Lesen Sie auch die Beiträge "La colonisation" und "Slavery in European colonies" in der EHNE.
Allgemeiner Überblick
Was wir heute Europa nennen, war Mitte des 15. Jahrhunderts peripheres Anhängsel der asiatischen Landmasse, das Bedarf an Gütern und immer wieder auch an Ideen aus dem Osten hatte.1 Ein Verhältnis Europas zur Welt, das sich als Herrschaft oder Ausübung von Macht beschreiben ließe, existierte damals nicht. In Mittelalter und Antike hatte Europa mit dem Norden Afrikas und dem Osten Asiens die "Alte Welt" gebildet. Ihre Teile waren durch den Transfer von Waren, Ideen und Menschen verbunden, und über die Grenzen der Kontinente hinweg etablierten sich gelegentlich auch Herrschaftsverhältnisse politischer Natur. Das Reich Alexander des Großen (356–323 v.Chr.), das Imperium Romanum oder auch die oberitalienischen Handelsstädte mit ihren Kolonien griffen nach Osten aus, die Wikinger mit ihren Niederlassungen auf Grönland und in Nordamerika nach Westen. Umgekehrt stießen islamische Dynastien nach Süditalien und auf die Iberische Halbinsel vor. Die Mongolen kontrollierten auf dem Höhepunkt ihrer Macht den Norden der eurasischen Landmasse vom Pazifik bis an die Oder. Das Osmanische Reich fasste in Thrakien und auf dem Balkan Fuß und etablierte sich, als es 1453 Konstantinopel eroberte und zu seiner Hauptstadt machte, fest auf europäischem Boden.
Seit dem 15. Jahrhundert suchten Portugiesen und Spanier nach einem direkten Zugriff auf die Reichtümer Asiens. Sie erschlossen einen Seeweg nach Indien rund um Afrika und stießen bei der Erkundung einer Westroute zu den Gewürzinseln beiläufig auf Amerika. Der Prozess der europäischen Expansion hatte begonnen.2 Häufig war er von Krieg und Gewalt begleitet. In seinem Verlauf entwickelten sich vielfältige asymmetrische Wechselbeziehungen und Herrschaftsverhältnisse zwischen Europa und der Welt. Sie lassen sich zusammenfassend als Kolonialismus und Imperialismus in formeller wie informeller Gestalt bezeichnen. "Informal empire" entstand durch das Ausnutzen überlegener ökonomischer Positionen, mit Druck und Drohungen, aber auch mit militärischen Interventionen. Die jeweiligen regionalen politischen und administrativen Strukturen blieben bestehen. Es war geeignet und oft auch ausreichend, um politische und ökonomische Interessen durchzusetzen und abzusichern. "Formal empire" bedeutete dagegen den Sturz indigener Machthaber und den Aufbau eines neuen, fremdbestimmten Herrschaftssystems. Dabei wird zusätzlich zwischen "direct" und "indirect rule" unterschieden. Während bei "direct rule" Beamte aus dem Mutterland selbst untere Ränge bekleideten, bestand "indirect rule" darin, einheimische Eliten in die koloniale Verwaltung einzubinden.3
Herrschaft war mehr als die Ausübung von Macht, denn sie benötigte Instrumentarien und Techniken, um durchgesetzt werden zu können. Eine Vielfalt an Mitteln stand hier zur Verfügung. Mission und Kirche spielten eine wichtige Rolle, juristische Normen und Bestimmungen, wirtschaftliche Mechanismen und kulturelle Einflussnahmen. In Begleitung ebenso wie als Folge des Aufbaus von Herrschaft und der Ausübung von Macht entstanden vielfältige Kulturtransferprozesse.4 Sie führten einerseits zu langlebigen strukturellen Abhängigkeiten, inspirierten andererseits aber auch Selbstbehauptungswillen und Dekolonisationsbemühungen, denn Herrschaft konnte sich nicht allein auf Gewalt und Repression gründen. Sie brauchte ein Mindestmaß an Akzeptanz und Kooperation. Das gab auch den Beherrschten Möglichkeiten, auf die Gestaltung von Herrschaft Einfluss zu nehmen. Mit seinen Zugriffen trug Europa dazu bei, die Welt zu transformieren. Gleichzeitig veränderte es sich selbst unter dem Einfluss der Erkenntnisse und der Rückwirkungen, die die Herrschaft über Teile der Welt mit sich brachte.5
Formen und Akteure
Zunächst trugen Seefahrer und Eroberer in spanischen und portugiesischen Diensten die Expansion. Besonders in Amerika6 gehörte es zu ihren Intentionen, mit ihren Gefolgsleuten ein persönliches Herrschaftssystem aufzubauen. Die spanischen und portugiesischen Kronen unterbanden diese Ambitionen jedoch, da sie an der Entwicklung feudaler Strukturen keinerlei Interesse hatten, und etablierten stattdessen absolutistisch-bürokratische Strukturen. Die Legitimationsbasis dafür waren die Bullen verschiedener Päpste. Als Stellvertreter Gottes auf Erden nahmen diese die Universalherrschaft über die Welt für sich in Anspruch und delegierten ihre Ausübung an Portugiesen und Spanier. Als Gegenleistung verpflichteten sich beide Mächte, den christlichen Glauben zu verbreiten und den Apparat von Kirche und Mission zu finanzieren.
Die Portugiesen klinkten sich in Asien in bestehende überregionale Handelsverbindungen ein.7 Aufgrund lokaler Rivalitäten fanden sie stets Rückhalt bei einheimischen Partnern. Doch sie schreckten auch vor dem Einsatz von Gewalt nicht zurück. Es gelang ihnen, sich in Nischen der politischen und wirtschaftlichen Landschaft Asiens einzurichten. Die Spanier profitierten in Amerika von den Strukturen der Großreiche in Mexiko und Peru. Sie nutzten interne Konflikte, setzten auf Überraschungseffekte, agierten draufgängerisch, rücksichtslos und menschenverachtend. Wichtige Verbündete waren zudem europäische Krankheiten, denen die Indígenas massenhaft erlagen.8 Als die Zentren der Macht zerschlagen waren, setzten sich die Spanier an die Stelle der alten Eliten.
Das portugiesische Überseereich war – von Brasilien abgesehen – nicht mehr als ein weitmaschig geknüpftes Netz von Handelsstützpunkten. Der so genannte Estado da Índia wurde von Goa aus, wo Vizekönig und Erzbischof residierten, politisch, wirtschaftlich und geistlich verwaltet. Oberste Autorität war der portugiesische König, ökonomische Fragen entschied die Casa da Índia in Lissabon. Zentrale Steuerung des Europageschäfts und ein Passsystem für asiatische Kaufleute sollten den Portugiesen eine Monopolstellung verschaffen. In der Neuen Welt fanden die Spanier nirgends Handelsgüter, die mit den asiatischen vergleichbar gewesen wären. Mit der Herrschaft über Land und Menschen wurde ein Konzept kolonialer Durchdringung gefunden, das sich vom asiatischen Stützpunktsystem unterschied. Verwaltung und Kontrolle der Besitzungen jenseits des Atlantiks erfolgten im Geist des Absolutismus. Krone und Zentralbehörden lenkten das Kolonialreich vom Mutterland aus. Behörden und Beamte in der Neuen Welt setzten die Direktiven um, wobei ihnen die räumliche Distanz und die Dauer der Kommunikation große Handlungsspielräume gaben.9 Die einträglichsten Wirtschaftszweige wurden als Kronmonopol betrieben.
Mit Niederländern, Engländern und Franzosen betraten neue Akteure die überseeische Bühne. Sie wählten die privilegierte Handelskompanie, um ihre Herrschaftsbeziehungen zur außereuropäischen Welt zu gestalten.10 Privates Engagement spielte die entscheidende Rolle, der Staat agierte lediglich regulierend im Hintergrund. Kompanien kümmerten sich um Handel und Plantagenwirtschaft ebenso wie um die Gründung von Kolonien und ihre Besiedlung, um militärische Aufgaben oder um Steuereinziehung und Verwaltung. Ihr wirtschaftspolitisches Credo war der Merkantilismus. Die Kompanien können als Vorformen moderner Aktiengesellschaften gesehen werden. Ihr Aufstieg in Übersee geschah im Kontext europäischer Konflikte und Kriege. Die Niederlande, England und Frankreich standen gegen Portugal und Spanien, kämpften aber auch untereinander. Dabei ging es um die Vorherrschaft in Europa ebenso wie um die in der kolonialen Welt, die einerseits zur Bühne europäischer Auseinandersetzungen, andererseits mit ihren Reichtümern und Nutzungsmöglichkeiten zu einem begehrten Objekt wurde.
Prototypen der chartered companies waren die niederländische Verenigde Oostindische Compagnie (VOC) und die englische East India Company (EIC). Die VOC wurde 1602 gegründet und konnte aus eigener Machtvollkommenheit Grundbesitz erwerben, Festungen bauen, Recht sprechen, Verträge schließen und Krieg führen. Sie war besser finanziert, effektiver organisiert und technisch moderner ausgerüstet als die portugiesische Konkurrenz, deren Handelsnetz in Asien sie in wenigen Jahrzehnten zerschlug. Gelegentlich Waffengewalt, häufig aber lokale Rivalitäten erleichterten es der VOC, sich in Asien zu etablieren und Batavia zur Schaltzentrale ihres Handelsnetzes zu machen. In Analogie zur VOC wurde 1621 für den Bereich der Amerikas die Westindische Compagnie (WIC) ins Leben gerufen, zu deren Aufgaben auch die Siedlungspolitik gehörte. Die bereits 1600 formierte EIC ähnelte in ihrer Konzeption der VOC, erreichte jedoch lange Zeit nicht deren Effizienz und Durchschlagskraft. Da die VOC zu stark war, konnte die EIC im südostasiatischen Gewürzgeschäft nicht Fuß fassen. Sie konzentrierte sich auf den Chinahandel und auf Indien, wo sie ihre Position sukzessive ausbaute. Private chartered companies unternahmen auch die ersten kolonisatorischen Schritte von englischer Seite in Nordamerika. Sie hatten ihre Unternehmungen oft mangelhaft geplant und nicht ausreichend finanziell gesichert. Die Krone übernahm deshalb immer wieder Kolonien, die nicht mehr lebensfähig waren. In den französischen Kompanien spielte der Staat eine sehr viel stärkere Rolle als in den niederländischen oder englischen. Dies war die Folge der schwächerern gesellschaftlichen Verankerung überseeischer Interessen, verstärkte gleichzeitig aber auch die Zurückhaltung privater Investoren oder potentieller Siedler, die staatliche Eingriffe fürchteten. Dennoch wurde Frankreich im 18. Jahrhundert zu der europäischen Macht, die in der Lage war, mehr als ein Jahrhundert lang mit Großbritannien um eine Führungsposition in Europa wie in Übersee zu konkurrieren.
Spanier und Portugiesen intensivierten im 17. und 18. Jahrhundert ihre territoriale Herrschaft im Süden Amerikas. Britische, französische und andere europäische Siedler drangen im Norden des Kontinents immer weiter nach Westen vor.11 Aus dem Asienhandel der Kompanien gingen an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Konstellationen Herrschaftsbeziehungen hervor. In einigen Teilen des maritimen Südostasiens wurden die Niederländer nicht nur zu Territorialherren, sondern auch zur regionalen Vormacht. Die EIC veränderte mit Steuer- und Zollvorschriften die Produktionsstrukturen im indischen Textilgewerbe zum eigenen Vorteil.12 In innerindischen Konflikten, die vielfältig verwoben waren mit der globalen Rivalität zu Frankreich, ließ sich die EIC lokalen Beistand mit dem Recht auf Steuereinnahmen und Tributzahlungen und mit der Übernahme von Verwaltungs- und Zivilgerichtsbarkeit in einer Reihe von indischen Regionen bezahlen.13
Im langen 19. Jahrhundert weiteten sich die Räume aus, die Europa beherrschte, wurde das Konzert der Kolonialmächte vielstimmiger und verfeinerte sich das Repertoire der Herrschaftsformen.14 Kolonialismus verdichtete sich – besonders im Fall des britischen Empire – zu Imperialismus und zur europäischen Dominanz über die Welt. Das Bedürfnis der industriellen Ökonomien nach Rohstoffquellen und Absatzmärkten, die Suche nach Investitionsmöglichkeiten, der Versuch, Auswandererströme im nationalen Einflussbereich zu halten, oder das Bemühen, soziale und konjunkturelle Krisen durch den Erwerb von Kolonien und ihre intensivere Erschließung zu mildern, waren Gründe für diese Entwicklung. Dazu kamen überseeische Faktoren. Krisen und Unruhen, aber auch Turbulenzen in oder Konflikte mit Nachbarregionen konnten zu einem Eingreifen und einer Intensivierung kolonialer Herrschaft führen.
Das Britische Empire spielte im imperialistischen Mächtekonzert die unumstrittene Führungsrolle. Es verfolgte globale Interessen, und zwar mit Mitteln, die je nach lokalen Gegebenheiten und weltpolitischen Konstellationen unterschiedlich aussehen konnten. Seine Weltstellung basierte vor allem auf der Flotte, deren Ausbau die fortschreitende Industrialisierung sowie eine systematische Staatsverschuldung erlaubten. Formelle Kolonialherrschaft umfasste Kronkolonien, Dominions – also weiße Siedlungskolonien –, Protektorate, Völkerbundsmandate und andere Rechtskonstruktionen.15 Zum wesentlichen Charakteristikum von "informal empire" wurden die "ungleichen Verträge", meist erzwungen durch die so genannte "Kanonenbootdiplomatie" oder andere Formen von Druck. Mitte des 19. Jahrhunderts gehörten zu diesen auf solche Weise durchdrungenen Gebieten das Osmanische Reich, Persien, China und auch Japan.16 Rechnet man zu informeller Herrschaft auch dominanten wirtschaftlichen Einfluss, der politisch-militärisch abgesichert werden konnte, muss auch Lateinamerika als Teil von "informal empire" betrachtet werden.
Herrschaft über Personen und Personen als Herrschaftsträger
Europa herrschte in der überseeischen Welt nicht nur über Regionen, sondern auch über Menschen. Die kolonialen Wirtschafts- und Handelszentren benötigten Arbeitskräfte. Waren sie auf dem freien Markt nicht verfügbar und durch Zuwanderung nicht zu gewinnen, bildeten sich Systeme von Zwangsarbeit und Sklaverei heraus.17 Im Süden Amerikas ließen Spanier Indígenas cash crops produzieren und Edelmetalle abbauen. Ab 1495 durften offiziell nur noch Kriegsgefangene versklavt werden, und 1542 kam es zu einem völligen Verbot der Sklaverei. Ein Ende jeglichen Arbeitszwangs bedeutete das jedoch nicht. Systeme wie das "repartimiento" (von span. "repartir" – zuteilen, verteilen), auch "encomienda" (von span. "encomender" – beauftragen, anvertrauen) genannt, bei dem einem spanischen "encomendero" für seine Verdienste von der Krone zunächst die Arbeitskraft und später die Tribute der Menschen zugeteilt wurden, die auf einem bestimmten Gebiet lebten, machten unfreiwillige Arbeit weiterhin möglich.
Die Indígenas waren dem Einsatz auf den Plantagen in den Küstenregionen Brasiliens und der karibischen Inseln nicht gewachsen. Sie starben massenhaft. Ersatz wurde in Schwarzafrikanern gefunden. Zwischen 1450 und 1850 wurden etwa 12 Millionen Menschen aus Afrika in die Neue Welt verschleppt. Rund zwei Millionen starben während des Marsches zur Küste und vor allem während der Überfahrt. Da die Geburtenrate auf den Plantagen sehr niedrig war, konnte nur ständiger Nachschub für ausreichend Arbeitskräfte sorgen.18 In den niederländischen und englischen Besitzungen in Asien, auf den französischen Inseln im Indischen Ozean sowie am Kap der Guten Hoffnung gab es ebenfalls Sklaven, afrikanischer wie asiatischer Herkunft. Sie leisteten zwar auch Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, waren hier aber in erster Linie im Haushalt tätig. Diese Arbeitsverhältnisse ähnelten Patron-Klient-Beziehungen und unterschieden sich deutlich von der Situation in den Plantagenökonomien Amerikas.
Nach dem Verbot des Sklavenhandels suchten und fanden die agrarischen Großbetriebe seit dem 19. Jahrhundert neue Arbeitskräfte in den "indentured labourers". Chinesen und Inder stellten dabei den größten Teil, aber auch Javaner, Japaner, Filipinos und Melanesier verdingten sich auf Plantagen, in Bergwerken oder beim Eisenbahnbau. Diese Kontraktarbeit kam nicht immer freiwillig zustande, basierte jedoch im Unterschied zur Sklaverei prinzipiell auf vertraglichen Vereinbarungen. Der Verpflichtung, zu bestimmten Konditionen in einem fremden Land in den Dienst eines Unternehmers zu treten, standen – zumindest auf dem Papier – Regelungen bezüglich Überfahrt, Arbeitsbedingungen, Lohn, Unterkunft und Rückkehrmöglichkeit gegenüber.19
Besonders das Geschäft mit den afrikanischen Sklaven macht deutlich, dass europäische Herrschaft über Menschen weit über die kolonialen Systeme hinausreichte. Europäer jagten Afrikaner nicht selber, und sie kauften sie auch nicht an ihren Herkunftsorten. Sie bezogen sie in ihren Stützpunkten an der Küste von afrikanischen Mittelsmännern. In Reaktion auf die wachsende Nachfrage wurden selbst weit entfernt von der Atlantikküste Menschen gefangen. Im Hinterland der europäischen Niederlassungen entwickelten sich einheimische Reiche, die den Sklavennachschub organisierten.20
Nicht nur Führungspersönlichkeiten übten Herrschaft aus. Soldaten, Kaufleute, Handwerker, Bauern oder Glücksritter konnten individuell von den Strukturen des Kolonialismus' profitieren und aus asymmetrischen Machtverhältnissen Vorteile ziehen. "Gewöhnliche" Siedler transformierten mit ihren Haustieren und Nutzpflanzen, mit ihren Schädlingen und Unkräutern und mit ihren Krankheitserregern den Norden und den äußersten Süden Amerikas, das südliche Afrika, Australien, Neuseeland und den asiatischen Fernen Osten Russlands. "Neo-Europas" entstanden.21 Der Einsatz und häufig die Ausbeutung von Arbeitskräften durch Europäer gehörten zum kolonialen Alltag. Wo Plantagenökonomien entstanden waren, entwickelten sich Gesellschaften mit klarer, rassisch begründeter Hierarchie.22 Die Siedler in "Neo-Europas" wirtschafteten dagegen weitgehend selbst. In den USA wie in Australien hatten sie wenig Interesse an der Arbeitskraft von Indianern oder Aborigines. Diese galten als Störfaktoren, wurden marginalisiert, verdrängt oder sogar ausgelöscht.23
In Europa waren es nicht nur die Vorstände von Banken und anderen international operierenden Firmen, die Herrschaft mit Überseebezug ausüben konnten, sondern auch Mitglieder von wissenschaftlichen Einrichtungen oder Kolonialinstituten. Forscher verschiedenster Fachrichtungen gingen in den entlegensten Regionen der Welt ihren jeweiligen akademischen Interessen nach. Vereine und Gesellschaften wurden gegründet, um bestimmte Regionen der Welt zu erforschen. Das erleichterte koloniale Durchdringung und Herrschaftsausübung.24
Herrschaftstechniken
Koloniale Herrschaft bediente sich militärischer, politisch-administrativer, rechtlicher und kultureller Machttechniken. Spanische Konquistadoren und bewaffnete Handelsschiffe portugiesischer oder niederländischer Herkunft hatten Vorteile beim Kampf gegen Azteken und Inkas oder bei Feuergefechten in asiatischen Gewässern. Von einer generellen militärischen Überlegenheit Europas kann man aber erst sprechen, als ab den 1830er Jahren dampfgetriebene Kanonenboote und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dann Maschinengewehre oder Dynamit zur Verfügung standen, und Chinin den Einsatz von Soldaten in großer Zahl auch in tropischen Regionen möglich machte.25
Formelle Herrschaft brauchte Institutionen wie Indienräte, Vizekönigtümer, Justizapparate oder Steuerbehörden. Je stärker auf "indirect rule" gesetzt wurde, desto mehr konnten indigene Autoritäten eingeschaltet werden. Besonders in diesen Fällen, aber auch in Systemen eher direkter Herrschaft war eine gewisse Anpassung an lokale Gegebenheiten unerlässlich. Spanier in Südamerika und Engländer in Indien integrierten einheimische Traditionen in koloniale Verordnungen und Gesetze. "Informal empire" gründete sich häufig auf so genannten "ungleichen Verträgen", wodurch rechtliche Bestimmungen in den Dienst kolonialer Herrschaft gestellt wurden. Sie schrieben die Öffnung von Häfen fest, die Aufnahme von Handelsbeziehungen und die Einrichtung von diplomatischen Vertretungen. Sie gewährten das Prinzip der Exterritorialität, das westliche Ausländer dem Zugriff indigener Justiz entzog. Zudem erhielten Europäer und Amerikaner meist das Recht, sich im Land frei zu bewegen, Grund und Boden zu erwerben und zu missionieren. Zollvergünstigungen und Steuervorteile wurden eingeräumt. Konsuln, Residenten oder andere Diplomaten achteten als "Berater" darauf, dass die Interessen der Metropolen gewahrt blieben.
Der europäische Zugriff auf die außereuropäische Welt war begleitet von Rivalitäten und einer Tendenz zu präventiven Aktionen, mit denen Machtgewinne für konkurrierende Nationen verhindert werden sollten. Verträge oder Konferenzen halfen, derartige Streitigkeiten zu vermeiden. Die Berliner Kongo-Konferenz beispielsweise bereitete 1884/1885 eine möglichst reibungslose Aufteilung Afrikas vor.26
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich neuartige Formen der Kommunikation zu einer immer wichtigeren Herrschaftstechnik. Tiefseekabel und Telegrafenleitungen vermittelten im Abstand von Stunden und Minuten zwischen den Kontinenten Nachrichten, die auf dem Schiffsweg noch Monate unterwegs waren.27 Drahtloser Funk und Telefon beschleunigten die Nachrichtenübermittlung im Laufe des 20. Jahrhunderts weiter. Zunächst elegante Hochseeklipper und dann Dampfschiffe reduzierten die Fahrzeiten im Güter- und Personenverkehr auf dramatische Weise. Der 1869 eröffnete Suezkanal verkürzte die Distanz zwischen Europa und Asien signifikant. 1914 rückte der Panamakanal die Ostküste der USA näher an den Westen des Landes sowie an die Philippinen, Japan oder China. Eisenbahnen und Flugzeuge komplettierten schließlich die Verkehrs- und Kommunikationsrevolution.
Herrschaft im Bereich Kultur wollte die Köpfe der Kolonisierten beeinflussen. Dabei wurde die systemstabilisierende Kraft von Religion, Schule und Sprache oder von Wissenschaft und Technik in den Dienst kolonialer Herrschaft gestellt. Mission etwa war zentrale Legitimationsgrundlage der iberischen Expansion und gleichzeitig Mittel, Seelen für das Christentum und Untertanen für den kolonialen Staat zu gewinnen. Dabei schreckte die Mission vor Gewalt nicht zurück, stützte sich aber zunehmend stärker auf inkulturierende Missionsstrategien, die auf lokale Traditionen eingingen und das Christentum in den indigenen Lebenswelten heimisch machen wollten.28 Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde auch der Protestantismus missionarisch aktiv.29 Die evangelikale Bewegung in England verlangte nicht nur, Mission in Gebieten zu gestatten, die das Empire kontrollierte. Sie forderte auch, Länder zu öffnen, die sich der Außenwelt verschlossen. Im Rahmen formeller Kolonialherrschaft übernahmen Orden und Missionsgesellschaften eine Reihe von Aufgaben, die die Verwaltungen entlasteten und das koloniale System stabilisierten. Dazu gehörten besonders Tätigkeiten im Schulwesen, im Bereich der Sozialfürsorge und im Gesundheitssystem. Kulturelle Kolonisation war geeignet, mentale Abhängigkeiten zu erzeugen, welche die Zäsur der politischen Dekolonisation überdauern konnten.
Strukturelle Herrschaft
Im Zuge der europäischen Herrschaft über die Welt bildeten sich zwischen nördlicher und südlicher Hemisphäre asymmetrische Abhängigkeitsverhältnisse heraus. Das weltumspannende, auf Europa hin orientierte Handelssystem verursachte im Süden Dependenzen und strukturelle Defizite, die eigenständige Entfaltungsmöglichkeiten zumindest erschwerten und spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zur Auseinanderentwicklung der beiden Weltteile führten. Der Süden produzierte – häufig auf monokulturelle Weise – Rohstoffe für den Norden und bezog von dort Produktionsmittel und Konsumgüter. Ein Entwicklungsgefälle bildete sich heraus, das durch interne Faktoren im Süden vergrößert oder verfestigt worden sein mag. Dennoch muss man feststellen, dass europäische Herrschaft Entwicklungschancen grundlegend beschnitt. Je weiter die Industrialisierung der Ökonomien des Nordens voranschritt, desto mehr waren diese in der Lage, die Länder des Südens wirtschaftlich, politisch, aber auch kulturell an sich zu binden.30
Diese Abhängigkeiten wurden auf mentaler Ebene verstärkt. Europa sah sich seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert an der Spitze des Fortschritts und der Moderne. Die anderen Kulturen wurden im besten Fall als Kinder verstanden, die an den europäischen Status heranzuführen waren. Vertreter sozialdarwinistischer Positionen dagegen gingen von unabänderlichen, rassisch begründeten Sachverhalten aus. Da Europa mit seiner globalen Dominanz auch die interpretatorische und definitorische Macht erwarb, festzuschreiben, worin das Wesen anderer Kulturen lag und welcher zivilisatorische Rang ihnen zukam, wurde seine Sicht der Welt zur allgemein verbindlichen. Der Zivilisation, der Moderne und dem Fortschritt Europas standen in dieser Perspektive die Barbarei, die Despotie und die Entwicklungsunfähigkeit der überseeischen Welten gegenüber.31
Widerstand und Dekolonisation
Widerstand gegen koloniale Herrschaft konnte die verschiedensten Formen annehmen. Zahlreiche Aufstände waren restaurativer Natur und strebten danach, die alte vorkoloniale Ordnung wieder herzustellen. Im Laufe der Zeit wurden aber immer öfter externe Impulse inkorporiert. Widerstand musste auch nicht gewalttätig sein.32 In Plantagenökonomien etwa gehörte die Flucht von Sklaven zum Repertoire, auf dem Gebiet von Kultur und Religion waren Aneignung und Adaption an lokale Verhältnisse verbreitete Mittel der Selbstbehauptung.33 In den Kernzonen kolonialer Herrschaft hatten Aufstände und Rebellionen lange Zeit wenig Erfolg, doch an den Peripherien, wo indigene Völker nomadische Lebensweisen praktizierten, konnten sie den kolonialen Mächten lang währende Guerillakriege aufzwingen.
Auf Dauer erwies sich formelle Kolonialherrschaft jedoch als unhaltbar. Zwischen dem ausgehenden 18. und dem späten 20. Jahrhundert kam es zu mehreren Dekolonisationsphasen. Drei werden üblicherweise unterschieden, von denen die beiden ersten von Weißen getragen wurden, von Auswanderern in Siedlerkolonien, die sich als "Neo-Europas" selbstständig machten, aber europäische Herrschaftstraditionen adaptierten und fortführten. In Spanisch- wie in Britisch-Amerika reagierten die weißen Eliten mit Unwillen auf Versuche, die Kolonien effizienter zu verwalten und Steuereinnahmen zu erhöhen. Eine gewaltsame Loslösung war die Folge. Von den farbigen Kolonien gelang es lediglich Haiti, in den Wirren der Napoleonischen Kriege die europäische Herrschaft abzuschütteln. Im Zuge der zweiten Dekolonisation erreichten die britischen Siedlungskolonien, die nach der Sezession der USA Teil des Empires geblieben waren, ihre politische Selbstständigkeit. Der Prozess der dritten, der "farbigen" Dekolonisation begann nach dem Zweiten Weltkrieg in Asien, gewann an Dynamik, erfasste Afrika, die Karibik und Ozeanien und wurde noch innerhalb der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nahezu vollständig abgeschlossen. Wie er verlief, hatte mit der Bereitschaft der Mutterländer zu tun, die Kolonie in die Unabhängigkeit zu entlassen. Diese konnte von der Metropole vorbereitet und gewährt werden oder war an der Peripherie zu erkämpfen. Geordnete oder turbulente Dekolonisationen ergaben sich als Konsequenz.34
Der Blick auf die erste Dekolonisation macht deutlich, dass sie keineswegs zu Souveränität in allen Belangen führen musste. Das war zwar in den USA der Fall, doch die ehemaligen spanischen Kolonien in Mittel- und Südamerika befreiten sich lediglich von "formal empire". Doch auch "informal empire" war dekolonisierbar. Bereits um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert hatte Japan die ungleichen Verträge revidieren können. China schüttelte sein imperialistisches Erbe 1949 endgültig ab,35 und auch Fidel Castros (1926–2016) Machtübernahme in Kuba 1959 kann ebenso als Dekolonisation aus "informal empire" verstanden werden.
Kulturtransfer und -wandel
Herrschaft mit Kultur bedeutete auch Kulturtransfer. Dies konnte, etwa in Amerika oder Australien, zerstörerische Konsequenzen haben. Stets waren Transformationen und Verwestlichungsprozesse die Folge. An ihrer Gestaltung hatten Kolonisatoren wie Kolonisierte Anteil. Die Gesellschaften des Südens übernahmen, verarbeiteten und integrierten durchaus bewusst Elemente von Kultur, die im Kontext von Herrschaft aus Europa in die außereuropäische Welt gelangt waren. Auch das war mit Verlusten verbunden, doch eröffneten sich gleichzeitig Chancen kultureller Selbstbehauptung. Aus der Vermischung westlicher Einflüsse mit eigenen Traditionen ergaben sich vielfältige Kreolisierungen und Synkretismen. Derartige Adaptionen und Inkulturationen stabilisierten nicht unbedingt das etablierte System. Vielmehr nutzten Aufstände und Befreiungsbewegungen neue politische Ideen und Organisationsformen, um die Herrschaft der Europäer in Frage zu stellen.36
Religion und Bildung etwa festigten nicht nur Kolonialsysteme, sondern lieferten auch Ideen und Begründungen zu ihrer Abschaffung. Mit Hilfe europäischer Sprachen und Schriften verständigte sich häufig die antikoloniale Opposition, weil sie in linguistisch heterogenen Regionen das einzige gemeinsame Kommunikationsmittel waren. Die Kolonisierten eigneten sich die Sprachen ihrer Kolonisatoren kreativ an und machten sie häufig zum Idiom des Widerstands.37 Nationalismus und Konstitutionalismus als zentrale Merkmale der politischen Geschichte Europas im 19. und 20. Jahrhundert wurden auch für die überseeische Welt beispielgebend. Demokratien, die sich zumindest im äußeren Erscheinungsbild an westlichen Modellen orientieren, finden sich überall in der postkolonialen Welt.38 Ähnliches lässt sich von sozialistischem Gedankengut sagen. Die Konzepte zahlreicher Führer revolutionärer Befreiungsbewegungen waren marxistisch-leninistisch fundiert. Zu radikaler politischer Verwestlichung kam es jedoch selten. Meist vermischten sich eigene Traditionen auf die eine oder andere Art mit westlichem Gedankengut. Ideen, die für bürgerliche oder sozialistische Industriegesellschaften gedacht waren, wurden auf die Bedingungen Asiens oder Afrikas übersetzt. Die Proklamation "dritter Wege" etwa war eine der Optionen, die Importe mit lokalen Gegebenheiten zu verbinden.
Außereuropäische Kulturen verwestlichten sich, umgekehrt ist aber auch eine Indigenisierung exportierter westlicher Kultur in vielfältiger Weise zu beobachten. In die Niederlassungen der asiatischen Stützpunktsysteme gingen Frauen nur in Ausnahmefällen. Rasch bildete sich eine Mestizobevölkerung, die eine eigenständige Kultur mit asiatischen und europäischen Zügen entwickelte.39 Die territoriale Herrschaft Spaniens dagegen ermöglichte und erforderte ein weitaus höheres Maß an kulturellem Selbstexport. Dennoch ist unübersehbar, dass nirgendwo jenseits des Atlantiks ein neues Spanien entstand, das einfach nur Abbild des altweltlichen gewesen wäre. Die Entwicklung von weißen Siedlungskolonien in Amerika, in Ozeanien und auch am Kap der Guten Hoffnung bedeutete ebenfalls in vielerlei Hinsicht eine Europäisierung der Welt, jedoch nicht die Entstehung einer Kopie Europas.
Rückwirkungen und Ambivalenzen
Die Ausübung von Herrschaft jenseits seiner Grenzen blieb für Europa nicht folgenlos. Neues wahrzunehmen, zu verstehen und einzuordnen, erweiterte und transformierte herkömmliche Sichtweisen, stellte sie gelegentlich sogar in Frage und machte sie unhaltbar. In der Auseinandersetzung um den juristischen Status der indianischen Gemeinwesen in Amerika und die Legitimität der Herrschaftsansprüche Spaniens entwickelten sich erste Prinzipien des modernen Völkerrechts.40 Die Debatte über die Abschaffung der Sklaverei, die von Pietismus und Erweckungsbewegung angestoßen wurde, inspirierte die allgemeine Diskussion über die Formulierung und Festschreibung der Menschenrechte. Entwicklungen in den USA beförderten die Erörterung konstitutioneller Fragen. Neuseeland oder Südaustralien gingen in Fragen des Frauenwahlrechts voran. Australien wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts im Vergleich zum Mutterland zunehmend als egalitärer, demokratischer und weniger auf Konventionen bedacht wahrgenommen – Verhaltensweisen, die auch manche Europäer für erstrebenswert hielten. Aufstände oder Dekolonisationsbemühungen in der überseeischen Welt fanden Widerhall in Europa und hinterließen Spuren in politischer Auseinandersetzung und Kultur. Der große indische Aufstand von 1857 wurde in Irland, das sich ebenfalls in einer Art kolonialer Abhängigkeit von England befand, mit Aufmerksamkeit verfolgt. Mahatma Gandhi und seine Techniken des gewaltlosen Widerstands inspirierten auch in Europa den friedlich-subversiven politischen Protest.
Im Kontrast zu anderen Kulturen vergewisserte sich Europa seiner selbst und formte seine Identität. Während sich Europa der Neuen Welt gegenüber als technisch und zivilisatorisch fortschrittlich empfand, schienen Japan, China, Indien, auch Siam, Persien oder das Osmanische Reich Europa bis ins 18. Jahrhundert kulturell mindestens ebenbürtig zu sein. Bewunderung etwa im Hinblick auf wohlorganisierte Staatswesen oder sogar Furcht waren durchaus verbreitet. Der Dreißigjährige Krieg mit all seinen Begleitumständen hatte in Europa Zweifel gesät an der Richtigkeit seiner politischen, gesellschaftlichen und religiösen Ordnungen. Die Herrschaft des chinesischen Kaisers ebenso wie das Regierungssystem der Tokugawa-Shogune in Japan schienen attraktive Gegenmodelle zu sein.
Seit der Wende zum 19. Jahrhundert begriff sich Europa jedoch auch Asien gegenüber als zivilisierter, moderner und fortschrittlicher.41 Im Laufe des Prozesses, in dem die "Anderen" negativ charakterisiert wurden, schärfte sich gleichzeitig das positiv verstandene europäische Selbstbild. Irrational, zeitlos, despotisch, heidnisch, barbarisch, rückständig und feminin – so wurde beispielsweise der Orient gesehen. Vernünftig, christlich, zivilisiert, fortschrittlich, dynamisch und männlich dagegen Europa. Allerdings war für Europa immer auch Kritik an den eigenen Verhältnissen und Zweifel an seinen Errungenschaften charakteristisch. Stets gab es Trends, die quer zum generellen Superioritätsgefühl verliefen. Deren Vertreter erkannten aus romantisch inspirierter Perspektive in Übersee "edle Wilde" und spürten mit Unbehagen Mängel in den eigenen Gesellschaften. Jenseits der kontinentalen Grenzen wurden Fluchtpunkte wahrgenommen, Alternativen zum Materialismus der Industriegesellschaften, zu Vernunft, Fortschrittsglauben und geistig-religiöser Entzauberung.42
Ausblick
Die postkolonialen Staaten sind vielfach schwach. Das hat damit zu tun, dass sich während der Kolonialzeit keine hinreichend stabilen politischen Strukturen herausbilden konnten. Außerdem sind sie häufig Kunstprodukte, deren Grenzen die kolonialen Herren ohne Rücksicht auf ethnische, kulturelle und religiöse Bedingungen festlegten. Politische Gebilde entstanden, die wenig oder keine innere Kohärenz besaßen. Auf vielfältige Weise blieben sie vor allem in wirtschaftlicher, aber auch in politischer und kultureller Hinsicht an die Länder des Nordens gebunden. Dort liegen die Zentren der militärischen Macht, dort residieren die Vorstände und Aufsichtsräte, die die multinationalen Konzerne steuern, und dort werden die politischen Entscheidungen getroffen, die globale Wirksamkeit entfalten. Selbst in den internationalen Organisationen geben die Vertreter der nördlichen Länder den Ton an. Auch wenn die Welt heterogener, vielschichtiger und unübersichtlicher geworden ist, können die Beziehungen Europas zur außereuropäischen Welt nach wie vor auch unter dem Aspekt "Herrschaft" gesehen werden.