Lesen Sie auch den Beitrag "Travail et migrations forcés dans les colonies européennes" in der EHNE.
Einleitung
In der Weltgeschichte hat kein Kontinent so viele unterschiedliche Formen von Kolonien besessen und keiner den Zugriff auf die Welt über die Zivilisierungsmission als einem säkularen Programm so unvergleichlich definiert wie das neuzeitliche Europa. Als Spanien und Portugal am 7. Juni 1494 den "Weltteilungsvertrag" unterzeichneten, erklärten sie damit einen genuin europäischen Hegemonialanspruch. In dieser Form ist er weder von einem Weltreich der Antike noch einer nichteuropäischen Kolonialmacht in der Moderne wie Japan oder den USA je erhoben worden. Die außergewöhnliche Kontinuität des chinesischen Kolonialismus oder jene der Azteken in Mittelamerika, bevor die Spanier kamen, ist strukturell mit der neuzeitlichen europäischen Expansion durchaus vergleichbar. Aber ähnlich dem der phönikischen und der römischen Imperien endete hier das Phänomen der Ausbreitung meist in der Kolonisation und nicht in der kolonialen Durchdringung. Die imperiale Expansion seit etwa 1870 war zwar keine Erfindung Europas, doch in ihrer zeitlichen und räumlichen Dimension war sie genauso einzigartig wie in ihrer Vielfalt kolonialer Herrschaftsmethoden. Es ist bezeichnend, dass die Anstöße für den Kolonialismus oftmals als Antwort aus der europäischen Geschichte selbst hergeleitet wurden. Dazu gehörten kapitalistisches Profitstreben, die Kolonien als Ventile für Überbevölkerung, Entdeckergeist, wissenschaftliches Interesse, religiöse und ideologische Impulse bis hin zu sozialdarwinistischen und rassistischen Motiven. Kolonialistische Antriebe dieser Art erklärten jedoch nicht die expansiven wirtschaftlichen, militärischen oder anderweitigen Kräfte in der "Peripherie", die ihre Regierungen in den "Mutterländern" zu einem defensiven Vorwärtsdrängen zwangen.
Was heute unter Globalisierung verstanden wird, hat einen maßgeblichen Hintergrund in der universalgeschichtlichen Erfassung der außereuropäischen Welt von der frühen Neuzeit bis in die Epoche der Dekolonisation. Kein europäisches Land bleibt davon ausgenommen; mehr oder weniger jedes war direkt oder indirekt an der kolonialen Aufteilung der Welt beteiligt. Der Vertrag von Tordesillas (1494) fasste ein Weltmachtdenken in Worte, das Kolonialbesitz als politisches, wirtschaftliches und kulturelles Recht, nicht zuletzt als zivilisierungsmissionarische Verpflichtung begriff, das erst durch die Unabhängigkeitwerdung Indiens 1947 endgültig erschüttert wurde.1 Beide Daten markieren Aufbruch und Niedergang eines Schlüsselproblems der Geschichte Europas, vielleicht ihr folgenreichstes: dass die stets prekäre koloniale Herrschaft komplexe Konkurrenzen unter den Europäern ebenso wie unter der indigenen Bevölkerung in den Kolonien hervorrief; dass sie zugleich Kooperation und enge Beziehungsgeflechte zwischen Eroberern und Eroberten schaffen konnte; und dass sie schließlich zu keiner Zeit frei von Gewalt und Krieg, Despotismus, Willkür und Rechtlosigkeit war. Das macht die Gleichzeitigkeit und Vielzahl der europäischen Kolonialismen und Imperialismen zu einer grenzüberschreitenden Erfahrung. Wenige transnationale Spezifika der europäischen Geschichte illustrieren die Diversität eines europäischen Bewusstseins derart deutlich.
Was aber war Kolonialismus? Greift man auf wesentliche Elemente des spanischen Weltreichdenkens seit dem 16. Jahrhundert zurück, so war es dem englischen und portugiesischen bis in die jüngere Zeit in der häufig vertretenen Vorstellung ähnlich, die europäischen Nationen hätten sich ihre Imperien selbst und ohne Beteiligung anderer geschaffen. Auf die Entdeckung folgte die Eroberung: Christoph Kolumbus (ca. 1451–1506) landete 1492 auf einer westindischen Insel, die er San Salvador nannte, um den religiösen Charakter der Inbesitznahme zu betonen. Endgültig gebrochen wurde Spaniens Macht erst im Pariser Vertrag von 17632, der den Siebenjährigen Krieg beendete und die britische koloniale Vorherrschaft festigte. Auch zeigte er die Verflechtung Europas mit dem amerikanischen Kontinent, weil die Saat sowohl für den Unabhängigkeitskampf der Vereinigten Staaten als auch für die Rebellionen in Mittel- und Südamerika zwischen 1780 und 1820 gestreut war. Nachdem in der Französischen Revolution für Menschen- und Bürgerrechte gekämpft worden war, entstand in Haiti 1804 aus einer Sklavenrevolte die erste schwarze Republik in der Weltgeschichte. Ihr Anführer François-Dominique Toussaint L'Ouverture (ca. 1743–1803) war selbst bis zu seinem 45. Lebensjahr ein Sklave gewesen, ein Schüler der französischen Jesuiten und Bewunderer der Schriften von Guillaume-Thomas Raynal (1711–1796). Der Kolonialismus war keineswegs eine eindimensionale Angelegenheit mit alleiniger europäischer Ausrichtung und europäischen Entdeckern wie Kolumbus und Vasco da Gama (1468–1524)[], dem nur ein Jahrzehnt nach diesem die erste Ostindienfahrt gelungen war. Stattdessen sollte der Kolonialismus als eine dynamische Wechselbeziehung verstanden werden, in deren Rahmen die Kolonialreiche sowie die einzelnen Kolonien die historische Entwicklung ihrer europäischen "Mutterländer" massiv beeinflussten. Dies reichte bis in die Programmatik von Herrschertiteln. In der Folge von da Gamas erfolgreichem Aufbau von Handelsbeziehungen mit dem südwestindischen Gewürzhafen Calicut nannte sich König Manuel I. (1469–1521) nunmehr nicht nur König von Portugal, sondern auch Herr über Arabien, Persien und Indien. Wie das portugiesische war das spanische Weltreich in ganz Europa angekommen, denn an ihm wirkten neben den einheimischen Menschen ebenso europäische und nichteuropäische Immigranten mit. Das spanische Imperium lässt sich ohne die Belgier, Italiener und Chinesen kaum denken; das portugiesische war in Handel und Verwaltung maßgeblich von Deutschen, Flamen, Moslems und Juden geprägt.3
Kolonialismus und Imperialismus
Wolfgang Reinhard zufolge stellt der Kolonialismus begriffsgeschichtlich eine "Entwicklungsdifferenz" aufgrund der "Kontrolle eines Volkes über ein fremdes" dar.4 Anders als die dynamischere, aber auch politisch noch stärker wertende und emotional besetzte Form des Imperialismus war der Kolonialismus als Ergebnis eines Expansions- und Herrschaftswillens zunächst als ein Zustand zu verstehen, der koloniale Fremdherrschaft etablierte. In unterschiedlicher Ausprägung hat es ihn in nahezu allen Epochen der Weltgeschichte gegeben. Selbst nach offizieller Auflösung seines formellen Zustandes im Zeitalter der Dekolonisation konnte er als ein Mythos beibehalten werden wie z.B. im Portugal nach der Nelkenrevolution 1974, als man sich zwar mit der Diktatur von António de Oliveira Salazar (1889–1970), aber kaum mit der kolonialen Vergangenheit in Angola, Mosambik, Goa, Macao und Osttimor auseinandersetzte. Schon 1933 hat der brasilianische Soziologe Gilberto Freyre in seinem kontroversen Buch Casa-grande e Senzala (Herrenhaus und Sklavenhütte) die These vertreten, als älteste europäische Kolonialnation hätten die Portugiesen eine besondere Befähigung zur Expansion besessen. Sie habe darin bestanden, friedlich ohne Rassismus und Kolonialmassaker die Kulturen miteinander zu vermischen. Am Beispiel Brasiliens rationalisierte er den kolonialen Paternalismus mit der angeblich gelungenen Beziehung zwischen Herren und Sklaven.
Aber das hatten andere europäische Kolonialmächte auch von sich behaupten wollen. Selbst die schärfsten Kritiker der Ausdehnungspolitik – beginnend mit Bartolomé de las Casas (1474–1566) bis zur marxistisch-leninistischen Kritik im 20. Jahrhundert – zweifelten nicht am Sinn der die koloniale Hegemonie rechtfertigenden Zivilisierungsmission.5 Was sie ähnlich den Abolitionisten kritisierten, waren die Kolonialexzesse, die Missverwaltung, Korruption und im Extremfall Genozid bedeuten konnten. Doch dass die Kolonien zum integralen Bestandteil des "Mutterlandes" wurden, dass die koloniale Nation mithin unteilbar, auf mehreren Kontinenten zu Hause und als solche nichts grundsätzlich Schlechtes bewirken würde, lässt sich in der europäischen Kolonialideologie seit ihren frühen Anfängen nachweisen. Intellektuelle Transferprozesse hatten hier bereits stattgefunden, in der Epoche der Aufklärung am augenfälligsten in der gegenseitigen Beeinflussung von Adam Smith (1723–1790), Denis Diderot (1713–1784), Johann Gottfried Herder (1744–1803)[] und ihren Zeitgenossen.6 Sie waren sich in einer moderaten Kritik an den Methoden der kolonialen Expansion und einer gleichzeitig enthusiastischen, kosmopolitischen Begeisterung für die Aneignung der außereuropäischen Welt einig. Waren Sklaverei und Weltbürgertum theoretisch nicht auf einen Nenner zu bringen, so erklärte die Praxis seit dem 16. Jahrhundert die Legitimation der Eroberung aus ihrem Erfolg. Die holländischen, englischen, portugiesischen, spanischen, französischen und russischen kolonialen Unternehmungen, die auf ihre jeweils eigene Art die Welt unter sich mit Soldaten, Wissenschaftlern, Kaufleuten und Missionaren vermessen ließen, teilten die gemeinsame Wahrnehmung des "Anderen" auf der Grundlage der vermeintlichen kulturellen Überlegenheit des "Eigenen". So unterschiedlich die Ausbreitung des Christentums mit den nonkonformistischen, dissenterischen Elementen des Protestantismus in Nordamerika und den katholischen Kräften in Südamerika vonstattenging, so unterschiedlich war schließlich das Resultat. Spanien war z.B. nicht in der Lage, Lateinamerika für eine profitable Exportwirtschaft zu nutzen, den Briten demgegenüber gelang es, den Sklavenhandel als lukrativstes Fernhandelsgeschäft zu monopolisieren.
Als im Laufe des 19. Jahrhunderts zusätzlich zu den genannten alten Kolonialmächten auch die Italiener, Belgier und Deutschen einen Anspruch auf ihren Teil an der Welt erhoben, wurde der Begriff "Imperialismus" zu einem ideologisch zwar aufgeladenen und insgesamt unpräzisen, wohl aber nicht zu ersetzenden historischen Konzept.7 In der Phase des Hochimperialismus zwischen 1870 und dem Ersten Weltkrieg war jedenfalls gemeinsam mit den USA und Japan jeder größere europäische Nationalstaat daran beteiligt, sich Territorien außerhalb Europas anzueignen. Das macht diese Epoche so einzigartig für die europäische Geschichte, wenngleich sie gemessen an anderen Kriterien wie Raum und Zeit nicht spektakulärer war als frühere. So war die europäische Eroberung des Nordens und Südens Amerikas im 16. und 17. Jahrhundert oder jene Indiens im 18. und frühen 19. Jahrhundert in ihrer räumlichen Dimension bzw. in der Anzahl der Menschen, die unter europäische Herrschaft gerieten, nicht weniger einschneidend als der "Scramble for Africa", der als Synonym für den unsystematischen und überhasteten Eingriff der Europäer in den gesamten afrikanischen Kontinent steht. Doch anders als in früheren Epochen war nun erstmalig eine breite europäische Öffentlichkeit politisch, wirtschaftlich und kulturell direkt am Prozess der Expansion beteiligt. Dieser hatte tiefgreifende Einflüsse auf die historische Entwicklung der europä
Ebenso war dieser Prozess wesentlich von internen Krisen in Afrika selbst ausgelöst worden. Wie im 16. brach erneut Ende des 19. Jahrhunderts die Rivalität zwischen der christlichen und der islamischen Mission im Norden Afrikas auf. In einem Klassiker der Imperialismushistoriographie haben Ronald Robinson und John Gallagher erklärt, Europa sei nicht der alleinige Ort, um die Motivationen für die europäische Expansion zu verstehen. Zumindest was die spätviktorianische Gesellschaft betrifft, lagen diese Robinson und Gallagher zufolge an erster Stelle in Afrika begründet.8 Waren also nichtwestliche Gesellschaften nicht länger nur Opfer Europas und beteiligten sich nicht wenige ihrer Eliten an kolonialer und imperialer Herrschaft, so etablierte sich als eine die "Peripherie" und das "Zentrum" überbrückende, dritte Kraft eine Schicht europäischer Siedler, christlicher Missionare, Kolonialoffiziere etc., die man in der Forschung als "men on the spot" bezeichnet hat. Ihr lobbyistischer Einfluss auf die Erweiterung der Kolonialreiche war nicht kleiner als derjenige politischer und wirtschaftlicher Interessengruppen in den Metropolen, wenngleich ihre Beweggründe situationsabhängiger von den Ereignissen in den Kolonien waren, als dies in den europäischen Machtzentralen der Fall sein konnte und durfte. Das lässt sich gleichermaßen für den asiatischen, den afrikanischen und den pazifischen Raum feststellen. Koloniale Erinnerungsorte und ihre Denkmalskultur rufen bis heute die Konflikte und Ambivalenzen der europäischen Kolonialherrschaft ins öffentliche Gedächtnis.9
Dieser Umstand macht den Hochimperialismus zu einem europäischen und globalen Projekt im "Zentrum" und in der "Peripherie". Schließlich illustriert er die maßgebliche Bedeutung von politischer und militärischer Gewalt für den imperialen Prozess. "Kanonenbootdiplomatie", eines der historischen Schlagwörter für den Umgang der Europäer mit Afrika im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, war auch in der Türkei oder in China gegenwärtig. Der informelle Imperialismus, oftmals gleichbedeutend mit der Dominanz des Freihandels über andere Methoden kolonialer Einflussnahme, verlor in dem Maß an Gewicht, in dem Zwang nur noch über Gewalt ausgeübt werden konnte. Der Krieg mit China um den Opiumhandel (1840–1842) zeigte das anschaulich. Auch die brutale Niederschlagung der indischen "Mutiny" 1857/1858 durch die Briten stellte das Gegenteil der manchesterlichen Auffassung dar, dank Freihandel würde die Welt statt durch einseitige Ausbeutung in das Gleichgewicht friedlichen und partnerschaftlichen Austausches zwischen Europa und Außereuropa treten. Der Schutz nationaler ökonomischer Interessen oder die Verteidigung des Prestiges brachte später zahlreiche deutsche Beobachter zu dem Schluss, die Engländer betrieben einen Handelsimperialismus, während die Franzosen über ihr Empire das Ansehen der Nation in der Welt steigern wollten.
Gleichwohl war das "Informal Empire" das vorherrschende Modell. Im britischen Kontext hat es zu der überspitzten These geführt, die Nation sei an der Expansion nicht interessiert und es kennzeichne sie in dieser Hinsicht "absentmindedness".10 Wer in der Moderne den globalen Kapitalismus als Nachfolger der ehemals direkten territorialen Herrschaft begreift, weil dieser keinen geringeren Druck auf die politischen und sozialen Systeme ausübe, um seine wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen, sieht die Anfänge des informellen Imperialismus tief in das 19. Jahrhundert zurückreichen. Man konnte dieser These allerdings bis in die jüngere Gegenwart entgegenhalten, dass sie nicht nur die Dimension der Schaffung von Weltreichen, sondern auch deren Auflösung unterschätzt.11 Die Folgen des problematischen Rückzugs der Franzosen aus Algerien, der Italiener aus Eritrea oder der Briten aus Indien und Irland sind bis heute allgegenwärtig. Insofern waren Kolonisation und Dekolonisation zwei aufeinander bezogene historische Prozesse, vergleichbar Systole und Diastole des Herzmuskels der Metropole. Erst das Zusammenwirken beider und zahlreicher anderer Faktoren hatte die weltgeschichtlichen Konsequenzen der europäischen Expansion zur Folge.
Räume und Epochen
Koloniale Räume bzw. ihre Grenzen sowie Epochen und ihre Zäsuren bieten zwei Möglichkeiten, sich dem europäischen Kolonialismus zu nähern. Nimmt man z.B. die Unabhängigkeit der nordamerikanischen Kolonien 1776[] in den Blick, so markiert sie einen der wichtigsten Wendepunkte – von der atlantischen zur asiatischen Perspektive des britischen Empires – und darüber hinaus die erste Dekolonisationserfahrung von globaler Bedeutung in der Geschichte des europäischen Imperialismus. Die zweite setzte dann erst in den 1950er Jahren ein, hier insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent und zeitverschoben von den Freiheitsbewegungen Mittel- und Südamerikas sowie Asiens. Bis in das 18. Jahrhundert hinein hatten die führenden europäischen Kolonialmächte, allen voran England, ihre globale Hegemonialstellung gefestigt. Schufen sie sich keine überseeischen Reiche, so eroberten sie sich wie die russische Monarchie in Sibirien und die Habsburger in Südosteuropa Gebiete in Form eines kontinentalen Kolonialismus. Dieser kontinentalen Variante entsprach im Wesen auch die spätere Westverschiebung der amerikanischen Frontier und die Nordwanderung der südafrikanischen Grenze sowie der Subimperialismus z.B. zwischen Ägypten und dem Sudan. Während die direkte Erschließung Nord- und Südamerikas nahezu vollständig abgeschlossen war, setzte jene des asiatischen und des afrikanischen Raums erst nach 1800 in größerem Umfang ein – in Afrika beispielsweise seit 1830 mit der französischen Eroberung Algeriens, von wo auch Marokko und Tunis unter französischen Einfluss gebracht werden sollten. Die russische Landnahme Sibiriens, die ähnlich der amerikanischen den Flussläufen folgte, hatte den Erwerb des einträglichen Pelzhandels zum Ziel. Zeitgleich mit dem Abbau von Gold und Edelsteinen in Brasilien war man außerdem auf Silberminen im sibirischen Hochland gestoßen und hatte den finanziellen sowie insbesondere nachrichtentechnischen Wert einer Karawanenstraße zwischen Russland und China erkannt. Auch die Stützpunktkolonien, die die Niederländer in Indonesien und die Engländer an den Küsten Indiens betrieben, blieben zunächst allein dem Handelsinteresse an Gewürzen, Tee, Kaffee und Baumwolle vorbehalten. Solange sie nicht in das Land expandierten und große Räume durchdrangen, fehlte ihnen der militärische Nutzen.
1772, als Gouverneur Warren Hastings (1732–1818) [] nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die politische und administrative Erschließung des Hinterlands von Bengalen anstrebte und seine Verwaltung von zahlreichen Skandalen überschattet war, entlud sich der Zorn seines prominenten Kritikers Edmund Burke (1729–1797) an den Methoden der kolonialen Herrschaft. Außerdem richtete er damit die Aufmerksamkeit auf das neu entstandene Spannungsfeld der Kompetenzenkonkurrenz zwischen der Verwaltungszentrale in London und den "men on the spot", jenen zunehmend mächtiger werdenden Dienern des europäischen Kolonialismus, die zugleich ihre eigenen Interessen in der "Peripherie" verfolgten. Dies sollte im 19. Jahrhundert zu einem festen Topos der gegenseitigen Anklage werden, nachdem nach dem Vorbild der 1599 gegründeten East India Company (Monopol bis 1858) und der niederländischen Vereenigden Oost-Indischen Compagnie (1602–1798) vergleichbare, auf Aktienanteilen gründende Geschäftsunternehmen von Schweden, Dänemark, Schottland, Österreich, Brandenburg-Preußen oder Polen ins Leben gerufen und zum Teil mit souveränen Rechten ausgestattet wurden. Finanziell basierten sie auf den für das europäische Wirtschaftsleben immer zentraler werdenden Börsen und einem modernen Bankenwesen, das den internationalen Handel mit Luxuswaren wie Seidenstoffen und mit für Europa neuartigen Nahrungsmitteln wie Kartoffeln, Mais und Reis koordinierte. Dauerhaft erfolgreich war nur die englische Kompanie, in Grenzen auch die niederländische, die ihren Schwerpunkt im Gewürzhandel hatte und beim Ausbau des Kolonialreichs in Südostasien mitwirkte, während die Briten ein Monopol auf Baumwolle errichteten. Mit dem Warenhandel, beispielsweise mit Kaffee aus Java und Tee aus China, erschlossen sich die Europäer fortdauernd neue Räume, insbesondere den asiatischen, die sich nahezu gewaltlos "öffnen" ließen (China seit 1685). Die formelle Anwendung kolonialer Gewalt symbolisierte dagegen nichts anschaulicher als der Sklavenhandel mit der Etablierung von Sklavenhäfen an den Küsten West- und Ostafrikas als Ausgangspunkte für die Verschiffung der Sklaven zu den Plantagen Mittel- und Südamerikas.
Das südliche Afrika, seit dem 17. Jahrhundert von den Niederländern als Siedlungskolonie erschlossen und seit 1815 für die Briten aufgrund der Gold- und Diamantenminen bedeutsam, war hiervon ausgenommen. Ähnlich wie Ägypten spielte es eine Sonderrolle, auch was die Wahrnehmung durch die Europäer betrifft. Die Schiffsroute am Kap wie am Suezkanal war in militärischer und handelspolitischer Hinsicht elementar wichtig. In Ägypten präsent zu sein, war darüber hinaus von großer symbolischer Bedeutung, was sich in Eroberungsversuchen von Napoleon Bonaparte (1769–1821) bis Adolf Hitler (1889–1945) manifestierte. Auffallend an dieser Parallele ist der Glaube, konzentrierte Macht in Europa und am Nil – als dem Zugang nach Asien – sei eine Bedingung für konzentrierte Macht in der Welt. Auch ein britischer Kolonialverwalter wie Evelyn Baring, Lord Cromer (1841–1917), der in Kalkutta und Kairo stationiert war, wusste wie kein anderer, dass das Überleben des Empires vom Kronjuwel Indien ebenso abhing wie vom Suezkanal. Sein Buch Ancient and Modern Imperialism (1910) ist ein Zeugnis intimer Kenntnisse der Funktionsweisen kolonialer Herrschaft, wie sie unter den verschiedenen Verwaltungsposten tradiert wurden. Was die Briten sich die Verteidigung ihrer Interessen 6.000 Meilen von London entfernt kosten ließen, zeigte der insgesamt verheerende Südafrikanische Krieg (auch Zweiter Burenkrieg, 1899–1902). Freiwillige aus zahlreichen europäischen Ländern kämpften auf Seiten der Buren gegen die Briten, die ihrerseits große Truppenverbände aus Australien und Kanada rekrutierten. Endgültig büßte der Gestus imperialer Herrschaft seine Legitimität ein, als 1956 das britische und das französische Militär unter dem Druck der USA und der Sowjetunion die Suezkanalzone verlassen mussten. Der Kanal ebenso wie das Kap sind von daher zum einen erstrangige Räume der Begegnung zwischen Europäern und Nichteuropäern sowie zum anderen Räume der Begegnung in der Abfolge verschiedener europäischer Kolonialismen.
Trennscharfe Epochenzäsuren verbieten sich in diesem Panorama von selbst. Dafür waren die Unternehmungen, an denen alle europäischen Kolonialmächte mehr oder weniger beteiligt waren (Entdeckungsreisen, wissenschaftliche Projekte wie Kartographierung, Aufbau merkantilistischer Kolonialwirtschaften etc.), in ihren Zeitspannen zu verschieden, auch zu fließend, und die ständig Wandlungen unterworfenen Wechselbeziehungen zwischen Europa und Außereuropa waren zu divergent. Aber es hat in der Gesamtentwicklung des europäischen Kolonialismus Phasen gegeben, die sich analog zur Entwicklung des Großmächtesystems der europäischen Staaten gliedern lassen:
1. Am Anfang waren Portugal und Spanien (1580–1640 in Personalunion) vornehmlich am Überseehandel bis Brasilien bzw. den Philippinen interessiert und vom christlichen Missionsgedanken beseelt. Ihnen gelang es, mit wenigen Ausnahmen koloniale Überschneidungen zu vermeiden.
2. Indessen verschärften sich die Konkurrenzen seit dem 17. Jahrhundert, als Engländer, Franzosen und die Niederländer zunächst zwar nicht in die Gebiete der Spanier und Portugiesen vordrangen, aber in angrenzende Regionen. Die nordamerikanische Atlantikküste zwischen französischen Besitzungen des heutigen Kanada und spanischen Ansprüchen im Süden zeigt dies beispielhaft.
3. Als die Krise des Ancien Régime in Europa nicht länger abgewendet werden konnte, verloren auch die Kolonialreiche an Kohäsion. Die Briten setzten sich gegen ihre französischen Rivalen in Nordamerika und Indien, gegen die Niederländer in Südostasien und gegen die Spanier in Südamerika durch. Die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten ersetzten sie durch ihre Übermacht in Indien, in Südafrika und insbesondere auf den Weltmeeren mit ihrer nahezu konkurrenzlosen Royal Navy und dem modernen Freihandel.
4. Die koloniale Erfassung Afrikas im großen Stil begann mit Frankreichs Einnahme Algeriens 1830, die zugleich stärker als zuvor die innereuropäischen wirtschaftlichen und industriellen Spannungen als kolonialistische Kräfte freisetzte und im Hochimperialismus zwischen 1870 und Erstem Weltkrieg kulminierte.12
5. Seit dem Entstehen eines pluralistischen Kolonialsystems im Laufe des 19. Jahrhunderts waren nicht allein die europäischen Kolonialmächte in die Aufteilung der Welt involviert, sondern auch Japan und Russland. Den Prototyp für eine gelungene Verknüpfung von kontinentaler Binnenkolonisation in Form der Westverschiebung der Frontier und maritimer Kolonialpolitik im asiatischen Raum stellten die USA dar, die ja zugleich das erfolgreichste Modell des Antikolonialismus waren. Spätestens um 1900 befand das europäische Großmächtesystem sich damit vor der Herausforderung eines globalen Wettbewerbs. In der umstrittenen Interpretation Niall Fergusons war es nur konsequent, dass die USA im 20. Jahrhundert die Position Großbritanniens als "global hegemon" übernahmen, den formellen wie informellen Kolonialismus Europas marginalisierten, gleichwohl die Globalisierung als "Anglobalisierung" fortführten.13
Formen
Genuine europäische Kolonialmächte wie die spanische, portugiesische, französische und britische zeichnete seit dem 16. Jahrhundert aus, dass sie Konzeptionen ihrer Weltherrschaft entwickelten und diese auf dem Vermächtnis Roms basierten.14 Das soll nicht heißen, dass Nachzügler wie Italien, Belgien und das Deutsche Reich nicht eigene Formen imperialen Denkens hervorgebracht und im Ergebnis spezifische Kolonialsysteme gehabt hätten, mit denen sie Anschluss an die großen historischen Imperien gewannen. Deutsche Kolonialbeamte, Praktiker wie Heinrich Schnee (1871–1949) und Carl Peters (1856–1918)[], sahen den deutschen Kolonialismus im Licht und in Abgrenzung vom britischen und französischen Kolonialismus sowie im Kontext von Weltpolitik. Auch beteiligten sie sich an der gleichsam europaweiten Debatte, welche Vorbildfunktion das römische Weltreich für Europa haben konnte. Doch im Unterschied zu den Imperien des späten 19. Jahrhunderts waren etwa die spanische Weltherrschaft in der Vormoderne und die britische seit spätestens 1750 von einer beispielslosen geographischen Ausdehnung geprägt, was eine gründliche Vorstellung von Imperium und Expansionismus zur Bedingung machte. Ihr gemeinsamer Referenzrahmen war die "atlantische Welt", die auch als ein geschichtswissenschaftliches Konzept zur Bestimmung kolonialer Praktiken Anklang gefunden hat.15 "Imperialität" und "Globalität" waren hier gewissermaßen eins und getragen von einem christlich universalistischen, geradezu messianischen Führungsanspruch. Der Preis, den Spanien für seine Weltreichsstellung bezahlen musste, war allerdings hoch und der europäischen Mächtekonstellation geschuldet. Seiner globalen Superiorität stand als Folge der habsburgischen Erbteilung der Anspruchsverzicht auf die Kaiserwürde des Reiches gegenüber.
Einem mit der globalen Dimension einhergehenden Verlust von Einheit waren die modernen nationalstaatlichen Imperien indessen nicht ausgesetzt. Ihr Expansionsdrang bedingte sich vornehmlich aus weltlichen Faktoren wie Profit und Prestige, nicht jedenfalls aus einem dem christlichen Heil, Frieden und Gerechtigkeit verpflichteten Begriff der Universalmonarchie. Der Weltreichsgedanke Karls V. (1500–1558) hatte sich insofern überlebt, als die Zivilisierungsmission der modernen europäischen Imperialismen zu einem transnationalen, aber nicht primär religiösen Motor wurde. Ihre Triebkräfte waren ganz unterschiedlich, nicht notwendigerweise ideologisch, doch wie im französischen Fall bildeten sie unter anderem einen Teil der Kosten-Nutzen-Erwägungen. Der Generalgouverneur Indochinas, Albert Sarraut (1872–1962)[], hatte dafür 1923 das Leitmotiv der "mise en valeur" (Erschließung) definiert und diesem zugrunde gelegt, dass die Kolonien lediglich ein exterritorialer Bestandteil eines "größeren Frankreich" oder eines "France Africaine" seien.16 Mit Blick auf die weißen Siedlungskolonien wie Kanada und Australien hatte es ähnliche Überlegungen auch im viktorianischen England gegeben. Für den Historiker John Robert Seeley (1834–1895) und vor ihm Charles Dilke (1843–1911) war das Empire Sinnbild für die "Ausdehnung Englands" in eine koloniale Welt, in der Cricket genauso gespielt wurde wie in Oxford.17 Nation und Expansion bedingten einander, ohne die Diversität preiszugeben. James Anthony Froude (1818–1894) warnte, dass, wer den Wert Indiens und der afrikanischen Kolonien überbetone, jenen der "white settlements" unterschätze. Sein Buch Oceana, or England and her colonies (1886) war ein Versuch, das britische Empire als legitimen Erben der römischen Republik zu inszenieren, indem dieses dem Prinzip politisch kluger Herrschaftsformen folgte, wenn es Kolonialismus und Republikanismus der Vernunft unterordnete und damit dem Tugendkodex guter Regierung mehr Gewicht beimaß als der Autorität militärischen oder wirtschaftlichen Gewaltmonopols in den afrikanischen und asiatischen Kolonien.18 Winston Churchill (1874–1965) erfand dafür die exklusive Bezeichnung der "English-speaking peoples".
Dass diese Regel für überseeische Weltreiche gelten konnte, für kontinentale wie das der Habsburger aber anders lauten würde, diskutierten zeitgenössische Beobachter im Spannungsfeld der Doppelmonarchie und vor allem in Abgrenzung zum pulsierenden deutschen Kaiserreich. Österreichische Reichsgeschichte wurde in imperialer Terminologie formuliert – schließlich war die Okkupation Bosnien-Herzegowinas auf dem Berliner Kongress 1878 offiziell akzeptiert worden –, doch war sie nicht zentralistisch, sondern multinational angelegt und tolerierte lokale Selbständigkeiten bis zur Bestätigung regionaler und religiöser Diversitäten. Habsburgs Defizit, keine nationale Identität stiften zu können, wurde teilweise mit der Stärkung der populären Dynastie kompensiert, obwohl diese, wie etwa in der Person Kaiser Franz Josephs (1830–1916), dem extremen Hochimperialismus der Jahrhundertwende nicht gewachsen war und das Reich nostalgisch statt modern führte. Zeichneten sich ähnlich rückwärtsgewandte Tendenzen bei anderen europäischen Monarchen ab, so suchte man hierfür Ausgleich durch politische oder auch kulturelle Maßgaben. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Krönung Viktorias (1819–1901) zur Kaiserin von Indien im Jahr 1876, die gleichsam eine Nachahmung der bonapartistischen Sukzessionspraxis der spanischen Monarchie in Südamerika war. Benjamin Disraeli (1804–1881) hatte die Kaiserwürde Viktorias vorangetrieben, weil er in der Deutschtümelei und Pflichtvergessenheit der Monarchin nach dem Tod des Prinzgemahls Albert (1819–1861) eine Krise auf Großbritannien und das Empire zukommen sah. In der Folge wurde der britische Imperialismus zunächst noch konkurrenzloser und die Zentralität Europas in der Welt des 19. Jahrhunderts noch klarer eine wirtschaftliche, militärische und maritime Zentralität Großbritanniens. Gestützt auf die Royal Navy und den Welthandel, symbolisierte die "Pax Britannica" das Programm eines pazifistischen Kolonialismus. Im Sinne eines friedenschaffenden Weltreichs konnte es zwar mehrere "gobal player" geben, aber nur einen global wirkenden Hegemon. Diese Verklärung maritimer Herrschaft fand ihren Niederschlag in Alfred Mahans (1840–1914) Klassiker The Influence of Sea Power upon History (1890), ein Manifest für die triumphale "Anglobalisierung", das heißt erdumspannende und völkerverbindende Expansion des Abendlandes.
Die überseeischen wie die kontinentalen Kolonialreiche Europas prägte gemeinsam, dass sie ihre imperiale Herrschaft über eine Entwicklungsdifferenz zum "Anderen" konstruierten und damit maßgeblich zu einer veränderten Selbstwahrnehmung Europas in der Welt beitrugen. Im Wesentlichen ging es mehr um das Selbst- als um das Fremdbild. Herrschaft war Fremdherrschaft über als "untergeordnet" begriffene Völker. Sie musste über gewaltsame Eroberung errungen und mit kolonialen Methoden gesichert werden, um wirtschaftliche, militärische und kulturelle Ausbeutung zu garantieren. Der europäische Überlegenheitsanspruch legitimierte sich daher als Logik der ungleichen Wechselbeziehung zwischen kolonialen Gesellschaften und einem neuartigen Kapitalismus Europas, insbesondere den britischen "gentlemanly capitalists",19 dessen globales Ausgreifen besonders ausgeprägt in der Sklavenwirtschaft zum Tragen kam. Nirgendwo artikulierte sich die Ambivalenz zwischen rücksichtslosem Hegemonialstreben einerseits und den aus der Aufklärung hergeleiteten Begriffen wie Weltbürgertum, Kosmopolitismus und Menschenrechte andererseits deutlicher als in der Sklaverei.20 Die Sklaverei aber, die sich die Idee der Verschiedenartigkeit der Menschen zunutze machte, kulminierte in den Rassentheorien des Hochimperialismus. Wohl keine europäische Kolonialmacht hat sich von den Diskursen ferngehalten, die sowohl mit Hilfe von Medizin, Anthropologie, Ethnologie usw. pseudowissenschaftlich begründet als auch am praktischen Nutzen orientiert waren und die Widersprüche und Perversionen des Imperialismus auf die Spitze trieben. Französische Debatten über Arthur de Gobineaus (1816–1882) Essai sur l'inégalité des races humaines, 1853) bis zu Georges Vacher de Lapouges (1854–1936) Race et milieu social: essais d'anthroposociologie (1909) profitierten ebenso wie die britischen Kontroversen mit Joseph Chamberlain (1836–1914) unter anderem von den stereotypischen Vorstellungen, die Kolonialbeamte aufgrund ihrer Alltagserfahrung in die Machtzentren zurückbrachten. Der Völkermord im Kolonialkrieg der Deutschen gegen die Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika (1903–1907) gibt davon eins von vielen Zeugnissen, die Schreckensherrschaft des belgischen Königs Leopold II. (1835–1909) im Kongo ein zweites.
Ausblick
Mithin versinnbildlicht der Begriff der "Europäisierung der Welt" das Dilemma zwischen einerseits positiven Errungenschaften wie moderne Staatlichkeit, Urbanisierung, Rationalismus und Christentum, europäischen Denksystemen wie Liberalismus, Sozialismus und Positivismus, der in Frankreich und England, aber auch in Brasilien und Japan auf Begeisterung stieß, sowie andererseits negative Hinterlassenschaften wie Cäsarismus, Rassismus und koloniale Gewalt. Er kann zudem die Frage aufwerfen, ob die europäische Geschichte zwischen etwa 1450 und 1950 nicht vornehmlich als eine Expansionsgeschichte gelesen werden kann, besonders wenn man jenseits eines Europazentrismus die Geschichte der Imperien universalhistorisch behandelt, allerdings ohne ihr eine Gesamttheorie zu unterlegen und ohne sie als historische Einheit zu konstruieren. Mit dem "Weltteilungsvertrag" von 1494 setzte ein intensiveres Ineinandergreifen von Nation, Expansion und "Europäisierung der Welt" ein, das keine einseitige Schaffung von Abhängigkeiten, sondern ein Prozess des Gebens und Nehmens mit wechselseitigen Beeinflussungen jenseits festgelegter imperialer Grenzziehungen war. Dieser multipolaren Dynamik zufolge war Europa nicht dezentralisiert oder provinzialisiert,21 doch kommt es ebenso wenig als alleinige Interpretation für die globale Moderne in Frage.22