründungen hoch effektive Instrumente der konfessionellen Homogenisierung.31 Da das vierte Laterankonzil 1215 in seinen Bestimmungen prinzipiell Neugründungen von Ordensgemeinschaften und Kongregationen nur unter der Bedingung zuließ, dass eine bereits approbierte Regel des gemeinschaftlichen Lebens übernommen wurde, waren die spezifischen Prägungen, die insbesondere als Reaktion auf die Herausforderungen der Zeit verstanden werden können, nur in mühseligen Vergleichen, vor allem aber in der sorgsamen Analyse der konkreten Anwendungsbestimmungen (Consuetudines, Gemeinschaftsregeln, Verhaltens- und Verfahrenshandbücher, Beichtspiegel etc.) zu gewinnen.
Die zunehmende Internationalisierung sowie die faktische Größe der entstehenden bzw. sich unter den Bedingungen der Konfessionalisierung weiterentwickelnden Orden der älteren Zeit verbietet es, die Ordensinstitution mit einem christlichen Netzwerk gleichzusetzen. Vielmehr entstanden innerhalb der Orden spezifische Ordensnetzwerke. Ihr kommunikativer Mehrwert bestand in mehrfacher Hinsicht:
- Verwendung ordensspezifischer Codes und Semantiken
- durch die Ordensinstitution gesicherte, stabile Kommunikationsverbindungen
- Sicherheit und Schutz der Kommunikation aufgrund der Exemption, das heißt der zentralen jurisdiktionellen Unterordnung unter das Papsttum unter Umgehung bischöflicher Gehorsamspflicht
- spezifische Kommunikationsformen (mutuum colloquium fratrum, i.e. das vertraute, modernen Formen der Gesprächstherapie analoge Gesprächsverhalten)
- gesicherte und von säkularen wie kirchlichen Bereichen klar getrennte Kommunikationsräume
Auch wenn sich die am 15. August 1534 von einem Freundeskreis um Ignatius von Loyola (1491–1556)[] gegründete "Gesellschaft Jesu"32 hervorragend zur exemplarischen Charakterisierung der konfessionellen Netzwerke eignet, muss doch im Folgenden auch immer wieder darauf hingewiesen werden, wie wenig typisch bestimmte Sonderentwicklungen der Jesuiten waren. Zunächst zeichnet sich die spanische Ordensgründung durch die Übernahme der klassischen monastischen Gelübde – Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam – aus. Darüber hinaus verpflichten sich Ordensangehörige durch ein viertes Gelübde zu besonderem Gehorsam gegenüber dem Papst. Neben einem hohen Bildungsideal zeichnet sich die Societas Jesu sowohl durch ihr Engagement für die Durchsetzung der katholischen Konfessionalisierung und die Schaffung homogener katholischer Konfessionskultur wie durch die Mission in den überseeischen Gebieten Mittel- und Lateinamerikas, aber auch in Fernost aus. Die Bezeichnung "Jesuiten" wurde zunächst als Spottname gebraucht, später aber auch vom Orden selbst übernommen.
Auf die Geschichte des Ordens, deren Eigentümlichkeit vor allem durch das päpstliche Verbot der Gemeinschaft von 1773, das auf Druck der absolutistisch regierenden Könige zustande gekommen war, und ihre Wiederzulassung im Jahr 1814 strukturiert ist, kann hier nicht näher eingegangen werden. Gleichwohl war das Verbot der Ordensgemeinschaft einer ihrer besonderen Eigenschaften geschuldet: der Ausbildung von kaum sichtbaren, aber hoch effektiven, bis in höchste Leitungseliten von Kirche und Staat hineinwirkenden Netzwerken. Sie waren zunächst wie die eingangs erwähnten Gelehrtennetzwerke geprägt. Aufgrund der spezifischen Gründungsgeschichte hatte allerdings Ignatius von Anfang an dem Orden eine militärische Struktur gegeben, welche hierarchische Kommunikationsbeziehungen und -strukturen ausbildete. In geradezu dialektischer Umkehrung dieses Gründungsgedankens bildeten sich jedoch diesen horizontalen Hierarchien alternativ bzw. komplementär entgegenwirkende vertikale Netzwerkbeziehungen heraus, welche die Kanalisierungen der horizontalen Kommunikationsbeziehungen überwanden.
Die vorzugsweise vertikalen Kommunikationsverbindungen entfalteten sich strukturparallel exklusiv innerhalb der Ordensgemeinschaft. Prägend waren dafür weniger landsmannschaftliche oder akademische Beziehungen als vielmehr die durch die gemeinsame Ausbildungszeit (Noviziat) und das Medium der exercitia spiritualia gewachsenen Verbindungen. Hierbei handelt es sich um ein Konglomerat meditativer Techniken zur Selbstanalyse und frommen Besinnung. Sie wurden in der Regel von einem Exercitienmeister angeleitet, zu welchen sich ebenso wie zu den anderen Teilnehmern eines bestimmten Exercitiums enge persönliche Beziehungen entwickelten. Dies wirkte sich unmittelbar auf die weitere Kommunikation innerhalb der Ordensgruppen aus.
Auch wenn bestimmte Einrichtungen des Gemeinschaftslebens gerade diesen Strukturen entgegenzuwirken suchten, waren diese ein entscheidendes Element jesuitischer Kultur und dürften auch zur modernisierenden Effizienzsteigerung der missionarischen bzw. konfessionalisierenden Strategien beigetragen haben. Offenkundig resultierte der kommunikative Mehrwert dieser innerkongregationalen Netzwerke für die Jesuiten und die ihnen folgenden Gründungen aus der Spannung zwischen absolutem Gehorsam (und der durch ihn gestützten straffen Hierarchie) und einer größtmöglichen persönlichen Flexibilität (ignatianisch: "Indifferenz"). Sie provozierte bald schon den Vorwurf spezifischer Intransigenz und ließ die Jesuiten sowohl innerhalb der römischen Weltkirche als auch in der protestantischen Polemik zum Idealtypus des gefürchteten, freilich heimlich bewunderten "Dunkelmannes" werden.33 Dies konnte allerdings die rasche Ausbreitung und weltweite Tätigkeit der Gesellschaft Jesu nicht verhindern.
Die Voraussetzungen dafür dürften erneut in der Ausnutzung von Effekten der Netzwerkkommunikation bestanden haben. Einerseits wirkten die Jesuiten zentral gelenkt nach außen vor allem durch Predigt und Seelsorge, einschließlich der Beichte. Die speziell dafür entwickelte Kasuistik, die bei der Zumessung von Bußen für Sünden auch die mildernden Umstände berücksichtigte, führte rasch zu hoher Akzeptanz, und dies nicht zuletzt in höheren Gesellschaftskreisen bis hin zu Königs- und Fürstenhäusern. Damit konnten die Jesuiten auch einen gewissen politischen Einfluss ausüben.
Nach innen verhinderte die Ausdifferenzierung von Verantwortung und Wissen die zu starke Kumulation von Herrschaftswissen in einer Person. Dies konnte nur durch die kommunikative Vernetzung in klandestinen Netzwerken kumuliert und distribuiert werden. Es liegt in der Natur solcher Netzwerke, dass deren Effekte zwar sichtbar werden, sie in ihrer Beziehung zur zentralen Lenkung der Ordensgemeinschaft aber kaum erforscht werden können. Hinweise können sich aus Ordenskorrespondenzen, Kapitel- und Synodensitzungen sowie deren Protokollen, Eingaben an den römischen Generaloberen etc. ergeben. Eine systematische Erforschung hat bisher aber noch nicht eingesetzt.
Aufgrund ihres gewichtigen Beitrags zur Ausbildung eines konfessionell homogenen Bildungswesens haben die Jesuiten zahlreiche Strukturen klassischer Bildungsnetzwerke übernommen und unter den Bedingungen ihrer speziellen Ordensverhältnisse transformiert.34 Eine große Rolle spielten dabei die von Jesuiten gegründeten oder im Sinn der katholischen Konfessionalisierung weitergeführten höheren Bildungsanstalten im deutschsprachigen Raum (Baden-Baden, Bamberg, Dillingen, Erfurt, Feldkirch, Graz, Ingolstadt, Innsbruck, Landshut, Molsheim, Münster, Olmütz, Osnabrück, Paderborn, Passau, St. Blasien, Wien).
Kommen als Agenten jesuitischer Netzwerke vorzugsweise Angehörige des Ordens in den Blick, so muss doch angenommen werden, dass auch Menschen außerhalb der Kongregation, nicht zuletzt aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung, Leitungs- oder Vermittlungsfunktion, zumindest zeitweise integriert wurden. Anders lassen sich die großen Erfolge der katholischen Konfessionalisierung, beispielsweise in Polen, kaum erklären.
So vielfältig wie die Mitglieder der kongregationalen Netzwerke sind die in ihnen ausgetauschten kommunikativen Inhalte. Verkürzt lassen sich Dimensionen des kommunikativen Austausches benennen, deren funktionale Zuordnung allerdings nicht einschränkend verstanden werden sollte. Wechselseitige Interferenzen und Verschmelzungen sind ebenfalls zu bedenken:
- Inhalte zur Herstellung und Durchsetzung bzw. Bewahrung konfessioneller Homogenität
- katechetische und missionsstrategische Inhalte
- Wissensakkumulation mit Blick auf die verschiedenen Tätigkeitsfelder des Ordens
- politisches, soziales, kulturelles, wirtschaftliches Wissen
- strategisches Wissen innerhalb der Ordensstruktur, das sich komplementär bis alternativ zu dem "offiziell" und hierarchisch vermittelten Wissen verhält
- strategisches Wissen, um in der Zeit des Verbots Ordensstrukturen aufrecht zu erhalten
Insbesondere im Hinblick auf den letztgenannten Punkt dürften die jesuitischen Netzwerke Charakteristika der unten zu beschreibenden Netzwerke von Dissidenten und marginalisierten Gruppen des christlichen Mainstreams angenommen haben.
Dies gilt in besonderem Maß für die sich seit der Aufhebung des Ordens 1767 konstituierenden, weitgehend im Verborgenen und in der Illegalität operierenden Netzwerke von ehemaligen Jesuiten. Sie performieren die weiter unten skizzierten Merkmale der dissidenten und nonkonformen Netzwerke vor dem Hintergrund fortschreitender Modernität und Säkularisierung des aufgeklärten Zeitalters.35
Ein Nebeneffekt derartiger Netzwerke ist die – teilweise unkritische – Übernahme von strategisch begründeten vorzugsweise säkularen Codes, Semantiken und Verhaltensmustern. Charakteristisch für die Wahrnehmung einer wachsenden Distanz der jesuitischen Netzwerke von den Ursprungsideen ist etwa die, freilich von polemischer Überzeichnung nicht freie Kritik der kurialen Vertreter am jesuitischen Gewinnstreben in den Missionskolonien Paraguays oder an der jesuitischen Beteiligung an der weiteren Entwicklung des chinesischen Zentralstaates durch die Vermittlung von mathematischem und astronomischem Wissen. Dieses diente je länger je weniger der missionarischen Aufgabe als vielmehr der Herrschaftslegitimation des Kaisers und begründete eine wechselseitige Abhängigkeit, die mit dem eigentlichen Missionsauftrag nicht mehr kompatibel erschien. Im Fall der jesuitischen Reduktionen in Lateinamerika wurde rasch sichtbar, wie sehr die ökonomische Ausbeutung den ursprünglichen Gedanken einer behutsamen, vor allem aber gewaltfreien Inkulturation des Christentums verdrängte.36 Interessanterweise waren es gleichermaßen ordensinterne Netzwerke, welche einerseits die bestehenden Verhältnisse stabilisierten, dann aber auch zunehmend kritisch wahrnahmen. Je häufiger allerdings der Versuch einer internen Revision scheiterte, umso häufiger wurden Kommunikationsbeziehungen über die Grenzen von Orden, gesellschaftlichen Ständen (Klerus) und teilweise sogar Konfessionszugehörigkeiten hinweg entwickelt.
Was in diesem Zusammenhang über die jesuitischen Netzwerke gesagt wird, gilt in mehr oder minder analoger Form auch für die anderen, teilweise erheblich später gegründeten Ordensgemeinschaften und Priesterkongregationen – wie etwa die der Regularkleriker (Legionäre Christi LC), der Kongregationen von Klerikern (Kalasantiner [COp], Oblaten [OMI], Oblaten des hl. Franz von Sales [OSFS], Oratorianer [CO], Salesianer Don Boscos [SDB], Salvatorianer [SDS], Redemptoristen [früher CSSR jetzt CSFR], Steyler Missionare [SVD], Comboni-Missionare) – und Laien (Schulbrüder) sowie apostolisch tätigen Frauenorden (Franziskanerinnen) und den insbesondere bei den Mendikantenorden ansässigen Tertiariern.
Nonkonformisten – Dissidenten
Je stärker im Zeitalter der Konfessionalisierung der homogenisierende Druck auf alle Mitglieder des Gemeinwesens wurde, umso häufiger entwickelten sich christliche Netzwerke, die das Überleben nonkonformer und dissidenter Gruppen innerhalb der konfessionell homogenen Gesellschaften ermöglichten, sicherten und gegebenenfalls ihren Status sogar verbesserten. Insbesondere jene Gruppierungen, die von der erwarteten bzw. geforderten Orthopraxie abwichen (Nonkonformisten), oder auch jene Zirkel, die aus unterschiedlichen Gründen zu vor allem theologisch abweichenden Aussagen kamen (Dissidenten), sahen sich gezwungen, dem stetig wachsenden Homogenisierungsdruck zu entkommen. Da die Reformationen in je spezifischer Prägung sich häufig ebenfalls den Effekten erfolgreicher Kommunikation innerhalb einzelner abweichender bzw. marginalisierter Netzwerke verdankten, war es innerhalb der sich immer stärker ausdifferenzierenden Bewegung des Protestantismus nur natürlich, dass weitere, erneut dissidente bzw. sich gegenüber dem Mainstream der konfessionellen Kultur widerständig verhaltende Gruppen sowie von deren Mitgliedern etablierte Netzwerke entstanden. Die bereits für die frühe Reformation, etwa die Wittenberger Bewegung, charakteristische Meinungspluralität manifestierte sich auch in den folgenden Jahrhunderten zunächst in spezifischen, häufig klandestinen Netzwerken, die freilich in dem Maß, wie religiöse Toleranz gewährt wurde, auch als selbstständige Organisationen und Institutionen an das Licht der Öffentlichkeit traten. Es ist allerdings hier nicht möglich, eine Übersicht über die von Luther mit dem generellen Verdikt der "Schwärmerei" belegten Gruppen zu geben.
Den frühneuzeitlichen Dissidenten und Nonkonformisten ist gemeinsam, dass sie zunächst im Rahmen des lateinischen Christentums und in seinen nach der Kirchenspaltung konfessionell geprägten Räumen entstanden. Ihr Dissens machte sich zumeist an theologischen Inhalten oder der aus ihnen heraus begründeten Lebens- und Frömmigkeitspraxis fest. Die charismatischen Führungsgestalten und Leitungseliten dieser dissidenten Gruppen rekrutierten sich einerseits aus dem nicht selten akademisch gebildeten Kreis früher Anhänger der Reformation (Balthasar Hubmaier (1485–1528), Thomas Müntzer (1489–1525), Kaspar Schwenckfeld (1489–1561) u.a.).37 Viele kamen aber auch aus den der reformatorischen Bildung und Professionalisierung entgegengesetzten, sich als "neue Laien" verstehenden,38 häufig niederen gesellschaftlichen Schichten (Karlstadt, Jakob Böhme (1575–1624), Hans Hut (1490–1527),39 Münsteraner Täufer40 etc.). Die sich um sie legenden bzw. von ihnen gebildeten Netzwerke hatten zunächst einmal die zentrale Aufgabe, das divergierende Wissen zu sammeln, den Widerspruch zu konkretisieren, zu verteidigen und zu vermitteln. Nur gelegentlich kam es hierbei zu reflektierten Prozessen akademischer Kritik und sich ihr verdankender Theoriebildung. In der Regel wurde der Gegensatz postuliert und die Differenz apologetisch und unter Aufnahme reformatorischer Prinzipien (etwa des Sola-scriptura-Prinzips, der Betonung des Priestertums aller Gläubigen, der Negation bestimmter hermeneutischer Prinzipien insbesondere der Wittenberger Reformation etc.) formuliert. Im Zuge der breiteren Vermittlung reduzierte sich die theoretische Durchdringung des Gegensatzes zugunsten konkreter Handlungsanweisungen im Bereich der alltäglich gelebten Frömmigkeit und Lebenspraxis (Gottesdienstbesuch, Beichtgewohnheiten, Kindertaufe, Abendmahlspraxis etc.). Weiterhin dienten Austauschprozesse innerhalb der dissidenten Netzwerke der Schaffung einer eigenen religiösen Identität und deren Apologie. Schließlich, und das sollte nicht unterschätzt werden, dienten diese Netzwerke aber auch der Kommunikation strategischer, für das Überleben dringend notwendiger Informationen über die gegnerische Seite. Hierzu gehörten neben der inhaltlichen Information bzw. strategischen Desinformation auch Mitteilungen über Rückzugsgebiete, Prozessverläufe, Verhandlungsstrategien und die an diesen Prozessen beteiligten Akteure.41
In den nach konfessioneller Homogenität strebenden Gesellschaften der Frühen Neuzeit kam es erst sehr spät zur Ausprägung religiöser Toleranz.42 Es waren zumeist die nonkonformen Gruppierungen, die diese im Blick auf ihre Lehr- und Lebensform forderten.43 In dem Maß, wie diese Toleranz gewährt bzw. durch Migration innerhalb Europas – und seit dem 17. Jahrhundert auch zunehmend in außereuropäische Kolonien und Gebiete – verlagert wurde, vermochten diese Gruppen dem Konformitätsdruck zu entgehen und entwickelten eigene Organisationsformen und religiöse Institutionen. Es gehörte zu den Effekten der damit verbundenen Identitätsbildungsprozesse, dass der Dissens im Zuge dieser Emanzipation hypertroph überhöht und radikalisiert wurde. Insofern die Last der Verteidigung des religiösen Dissenses – etwa in den toleranten Gebieten Nordamerikas – entfiel, wurde dieser aus seinem ursprünglichen "Sitz im Leben", dem apologetischen Diskurs, herausgelöst und nunmehr isoliert zum identitätsstiftenden Merkmal und in neue Konstellationen und Verhältnisse, etwa in den englischen Kolonien, übertragen. Die unmittelbaren Zusammenhänge von Leben und Lehre konnten nicht mehr aufrechterhalten werden und mussten nun innerhalb der identitätsstiftenden Gruppendiskurse rekonstruiert werden. Damit verbanden sich notwendigerweise auch Transformationsprozesse der inhaltlichen Begründung und deren lebenspraktischer Umsetzung. Hierin erhielten die Nonkonformisten- und Dissidentennetzwerke eine entscheidende neue Funktion, etwa im Sinn ethnischer und landsmannschaftlicher Verbindungen, volkskultureller Milieustabilisierung etc.
Das Medium des kommunikativen Austausches ist neben der mündlichen Überlieferung das geschriebene Wort (Korrespondenzen). Durch die weitere Entwicklung der Technik wurden aber auch gedruckte Werke in Form von Lehrunterweisungen (Katechismen, Traktate), Predigtsammlungen und Reden sowie weiterer Gelegenheitsschriftstellerei für die Netzwerkkommunikation bedeutsam. Damit war der – nicht immer unbeabsichtigte – Effekt verbunden, dass die Netzwerke und die von ihnen kommunizierten Inhalte verschiedenen Öffentlichkeiten sichtbar wurden. Wenn auch häufig für den internen Gebrauch bestimmt, wurden zahlreiche Druckerzeugnisse eben auch an anderer Stelle wahrgenommen und zur wechselseitigen Abgrenzung und Selbstdefinition herangezogen.
Auch wenn diese Prozesse zunächst innerhalb des Protestantismus ihre Anfänge nahmen, blieb die römisch-katholische Konfessionskultur davon nicht unberührt. Unter dem Einfluss ihrer internationalen Tätigkeitsfelder – ein Phänomen, das im Protestantismus dann doch erst mit den Missionsbestrebungen pietistischer und radikal dissidenter Gruppen des 18. Jahrhunderts einsetzte – sowie dem sich immer weiter ausdifferenzierenden Raum konfessionskirchlicher Kulturarbeit brach auch die mit dem Konzil von Trient noch postulierte konfessionelle Homogenität des römischen Katholizismus auseinander. Waren schon in Trient höchst divergierende Meinungen zu elementaren Fragen der Gnaden- und Rechtfertigungslehre sowie zur Ekklesiologie und der in ihr begründeten frömmigkeitlichen Praxis sichtbar geworden, bildeten sich im Lauf der Zeit zunehmend dissidente und non-konforme römisch-katholisch verwurzelte Netzwerke heraus. Auch wenn die zentral gelenkte Kultpraxis immer wieder als äußerer Rahmen von Gemeinsamkeit akzeptiert wurde – bzw. der gesellschaftliche Druck auf äußerliche Homogenität jegliche Manifestation von Dissens unmöglich machte – entwickelten sich vor allem akademisch gelehrte Netzwerke, welche die theologischen Inhalte des römischen Bekenntnisses (Trient – Professio fidei Tridentina) und die aus ihr folgende Lebenspraxis kritisch reflektierten. Dies nicht zuletzt unter dem Einfluss der Wahrnehmung anderer Kulturen und Lebensformen, welche die bisher unkritisch postulierte eurozentrische Sicht Roms in Frage stellten. Dazu trugen wiederum entscheidend die Orden mit ihren Missionen bei (Ritenstreit, Jesuitenreduktionen).
Jansenismus
Ein weiteres Beispiel für die Ausbildung innerkatholischer, dissidenter Netzwerke ist die Verbindung einer spezifischen Augustinrezeption mit konkreten nationalkirchlichen Forderungen im sogenannten "Jansenismus". Damit wird eine Bewegung innerhalb der römisch-katholischen Kirche des 17. und 18. Jahrhunderts bezeichnet, die nach dem Bischof von Ypern, Cornelius Jansen (1585–1638), benannt war. Von Seiten der kirchlichen Lehrmeinung wurden verschiedene Ansätze des Jansenismus als Irrlehre verworfen. Für das aus einer Neubewertung der augustinischen Gnadenlehre entstandene – zunächst gelehrte – Netzwerk war die enge Verbindung mit der parlamentarischen Opposition gegen Ludwig XIV. (1638–1715) von großer Bedeutung.
Jansens lange vor seiner Übernahme des Bischofsamtes verfasste, aber erst nach seinem Tod veröffentlichte Schrift Augustinus ist der Versuch, eine bestimmte, in seinem Verständnis semipelagianische Auslegung der Bibel durch jesuitische Geistliche zu widerlegen. Der niederländische Gelehrte griff dazu auf die originalen Schriften Augustins und dessen pointierte Gedanken über die Ursünde des Menschen und dessen Errettung allein aufgrund eines göttlichen Willensbeschlusses zurück. Zugleich versuchte Jansen, sich auf einen ursprünglichen Katholizismus zurü
Die Jesuiten attackierten unter Führung von Luis de Molina SJ (1535–1600) die Deutung Jansens. Dieser wiederum griff neben dem Molinismus auch den Kasuismus und den Probabilismus der Jesuiten sowie das römische Elitenbewusstsein und die Arroganz der kurialen bzw. jesuitischen Leitungseliten an. Der französische Kardinal und Innenminister Armand-Jean du Plessis de Richelieu (1585–1642) griff 1624 in den Streit zugunsten der Gesellschaft Jesu ein. Damit wurde einerseits deren enge Verbindung zum französischen Hof, nach deren Verbot allerdings auch das jansenistische Netzwerk sichtbar, welches an der Verdrängung der Jesuiten erheblichen Anteil gehabt hatte. Als die Jansenisten aber während des Dreißigjährigen Krieges Kardinal Richelieu angriffen, weil dieser mit den Protestanten gemeinsame Sache gegen die katholischen Habsburger machte, zogen sie sich dessen Feindschaft zu.
Zentrum des jansenistischen Widerstandsnetzwerkes war das ursprünglich dem französischen König eng verbundene Kloster von Port-Royal. Jansen fand Unterstützung bei den französischen Bischöfen, aber auch bei dem Philosophen Blaise Pascal (1623–1662).
Papst Pius V. (1504–1572, Pontifikat: 1566–1572) hatte mit der Bulle Ex omnibus afflictionibus vom 1. Oktober 1567 die Lehren des Michel de Bay (Baius, 1513–1589), eines ideellen Vorläufers von Cornelius Jansen, verurteilt.44 Durch weitere päpstlichen Bullen in den Jahren 1643 und 1653 wurde der Konflikt zwischen den französischen Jansenisten und Rom weiter verschärft und ab 1680 nahm der Druck auf die innerkatholischen Dissidenten noch mehr zu: Der König ließ das Kloster Port-Royal zerstören, und die Jansenisten wurden systematisch verfolgt. Einige konnten nach Brüssel entkommen, so zum Beispiel Pasquier Quesnel (1634–1719), der dort 1703 allerdings dennoch verhaftet wurde. Die Bulle Unigenitus Dei Filius setzte 1713 in 101 Punkten dem jansenistischen Vordenker die römische, damit kanonische Position entgegen und verurteilte die Mitglieder der dissidenten Bewegung erneut als Abtrünnige vom wahren Glauben. Damit war Ludwig XIV. ein Instrument in die Hand gegeben, dessen Wirkungen gleichermaßen im Hinblick auf die gewünschte Loyalität zu Rom wie auch in Bezug auf die sich dazu widerständig verhaltende Gesinnung der Jansenisten noch für Generationen bestimmend sein sollte. Trotz seiner relativ kurzen Blütezeit hat der Jansenismus die französische Literatur nachhaltig geprägt. Das jansenistische Menschenbild und die darauf gründende Gnadenlehre fanden auch in späteren Jahrhunderten Anhänger und verbanden sich mit den frühen Manifestationen des französischen Gallikanismus. Die Alt-Katholische Kirche der Niederlande verdankt schließlich den Beginn ihrer Unabhängigkeit von Rom den Auseinandersetzungen um den Jansenismus.
Schluss
Rückblickend auf die Frühe Neuzeit lässt sich zu den christlichen Netzwerken folgende These aufstellen, die mithilfe weiterer Untersuchungen verifiziert werden sollte: Die zunächst personell überschaubaren, medial durch Korrespondenzen oder persönliche Beziehungen konstituierten, in der Regel thematisch fokussierten Netzwerke des Spätmittelalters verändern sich unter dem Einfluss gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Wandels und unter dem Einfluss der Erweiterung von Kommunikationsmöglichkeiten (z.B. durch die Verfeinerung der Drucktechnik und andere, große Distanzen überwindende Kommunikationstechniken) zu immer weniger räumlich, standesgemäß, ethnisch, politisch oder konfessionell definierten Kommunikationszusammenhängen, die in der Lage sind, Grenzen zu überwinden. Die thematische Akzentuierung tritt zugunsten aktueller Problemanalyse und möglicher Lösungsansätze zurück. Die Netzwerke konstituieren sich nicht als Summe des Wissens und Vermittlungspotentials ihrer Mitglieder, sondern aus system- und strukturimmanenten Effekten, die sich aus der Herausbildung von Experten und professionellen Elitenvertretern ergeben.
In dem Maß, in dem die christlichen Netzwerke in der Frühen Neuzeit zu der Säkularisierung eines weitgehend christlich bestimmten Kontextes beigetragen haben, verloren sie ihren dezidiert christlichen Charakter. Freilich ist auch festzuhalten, dass sie sich in der Folge aufgeklärter Säkularisierung nicht auflösen, sondern selbst einer aufgeklärt-säkularisierenden Transformation unterliegen. Selbst in Zeiten größter Marginalisierung und Verdrängung des Christlichen behalten sie wichtige Funktionen und entwickeln sich unter den Bedingungen der Moderne als klandestine Netzwerke analog zu den früheren Netzwerken von verfolgten Dissidenten und Nonkonformisten weiter.
Zukünftige Netzwerkforschung mit Blick auf das Christentum wird neben der Aufarbeitung der bisher vernachlässigten Quellenbestände, insbesondere der neueren Zeit, vor allem Kommunikationszusammenhänge zu rekonstruieren haben, die nicht den klassischen Medien zu entnehmen sind. Dabei ist weniger die medial vermittelte Sachaussage als die sie ermöglichende Konstellation von Personen, Positionen, Denkzusammenhängen, Räumen und gesellschaftlichen Ermöglichungen in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Hierzu geeignete methodische Instrumente zu entwickeln, wird vordringliche Aufgabe künftiger Forschung sein.