Einleitung
Im Bereich der Gartenkunst fanden im 18. Jahrhundert zahlreiche Transferprozesse statt, von denen nicht nur der Landschaftsgarten betroffen war. Sie verliefen v.a. zwischen Italien, England, Frankreich und Deutschland, wobei aber auch Einflüsse aus der außereuropäischen Welt eine Rolle spielten (anglo-chinesischer Garten).1 Es handelte sich dabei im wörtlichen und im übertragenen Sinne um "Grenzüberschreitungen", die geistes- und wissenschaftsgeschichtliche, künstlerische ebenso wie berufssoziologische Phänomene betrafen. Die folgenden Ausführungen können kein vollständiges Bild der Ausprägungen und Entwicklung des Landschaftsgartens zeichnen, sondern greifen einige Aspekte und Beispiele für Kultur- und Wissenstransfer im Bereich der Gartenkunst des 18. Jahrhunderts heraus.
Der Stilbegriff Landscape Garden und die Berufsbezeichnung Landscape Gardener wurden erst am Ende des 18. Jahrhunderts in den Schriften des englischen Gartenkünstlers und Theoretikers Humphry Repton (1752–1818) eingeführt und diskutiert.2 Davor hatten Begriffe wie "natürlicher", "neuer Gartengeschmack" oder "neue Gartenmanier"3 einen Gartenstil umschrieben, der sich zwar aus internationalen Quellen speiste, von den Zeitgenossen aber mehrheitlich als "neue[r] Geschmack der Britten, der die Regelmäßigkeit und Einförmigkeit verbannte und wahre Schönheit der Natur in die Gärten rief"4 wahrgenommen wurde, wie es 1782 der deutsche Gartentheoretiker Christian Cay Lorenz Hirschfeld (1742–1792) zusammenfasste. Seit etwa 1700 vollzog sich eine Bewegung hin zu größerer Natürlichkeit in der Gartengestaltung, die sich im französischen Garten ebenso äußerte wie in frühen Formen des Landschaftsgartens. Erst seit dem mittleren Drittel des Jahrhunderts waren bestimmte Merkmale der Struktur und Linienführung, der Bepflanzung und des Ausmaßes, der Blickführung sowie der Rezeption durch den Spaziergänger so weit ausgeprägt, dass sie als Differenzierungsmerkmale für eine Beschreibung des Landschaftsgartens im Unterschied zum klassischen französischen Garten anerkannt waren.
Seit dem späten 16. Jahrhundert war die Gartenkunst der Bindung an die Landwirtschaft und den nützlichen Gartenbau entwachsen und im Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts zur Schwesterkunst von Architektur, Malerei und Dichtung aufgestiegen. Die gestalterische Vielfalt der Gärten, die nun Geist und Emotionen anregen sollten, wurde im Kontext der Kunstdiskurse einer europäischen Société des lettres diskutiert. Diese Debatte fand statt in Gartenlehrbüchern, theoretischen Traktaten sowie in den ab den 1790er Jahren gerade von deutschen Verlagen vermehrt herausgegebenen Gartenzeitschriften.5 Im 18. Jahrhundert drehten sich ihre Grundfragen dabei um die Wahrnehmung der Natur und ihre Nachahmung in der Kunst. Die stilistischen Frontlinien wurden, grob gesagt, mit den Stichworten Regelmäßigkeit vs. Unregelmäßigkeit, französischer vs. englischer Garten gezogen. Die Rezeptions- und Transferprozesse, die seit etwa 1700 zur Verbreitung neuer, natürlicher Gartenformen führten, von denen der Landschaftsgarten das prominenteste Phänomen ist, stellen sich jedoch komplexer dar. Ebenso wie das Naturverständnis im 18. Jahrhundert hatte die "Natürlichkeit" der Gartenkunst viele Facetten. Sie ging nicht automatisch mit einem bestimmten Stil einher, sondern war ein differenzierter Modus der Gartengestaltung, der sich aus verschiedenen Quellen speiste. Die "Natürlichkeit" der Gartenkunst wurde seit dem ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts als neu und vorbildlich empfunden und in Theorie und Praxis ausgearbeitet, wobei Frankreich und England unterschiedliche Wege gingen.
Voraussetzungen: Ein neues Konzept der Natürlichkeit um 1700 in der englischen und der französischen Gartentheorie
Um 1700 machten sich sowohl in der englischen als auch in der französischen Gartenkunst Bemühungen um eine neue Natürlichkeit in der Gartengestaltung bemerkbar, die sich gegenseitig beeinflussten und Niederschlag in der theoretischen Literatur fanden.6 1709 erschien in Paris mit La théorie et la pratique du jardinage von Antoine-Joseph Dezallier d'Argenville (1680–1765) ein Traktat, der die Gestaltungsmotive und -prinzipien des klassischen französischen Gartens erstmals zusammenfasste und gleichzeitig ein neues, natürlicheres Gartenkonzept formulierte. Das Buch war auch in England sehr erfolgreich.7 In der zweiten, erweiterten Auflage (1713) findet sich erstmals eine Formulierung, die ein neues Naturverständnis ausdrückte und zum Vorbild der Gartenkunst erhob: "Faire céder l'Art à la Nature" ("dass die Kunst der Natur weiche").8 In der englischen Gartentheorie des 17. Jahrhunderts wurde ebenso wie in Frankreich die Nachahmung der Natur im Garten gefordert, ohne dass dies automatisch schon eine unregelmäßige Gartengestaltung nach sich gezogen hätte.9 Frühe Konzepte des englischen Landschaftsgartens und die im Traktat Dezallier d'Argenvilles geforderte verstärkte Orientierung an der Natur sind Phänomene, deren Ausbildung parallel verlief.
Von Schlängelwegen oder anderen Formen einer "Natürlichkeit" suggerierenden Wegeführung ist bei Dezallier d'Argenville nicht die Rede. Natürlichkeit offenbarte sich seiner Vorstellung nach nicht in Plan und Grundriss, sondern – wie das Beispiel des Gartens von Marly zeigt – in der Terrainmodellierung und der Bepflanzung, vor allem in der Verwendung von Rasen und umranktem Lattenwerk (Treillage). Sowohl in der französischen als auch der englischen Gartenkunst des frühen 18. Jahrhunderts wurde verstärkt Wert gelegt auf die Verwendung der Farbe Grün, was wahrscheinlich auch auf antike Vorbilder zurückging. Die grüne Farbe der natürlichen Vegetation wird in den Briefen von Plinius dem Jüngeren (61/62–ca. 114) häufig hervorgehoben. Kein gartentheoretischer Text der Neuzeit erwähnt so nachdrücklich ausgedehnte grüne Flächen, die betreten werden können und sollen und deren Anblick dem Auge angenehm ist. Daher ist es kein Zufall, dass sich mit den Beschreibungen von Tuscum und Laurentinum, den zwei Villen des jüngeren Plinius, seit etwa 1680 sowohl die französische als auch die englische Literatur und Architekturtheorie befasste.10 So rekonstruierten der Franzose Jean-François Félibien des Avaux (1658–1733) (1699)und der Engländer Robert Castell (gest. 1729) (1728) diese beiden idealen Anlagen, indem sie Mittel und Möglichkeiten natürlicher und künstlicher Gartengestaltung ihrer Zeit zusammenführten.
Der französische Kartograph und Festungsbauingenieur Allain Manesson Mallet (ca. 1630–ca. 1706) führt in seinem Werk La géométrie pratique (1702) die Nutzanwendung der Geometrie und ihrer Teilbereiche Trigonometrie, Planimetrie und Stereometrie vor Augen. Er illustriert viele seiner Ausführungen mit Gartenansichten, denn für den Entwurf von Gartenanlagen waren seit dem frühen 17. Jahrhundert Kenntnisse der Mathematik, Geometrie, Optik und Perspektive gefordert. Das Werk hatte großen Einfluss auf Gartenautoren des frühen 18. Jahrhunderts. So finden sich etwa bei Dezallier d'Argenville erstmals stereometrische Darstellungen von Gärten (siehe Abb. 1). Auch der englische Gärtner und Autor Stephen Switzer (ca. 1682–1745) greift in seiner Publikation Ichnographia Rustica (1718, 2. Auflage 1742) auf Manesson Mallet zurück und behandelt so wie dieser nicht nur die Erfassung, Vermessung und Übertragung gerader und regelmäßiger Linien, Körper und Formen, sondern auch geschwungene und unregelmäßige. Sie alle werden als Aufgaben der praktischen Geometrie dargestellt. Switzer und auch der Gärtner Batty Langley (1696–1751), der Autor von New Principles of Gardening (1728), sehen die geschwungene oder geschlängelte Linie als Ausdruck von Natürlichkeit, die gerade Linie hingegen als Inbegriff unnatürlicher Gestaltung. So entwarf Langley Gärten, in denen die regelmäßigen Strukturen des klassischen französischen Stils von unregelmäßigen Linien überlagert sind. Sein Versuch, unter dem Begriff "Improvement" gewohnte Linienführungen und Formen zu verlassen und künstliche Unordnung zum Konzept zu erheben, überzeugte allerdings nicht und wurde als unnatürlich angesehen. Die Gegenüberstellung regelmäßiger und geschwungener Linien führt William Hogarth (1697–1764) in seiner Analysis of Beauty (1753) aus; die "Line of Beauty", eine s-förmig geschwungene Linie, hatte als viel zitiertes kunsttheoretisches Linienkonzept großen Einfluss auf die Grundrissgestalt des Landschaftsgartens.
Medialer Transfer und Gattungstransfer: Gartenkunst und Malerei
Das Vorbild Antike
Für den Blick auf natürliche Landschaften und die Komposition von Gartenräumen ist der Vergleich mit der Antike von grundlegender, struktureller Bedeutung. Die schon erwähnten Villenbeschreibungen von Plinius gehören zu den Quellentexten, die seit der Renaissance und besonders seit dem späten 17. Jahrhundert in so gut wie jedem Text zur Garten- und Landschaftskunst kommentiert werden. Sie schildern eine komplexe Blickführung und eine visuelle Verschränkung zwischen innen und außen, zwischen Architektur, Garten und Landschaft, ein überraschendes, differenziertes Spiel mit der Verwandlung dreidimensionaler natürlicher Räume in zweidimensionale Bildflächen – und umgekehrt, sobald der Besucher der Villa aus dem Gebäude heraustrat. Das Konzept einer einheitlichen, künstlerischen Raumwirkung und gleichzeitig eines Gattungstransfers zwischen Gebäude und Garten hat durch die Übersetzungen und Kommentare nach Plinius wesentliche Anregungen und Erweiterungen erhalten.
1709 reiste der englische Maler William Kent (1685–1748) nach Italien, ein künstlerisch prägender Aufenthalt, von dem er erst zehn Jahre später in die Heimat zurückkehren sollte.11 Sein von der Antike und dem neuzeitlichen Italien geprägtes, der künstlerischen Arbeit des Malers und Theaterdekorateurs verpflichtetes neues Konzept der Gartenkunst leitete die erste Phase der Entwicklung des Landschaftsgartens ein. Mit dem Satz "All gardening is landscape painting"12 formulierte der Dichter Alexander Pope (1688–1744) einen Paradigmenwechsel im Entwurfsprozess und damit auch im Berufsbild des Gärtners: Vom Architekten solle dieser zum Maler werden.13
Die Ausprägung des Landschaftsgartens geht mit der Rezeption der Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts in England einher. Diese setzt im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts ein und verläuft parallel mit einer seit dem späten 17. Jahrhundert geführten kunsttheoretischen Auseinandersetzung mit der Landschaftsmalerei und ihrem Rang innerhalb der Gattungshierarchie der Malerei.14 Der Erfolg der Gemälde von Claude Lorrain (1600–1682), Nicolas Poussin (ca. 1594–1665), Gaspard Dughet (1615–1675) und des Italieners Salvator Rosa (1615–1673) seit dem frühen 18. Jahrhundert in England ist komplementär. "O great Poussin! O Nature's darling, Claude!", so ruft der Dichter William Mason (1725–1797) in seinem 1772–1781 erschienenen Gedicht The English Garden die Meister der Landschaftskunst an, deren Kompositionen voller lieblicher "charms", "graces" und "fresh beauties" für den Gartenkünstler beispielhaft seien.15 Der von Mason anschließend genannte "Salvator!" (Salvator Rosa) bietet Vorbilder für "majestic scenes" und wird als Protagonist des Sublimen in der Landschaftsmalerei wahrgenommen.16 Seit dem frühen 18. Jahrhundert waren Werke der genannten Maler in so gut wie allen großen Sammlungen des englischen Adels und der Gentry vertreten. Die englische "Claude-Fashion" des 18. Jahrhunderts ist zunächst einmal ein Phänomen der Frühzeit des Tourismus und der Sammlungsgeschichte sowie einer Phase der "History of taste".17 Die Wertschätzung der idyllischen und heroischen Landschaften eines Claude, Poussin, Dughet und Rosa wurde unterstützt durch die Übertragung ihrer Stil- und Kompositionsprinzipien in die Dichtkunst.
Grand Tour und Gartenkunst
Die Entwicklung eines neuen, natürlichen Gartenkonzepts ging in England von Literaten, Malern und Architekten aus, die mit aktuellen kunsttheoretischen Debatten vertraut waren und von denen die meisten Italien bereist hatten. Der Earl of Shaftesbury (1671–1713) lebte ab 1711 in Italien. Joseph Addison (1672–1719) ging von 1699 bis 1703 auf Grand Tour nach Frankreich und Italien. 1709–1719 lebte der Maler William Kent in Italien. Richard Boyle, 3rd Earl of Burlington (1694–1753), reiste zwischen 1714 und 1726 mehrfach nach Italien. Alexander Pope hingegen kannte Italien nicht aus eigener Anschauung.
Landschaftsgemälde boten ein künstlerisches Konzept und ein Modell für poetische Stimmung, aber keine unmittelbar übernommene Vorlage. Die antikischen Tempel, Nymphäen, Exedren und Grotten in den frühen englischen Landschaftsgärten der 1730er bis 1750er Jahre verwandeln die Gärten in der Wahrnehmung des Spaziergängers in geistige und assoziative Freiräume. Sie sind ebenso Zitate realer oder rekonstruierter Bauten in der römischen Campagna wie der idealisierenden Landschaftsmalerei. Der gebildete Besucher und Betrachter verstand die künstlerischen, literarischen, historischen oder politischen Anspielungen der Gartenszenen, die sich in seinem Auge mit Werken der Malerei überlagerten. Die Vielfalt der Antikenrezeption in William Kents Gartenanlagen ist oft behandelt worden.18 Die Gruppierung der Gehölze lässt seine Erfahrung als Theaterdekorateur deutlich werden. Kent, der nicht nur Gemälde von Claude Lorrain im Original kannte, sondern auch seine Sammlung von Zeichnungen der eigenen Kompositionen, den sogenannten "Liber veritatis", bezeichnete seine bildhaft gestalteten Gärten als "picturesque".19
Blickt man auf die Darstellung der frühen Landschaftsgärten, so wie sie in der von 1739 an publizierten zweiten Serie des Vitruvius Britannicus wiedergegeben sind, so fällt ein Darstellungsmodus ins Auge, der nicht aus der Malerei, sondern aus der frühneuzeitlichen Stadtplanung übernommen ist: Um den Plan des Gartens herum sind kleine Bilder angeordnet, die den Fokus auf die einzelnen Gartenbauten richten. Die Darstellung des Gartens von Chiswick, für dessen Gestaltung Lord Burlington ab 1729 Kent heranzog,20 wird auf diese Weise zergliedert in einen Plan, in dem die Wegeachsen dominieren und die gezielt am Ende der Achsen einzeln in den Blick gerückten Fabriques (kleine Gartengebäude). Das Raumkontinuum eines idealen Landschaftsgemäldes wird so nicht vermittelt, sondern das einzelne Gebäude bildhaft vor Augen geführt.
Stowe und Stourhead
Der Garten von Stowe House in Buckinghamshire ist vielleicht der berühmteste frühe englische Landschaftsgarten. Benton Seeley (1716–1795) widmete ihm 1744 den ersten publizierten Gartenführer, sicher aufgrund des großen Interesses in- und ausländischer Künstler und adliger Besucher.21 Die Anlage des Gartens verlief seit dem zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts in mehreren Phasen: Auf den Architekten Sir John Vanbrugh (1664–1726), der mit der sogenannten Rotunda den ersten Monopteros (Rundtempel) im Garten errichtete, und den Gartenkünstler Charles Bridgeman (1690–1738) folgten nach 1738 Kent und der Architekt James Gibbs (1682–1754). Lancelot Brown (1716–1783) erweiterte die Anlage bis 1751.22 Kents "Elysian Fields" und Browns "Grecian Valley" sind ein antikischer Hain und ein griechisches Tal voller Anspielungen und Gegenüberstellungen von Antike und Moderne, vergangener Tugend und modernem politischen Vorbild, wie sich schon in vielen der Bezeichnungen der Tempel ausdrückt. Die zahlreichen Tempel und Gebäude, die im Garten von Stowe errichtet wurden, scheinen den Familiennamen des Auftraggebers, Richard Temple (1669–1749), und das Familienmotto "Templa quam dilecta" ("Wie schön sind die Tempel") aufzugreifen. Die Blickverbindungen zwischen den mehrheitlich am Rande des Gartens errichteten Staffagegebäuden, neben die sich auch das eigentliche Country House einreiht, über die weiten Wiesen- und Wasserflächen der Anlage hinweg strukturieren die Gartenlandschaft. Auf Einladung des Gärtners Charles Bridgeman fertigte der französische Kupferstecher Jacques Rigaud (1681–1754) Ende der 1730er Jahre Stichserien der Landschaftsgärten von Chiswick – im Auftrag Lord Burlingtons – und Stowe – im Auftrag von Lord Cobham – an.23 Die dreidimensionalen Gartenräume überträgt Rigaud in ungewöhnlich großformatige Kupferstiche von bildhaftem Charakter, die er mit einer Fülle von Staffagefiguren belebt. Die Staffage der druckgraphischen Veduten Rigauds bewirkt, dass der Landschaftsgarten in der medialen Verwandlung vom dreidimensionalen Raum zum zweidimensionalen Bildwerk sich der ebenfalls mit Figuren bevölkerten Landschaftsmalerei angleicht.
Der Garten von Stourhead lässt sich als weiteres Beispiel für den medialen Transfer von der Malerei zum Garten anführen.24 Henry Hoare der Jüngere (1705–1785), der Besitzer der Anlage, hatte sich 1738–1741 auf Grand Tour in Italien aufgehalten. 1743 begann er mit der Gestaltung der Gartenanlage, die abseits des Landhauses als eigene Raumschöpfung um einen eigens aufgestauten See entstand. Den Blick vom Pantheon aus auf die palladianische Brücke und die Kirche beschreibt er als Landschaftsgemälde. Stourhead ist eine im Auge und Empfinden des kunstgebildeten Betrachters und Spaziergängers zur römischen Campagna transformierte üppig grüne südenglische Landschaft. William Masons bereits erwähntes Lehrgedicht The English Garden thematisiert ausführlich den medialen Transfer von Malerei zur Gartenkunst. Seine Formulierung "scenes like these, on Memory's tablet drawn, bring back to Britain"25 charakterisiert die Erschaffung eines Gartens als eine Kunst der Erinnerung und der Vergegenwärtigung. Indem der Maler den Architekten als kreatives Vorbild des bildenden Gartenkünstlers ablöst, werden dessen Qualifikationen ergänzt durch die des "landscapist", "Landschafters", ein Begriff, der seit dem späten 18. Jahrhundert den Gartenkünstler mit dem Maler und dem Dichter zusammenschließt, wie etwa Horace Walpole (1717–1797) 1773 schreibt: "Poetry, Painting and Gardening, or the science of Landscape, will forever by men of Taste be deemed Three Sisters, or the 'Three New Graces' who dress and adorn Nature."26
In der Rezeption der Malerei in der Gartenkunst gibt es nationale Unterschiede, die sich auch mit unterschiedlicher Sammlungsgeschichte erklären lassen. Das Dessau-Wörlitzer Gartenreich, seit den 1760er Jahren im Auftrag des Fürsten Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740–1817) angelegt, folgte zwar englischen Vorbildern, aber nicht unbedingt der idealisierenden Landschaftsmalerei. Mit Architekturen, Terrainmodellierung und Gartenräumen bildete der für den Fürsten tätige Architekt Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736–1800) eine europäische Erinnerungstopographie, die Reminiszenzen an England, Italien und Frankreich sowie die Antike in sich vereint. In seinem 1782 erschienenen Lehrgedicht Les jardins, ou l'art d'embellir les paysages zeigt Jacques Delille (1738–1813), dass die Malerei die Architektur als künstlerisches Vorbild und Leitgattung der Gartenkunst ablöst. Der Kieler Philosophieprofessor Christian Cay Lorenz Hirschfeld, Verfasser der Theorie der Gartenkunst (1779–1785), schreibt ebenfalls ausführlich über das Thema Garten und Malerei, folgt aber auch bei diesem Thema Thomas Whatelys (gest. 1772) einflussreichem Traktat Observations on Modern Gardening (1770). Hirschfeld hat selbst offenbar nie Gemälde von Claude, Poussin oder Dughet gesehen.
In der englischen, französischen und deutschen Gartenliteratur der 1770er Jahre ist die Verwandtschaft von Gartenkunst und Malerei ein Gemeinplatz. Allerdings übertrifft die Gartenkunst die Malerei in der Ausdehnung und vor allem in den Materialien, da sie selbst belebte, bewegte und sich verändernde Natur ist. Die Gartenkunst ahmt eine idealisierte, schöne Natur nach, und gleichzeitig ist sie Natur.
Die internationale theoretische Gartendebatte: 1770–1800
Joseph Addison propagierte 1712 Natürlichkeit und Abwechslungsreichtum als Gestaltungsprinzipien eines Gartens, der "a Picture of the greatest variety" sein solle. In seiner Hervorhebung der "beautiful Wildness of Nature" statt den "Elegancies of Art" lässt sich das Gegenbild der französischen Gartenkunst erkennen.27 Die Auseinandersetzung englischer Autoren des frühen 18. Jahrhunderts mit dem klassischen französischen Garten hat außer formalen auch politische und sozialkritische Aspekte der bürgerlichen, gegen den Adel gerichteten Hofkritik einerseits und ist Ausdruck anti-französischer Ressentiments in der englischen Politik andererseits.28 Der französische Garten wurde als Sinnbild höfischer Ausbeutung und Unterdrückung interpretiert, der englische Landschaftsgarten hingegen mit einem liberalen politischen System gleichgesetzt. Diese Deutung mit ihrer gesellschaftskritischen Polemik legte den Keim für die im Laufe des 18. Jahrhunderts in ganz Europa geführten Diskussionen um die Gartenkunst.29
Der Transfer militärischer Aktion in friedliche Gestaltung und damit das paradox aufeinander bezogene Verhältnis zwischen Festung und Garten lässt sich am Beispiel so gut wie aller Kriegshelden des Spanischen Erbfolgekriegs und ihrer Bauvorhaben nach Ende des Kriegs aufzeigen.30 Freilich trifft es nicht zu, dass sich jeder gegen die Franzosen siegreiche englische Feldherr, zum Zeichen der Überwindung auch im Medium der Kunst, einen Landschaftsgarten hätte anlegen lassen. Um Schloss Blenheim legte Charles Bridgeman für John Churchill (1650–1722), 1st Duke of Marlborough, den Sieger der Schlacht von Höchstädt (1704), einen regelmäßigen Garten an, der erst später von Lancelot Brown umgestaltet und vergrößert wurde. Auch der Garten von Stowe, der für den ebenfalls gegen die Franzosen militärisch erfolgreichen Richard Temple angelegt wurde, war zunächst weitgehend vom klassischen französischen Vorbild geprägt.
Erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts und spätestens seit dem Siebenjährigen Krieg wurden der englische und der französische Gartenstil regelmäßig als pauschale nationalistische und politische Metaphern instrumentalisiert.31 Seit 1770 meldeten sich in einer internationalen und zunächst akademisch geprägten kontroversen Debatte mit einer langen Reihe von Gartentrakten sowie in den einschlägigen Kalendern und Gazetten Autoren zu Wort, die mehrheitlich selbst keine Gärtner waren, sondern Dichter, Philosophen, Architekten, Auftraggeber und Dilettanten: die Engländer Thomas Whately, William Chambers (1726–1796), William Mason, Horace Walpole und Richard Payne Knight (1750–1824), die Franzosen Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), Claude-Henri Watelet (1718–1786), Antoine-Nicolas Duchesne (1747–1827), Jacques Delille, René-Louis de Girardin (1735–1808) oder vor allem der omnipräsente Christian Cay Lorenz Hirschfeld. Nach der fünfbändigen Theorie der Gartenkunstdes Philosophieprofessors Hirschfeld (1779–1785) erschien erst 1818 mit den Beiträgen zur bildenden Gartenkunstdes bayerischen Hofgartenintendanten Friedrich Ludwig von Sckell (1750–1823) das erste deutschsprachige Lehrbuch zum Landschaftsgarten. Viele der genannten Bücher wurden übersetzt.
Der anglo-chinesische Garten
Für das Thema des interkulturellen Transfers ist die Auseinandersetzung um die Schriften des Architekten William Chambers und den sogenannten anglo-chinesischen Garten aufschlussreich. Der anglo-chinesische Garten ist eine von englischen und französischen Vorstellungen und Interpretationen chinesischer Gärten genährte Stilrichtung des frühen Landschaftsgartens. Sie war eine kurze Zeit lang, seit den frühen 1770er Jahren bis Ende der 1780er Jahre, in ganz Europa, besonders aber in Frankreich erfolgreich, bevor man sich von ihr abwandte und der klassische Landschaftsgarten nach dem Vorbild von Brown und Repton die Oberhand gewann. Die vor allem unter dem französischen Begriff Jardin anglo-chinois bekannte Stilrichtung erhob den von Stilprinzipien des Rokoko abgeleiteten Eklektizismus und Stilpluralismus zur Maxime. In formaler Hinsicht bedeutete dies: kleinteilige, auf Abwechslung zielende Abfolge von Gartenräumen, Vermischung geometrischer und unregelmäßiger Partien, figürliche und ornamentale Formen in Wegeführung oder Parterreumriss, kontrastreiche Kombination künstlicher Gartenbauten und ihrer natürlich gestalteten Umgebungen und auf überraschende Sinneseindrücke zielende Effekte.
Chambers gab mit seinen Arbeiten über chinesische Architektur, Kunst und Gärten der Diskussion über Herkunft und Formen des Landschaftsgartens wesentliche Anregungen.32 1757 veröffentlichte er unter dem Titel Designs of Chinese buildings ... To which is annexed a description of their Temples, Houses, Gardens &c eine mit zahlreichen Tafeln versehene Publikation, deren französische Übersetzung bereits im selben Jahr erschien.33 Chambers' anderer Beitrag zur Diskussion der chinesischen Gartenkunst, Dissertation on Oriental Gardening, kam 1772 zusammen mit An Explanatory Discourse by Tan Chet-Qua ... in englischer sowie 1773 in französischer Sprache heraus. In der Dissertation legt Chambers dar, dass der unregelmäßige Gartenstil seiner Ansicht nach in China erfunden worden sei. Der europäische Gartenkünstler solle sich das dortige Gartenkonzept und Berufsbild des Gärtners – die Gartenkunst als Werk des Botanikers, Malers und Philosophen – zum Vorbild nehmen:
Their Gardeners are not only Botanists, but also Painters and Philosophers .... It is not in China, as in Italy and France, where every petty Architect is a Gardener; neither is it as in another famous country, where peasants emerge from the melon grounds to commence professors; ... In China, Gardening is a distinct profession, requiring an extensive study ...34
Chambers flicht in seine Texte immer wieder grundsätzliche Kritik an der scheinbar kunstlosen Art der Landschaftsverschönerung des als Gartenkünstler sehr erfolgreichen Lancelot "Capability" Brown ein. Es handelt sich um eine unverhohlen durch Statusrivalität motivierte Attacke des etablierten Architekten William Chambers, der die Gartenkunst als "collateral branch of the architect's employment"35 für seine Disziplin beansprucht, auf den zu großem Ruhm gekommenen, als Gärtner ausgebildeten, aber auch autodidaktisch als Baumeister tätigen "Capability" Brown.
Nach chinesischem Vorbild stellt Chambers in seiner Dissertation ein auf den Grundsätzen der Mannigfaltigkeit und des Kontrastes beruhendes Gartenkonzept vor und legt damit die theoretische Grundlage für die zwar kurzlebige, aber einflussreiche Phase des anglo-chinesischen Gartens. Dank der Übersetzungen hatten Chambers' Werke einen so weitreichenden internationalen Einfluss wie unter den englischen Gartenbüchern sonst nur die Werke von Thomas Whately. Das Konzept und die Prinzipien des anglo-chinesischen Gartens fanden damit umgehend Eingang in die europaweit geführte Diskussion.
Die Theorie, dass der Landschaftsgarten primär von der chinesischen Landschaftskunst abzuleiten sei, wurde bereits von Zeitgenossen heftig attackiert, so von Walpole, Mason und Hirschfeld.36 1785 kennzeichnet Hirschfeld die Gestaltungsprinzipien des Jardin anglo-chinois à la française polemisch zugespitzt und lässt an seiner Ablehnung keinen Zweifel:
Alles, was ein großer Park enthalten kann, soll in den engen Raum von einem Morgen Landes zusammengedrängt werden. Alles, was Asien an verschiedenen Bauarten zeigt, soll auf einem Fleck von einigen hundert Schritten nachgeahmt werden. Chinesische Misgeburten und Kiosken, die zu den Ungeheuern der neuen schwelgerischen Baukunst gehören, verdrängen die reine Einfalt der griechischen Architectur. Die Kunst der Gruppirung der Bäume auf grünen Flächen scheint noch wenig bekannt; sie stehen meist einsam, getrennt, ohne Verbindung und Beziehung, wie die Figuren auf manchen bis auf uns erhaltenen Gemälden des Alterthums. Die Bosquets sind meistens in einer gezirkelten und tändelnden Manier; oft genug noch symmetrisch angelegt, ohne die edle Freyheit der Natur, wodurch sie ihren Reiz gewinnen müssen. ... Mit Kunstwerken aller Art, besonders vermischten Gebäuden, Ruinen, Brücken, werden nicht selten die neuen Gärten überladen, und man scheint ganz den Werth des Einfachen und Natürlichen zu verkennen.37
Die stilistisch heterogenen Fabriques im anglo-chinesischen Garten, die "alle Zeiten und alle Länder" – "tous les temps et tous les lieux"38 – beschworen, wurden von den Auftraggebern und Besitzern der jardins anglo-chinois als modische Kulisse verstanden. Hinter dem Stilpluralismus und Eklektizismus der Gärten und ihrer Kleinarchitekturen steht jedoch ein intensives kosmopolitisches Interesse einer durch das Zeitalter der Grande Encyclopédie und zunehmendes Reisen geprägten internationalen Öffentlichkeit. Die Lust an phantasievoller Abwechslung und der Entwurf sinnlich wahrzunehmender Erlebniswelten fern der aktuellen Realität, wie sie im anglo-chinesischen Garten zum Ausdruck kamen, charakterisiert zudem gerade die letzten Jahrzehnte des Ancien Régime.
Kinästhetischer Transfer innerhalb von Raum und Zeit
Im Spannungsfeld der Gartendebatte des 18. Jahrhunderts wie auch in der künstlerischen Darstellung von Gärten in Theater, Literatur oder Malerei wurde der Garten mehr als zuvor zum Ort, der unterschiedliche Stimmungen und individuelle emotionale Reaktionen hervorrufen sollte. Gärten sollen Empfindungen wecken, Emotionen hervorrufen, Erinnerungen wachhalten – alle Sinne der Besucher sollen angesprochen werden, nicht nur das Auge. Die Komplexität der sinnlichen Wahrnehmung des Gartens wird ergänzt durch die Möglichkeiten, Raum- und Zeitgrenzen zu überschreiten. Viele Landschaftsgärten des 18. Jahrhunderts vereinten an einem Ort historisierende Staffagebauten aller Länder und Zeiten, ein enzyklopädisches Konzept, das dem Spaziergänger in individualisierter Wahrnehmung eine Zeitreise anbot.
Dieser Transfer in Zeit und Raum ist paradigmatisch für eine im Verlauf des 18. Jahrhunderts vollzogene konzeptuelle und strukturelle Grenzüberschreitung, wie Horace Walpole sie in The History of the Modern Taste in Gardening (1780) als Kommentar zu William Kents Erneuerung der Gartenkunst schilderte: "He leaped the fence and saw that all nature was a garden."39 Der Transfer lässt sich auch als Ausdruck eines medialen Wechsels verstehen. Denn die Vorbildlichkeit der Landschaftsmalerei für den Landschaftsgarten hat im Medium ihre eng umrissene, konkrete Grenze, den Rahmen. Das Gartenkunstwerk hingegen geht weit über den "Rahmen" hinaus und nimmt die gesamte Landschaft in den Blick: " ... the supreme art of the designer consists in disposing his ground and objects into an entire landscape."40 Das Werk von Lancelot Brown ist das beste Beispiel für das neue Konzept der über die Grenzen von Garten und Park weit ausgreifenden Landschaftsverbesserung, wie es seit der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auch auf dem Kontinent erfolgreich war und nachgeahmt wurde.
Im Verlauf des 18. Jahrhunderts gewinnen Reflexionen über die Gestalt und den Rang des Gartenkunstwerks und seine Abgrenzung zu den anderen Künsten an Komplexität. Es mehrten sich Äußerungen nicht nur über die Räumlichkeit, sondern auch über die Zeitlichkeit des Gartenkunstwerks. Hirschfeld, Repton, Sckell oder später Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785–1871) heben die grenzüberschreitende Imagination und Einbildungskraft als wesentliche Merkmale des Gartenkünstlers und "Landscape Gardener" hervor, der hierin den Architekten und Maler übertreffe.41 Der Gartenkünstler muss zu kalkulieren wissen, wie sich das Erscheinungsbild des Gartens beim Gang des Spaziergaengers, im Tages- und Jahresablauf verändert; er muss auf Jahre und Jahrzehnte voraus denken und den kinästhetischen Transfer innerhalb von Raum und Zeit beherrschen.