Politiker, Staatsmann []
römisch-katholisch
* 28.03.1862 in Nantes
† 07.03.1932 in Paris
Zur Person
Aristide Briand studierte zunächst Jura, wandte sich aber anschließend dem Journalismus zu und gründete mit dem Sozialisten Jean Jaurès (1859–1914) die Zeitung L'humanité. 1902 wurde er Abgeordneter der sogenannten Radikalsozialisten für das Département Loire in der französischen Nationalversammlung. Bereits 1905 gelang es ihm, den Dauerkonflikt zwischen den Anhängern eines royalistisch-kirchlichen und eines republikanisch-laizistischen Frankreichs zugunsten einer Trennung von Staat und Kirche im Bildungssektor zu lösen. Im Anschluss daran wurde er Bildungsminister und hielt vor dem Ersten Weltkrieg diverse weitere Ministerposten. 1909, 1915 bis 1917 und 1921 bis 1922 führte er den Regierungsrat, ehe er vom 17. April 1925 bis zum 14. Januar 1932 mit einer Unterbrechung von nur wenigen Tagen in verschiedenen Kabinetten die Position des französischen Außenministers und mehrmals gleichzeitig auch die des Premierministers bekleidete. Insgesamt diente er über dreißig Regierungen als Minister, davon elf als Premier.
Briand stand für eine konziliante Außenpolitik Deutschland gegenüber, vertrat dabei aber auch stets die französischen Interessen. Er versuchte außerdem, das System kollektiver Sicherheit des Völkerbunds zu verbessern. Innenpolitisch koalierte seine Partei häufig mit der bürgerlichen Mitte, vertreten u.a. durch Raymond Poincaré (1860–1934), der Deutschland gegenüber in der Ruhrkrise zunächst einen deutlich härteren Kurs vertreten hatte, aber den begrenzten Erfolg dieser Politik eingesehen hatte. Briand musste diese unterschiedlichen Haltungen seiner politischen Partner gegenüber Deutschland stets mit ins Kalkül ziehen. Auch die französische Öffentlichkeit verhielt sich aufgrund des Ersten Weltkrieges und der rund zwei Millionen Kriegsopfer, die er in Frankreich gefordert hatte, gegenüber dem deutschen Nachbarn äußerst skeptisch.
Seine Außenpolitik verlief von 1925 bis Mitte 1930 dennoch sehr erfolgreich. Durch die Locarno-Verträge (Oktober 1925) erlangte er von Deutschland die freiwillige Anerkennung der belgischen und französischen Grenzen von 1919, eine Sicherheitsgarantie von Großbritannien und Italien. Gleichzeitig errichtete er ein System von Schiedsverträgen zwischen Deutschland und seinen Nachbarn, einschließlich Polen und der Tschechoslowakei. Mit dem zunächst von 15 Regierungen unterzeichneten Kellogg-Briand-Pakt (1928) gelang es ihm gemeinsam mit dem amerikanischen Außenminister Frank Kellogg (1856–1937) außerdem, den Krieg international zu ächten, die Schiedsgerichtsbarkeit als Instrument der Konfliktregulierung zu verallgemeinern und ein Fakultativprotokoll über obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit zu schaffen, dem Deutschland als erste Großmacht beitrat. 1929 handelte er einen neuen Reparationsplan mit Deutschland aus, der die Transferlasten erleichterte. Frankreich gewährte überdies den Abzug der französischen Besatzungstruppen in den Zonen Koblenz (wie vorgesehen 1930) und Mainz (vorzeitig 1930 statt 1935).
Neben diesen außenpolitischen Erfolgen wird sein Name immer mit dem Briand-Plan für eine "Europäische Union" von 1929/1930 verbunden bleiben. Seit 1925 begann Briand, aktiv die sich konstituierenden Europa-Netzwerke um Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi (1894–1972) und Louis Loucheur (1872–1931), Paneuropa-Union, um Emile Borel (1871–1956), Komitee für europäische Kooperation, sowie um Charles Gide (1847–1932) und Edgar Stern-Rubarth (1883–1972), Union douanière européenne, als Schirmherr und z. T. auch finanziell zu unterstützen. Europapolitik wurde damit zu einem wichtigen, auf Verständigung mit Deutschland und Stabilisierung der Versailler Ordnung gerichteten Instrument der französischen Außenpolitik. Seine wichtigsten Partner waren dabei Reichsaußenminister Gustav Stresemann (1878–1929), der sich vom großdeutschen Annexionisten des Ersten Weltkrieges allmählich zu einem Verständigungspolitiker und Völkerbundanhänger gewandelt hatte, der britische Außenminister Austen Chamberlain (1863–1937) und der belgische Außenminister Paul Hymans (1865–1941). Briands Verständigungspolitik erreichte ihren Höhepunkt in seiner Rede vor dem Völkerbund am 5. September 1929, in der er als erster verantwortlicher Minister die Errichtung eines föderativen Bandes zwischen den europäischen Nationen vorschlug. Briand war zum Zeitpunkt dieses Vorschlages Außenminister und zugleich Vorsitzender des französischen Regierungsrates.
Seine Politik gilt als Vorbild für die französische Politik Robert Schumans (1886–1963) nach 1949, die es verstand, Deutschland einzubinden und es zu einer Stütze für Zusammenarbeit und europäische Integration heranzubilden.